Für eines ist der ehemalige CDU-Politiker Klaus Bouillon sicher bekannt: seine unkonventionelle Art in vielerlei Hinsicht. Angefangen bei seinem lässigen Kleidungsstil über seine sehr direkte Wortwahl bis hin zu seinen unüblichen Lösungsstrategien lässt der St. Wendeler „Macher“ mit seinen herausstechenden Verhaltensweisen den einen schmunzeln und den anderen schaudern. Welches Resümee er nach 40 Jahren in der Politik zieht, erfahrt ihr im folgenden Artikel.
Klaus, nach einer jahrzehntelangen Karriere in der saarländischen Politik verlässt du nun- mit 74 Jahren- die Politiklandschaft. Wie schwer fällt dir das?
„Mich aus dem Politikgeschäft zurückzuziehen fällt mir nicht leicht, aber tatsächlich auch nicht so schwer, wie erwartet. Ich hatte ausreichend Zeit mich auf den politischen Ruhestand vorzubereiten und freue mich nun auf andere Aufgaben. Es war eine lange, interessante und aufregende Zeit in der Politik. Mit 35 Jahren wurde ich Bürgermeister in St. Wendel und mit 66 Jahren saarländischer Innenminister. Ich denke, ich habe in den vergangenen Jahrzehnten gemeinsam mit meinen Mitarbeiter*innen und Kolleg*innen sowohl für Sankt Wendel als auch für das Saarland vieles angetrieben, bewegt und erreicht. Ich bin stolz auf uns und außerdem glücklich und dankbar, dass ich wundervolle, ereignisreiche und spannende Zeiten mit tollen Menschen an meiner Seite erleben durfte. Dementsprechend verlasse ich die Politik mit einem lachenden und einem weinenden Auge.“
Du warst schon immer ein Politiker, der stark polarisierte- dass du nun nicht mehr Teil des saarländischen Politikgeschehens bist, ist des einen Freud und des anderen Leid. Wie gehst du damit um?
„Schau dir mal die Satire von Loriot an, in der er einen Bundestagsabgeordneten verkörpert und typisch wie man sich einen Politiker vorstellt, ungeheuer viel erzählt, aber letztlich nur sinnfreies Gerede von sich gibt, es ist köstlich.
Seit Beginn meiner Karriere habe ich immer versucht, mich klar und deutlich auszudrücken. Es mag sein, dass ich hier und da weichere Formulierungen hätte nutzen können, aber in diesem Geschäft kann man sagen, was man will, man bekommt sowieso immer wieder die Worte im Munde verdreht. Alles wird so interpretiert, wie es am besten „passt“, das gehört dazu. Die Wahrheit und die Fakten sind nicht immer angenehm, aber bei mir wussten die Menschen, woran sie sind. Ich war stets bemüht, meine Anliegen auf den Punkt zu bringen und eben nicht, wie so oft in der Politik, ewig drum herum zu reden. Natürlich hat das nicht immer allen gefallen, aber für mich war es entscheidend, mir selbst, meinen Zielen und meinem Weg treu zu bleiben. Die Politik ist nichts für sanfte Gemüter, man muss sich ein dickes Fell aneignen und darf nicht alles an sich heranlassen, sonst hat man verloren. Es ist vollkommen normal, dass manche Menschen einen, ganz egal, ob als Privatperson oder als Person des öffentlichen Lebens, mögen und schätzen und andere eben nicht. Viele Rückmeldungen, die mich über all die Jahre erreicht haben und auch die Wahlergebnisse der vergangenen Jahrzehnte bestätigen mir, dass ich vieles richtig gemacht habe. Insofern bin ich sehr zufrieden und komme gut damit zurecht.“
Du sagst, dass man im Politikgeschäft ein dickes Fell haben muss. Wie bist du denn früher, in jüngeren Jahren, mit diesem Druck umgegangen?
„Es kann hart und schwer sein, und auch ich musste viel durchmachen; das ist ein Lernprozess, der über viele Jahre andauert und sich entwickelt. Es gab dunkle Zeiten und schlaflose Nächte, aber mit viel Durchhaltevermögen, innerer Stärke, meiner Familie und meinen Freunden an meiner Seite habe ich auch das geschafft. Gerade in jungen Jahren war ich oft nervös, habe überreagiert und mir zu viele Gedanken gemacht. Mit der Zeit lernt man aber, ruhiger und gelassener zu werden und die Dinge entspannter zu sehen. Durch die vielen konfrontativen Erfahrungen bekommt man eine gewisse Routine, man härtet ab und lernt Situationen zu akzeptieren, die man nicht ändern kann. Für mich war eines immer entscheidend: wenn ich nach bestem Wissen und Gewissen von etwas überzeugt war, dann habe ich es auch vertreten, ganz egal wie viele Gegner ich hatte.“
Klaus, was waren die Meilensteine und Herausforderungen deiner politischen Karriere? Was lag dir besonders am Herzen und worauf bist du besonders stolz?

„Für mich persönlich gab es viele Meilensteine im Rahmen meiner politischen Laufbahn. Zunächst einmal bin ich sehr dankbar tolle Teams mit motivierten Mitarbeiter*innen an meiner Seite gehabt zu haben. Gemeinsam konnten wir mit vereinten Kräften viel bewegen. Wenn man sich Fotos von früher ansieht, erkennt man die St. Wendeler Innenstadt nicht mehr. Zu Beginn meiner Amtszeit 1983 galt es, alle bestehenden Pläne zu verändern, weg von der Flächensanierung hin zur Objektsanierung. Es galt, sämtliche Verkehrsverbindungen umzustrukturieren und einen Ring um die Innenstadt aufzubauen. Die Schaffung der Fußgängerzone war unter anderem eine wesentliche Voraussetzung für die positive Entwicklung unserer Stadt. Dieser Plan wurde damals heftig umstritten und diskutiert, aber heute sind wir alle froh, dass wir so eine gemütliche, attraktive Innenstadt haben. Auch der systematische Aufbau der St. Wendeler Stadtteile war von hoher Bedeutung für mich.

Unabhängig davon, welche die dort politisch agierende Couleur war, habe ich immer versucht die Bürger*innen bei ihren Anliegen zu unterstützen, sei es durch den Bau von Sportanlagen, Dorfgemeinschaftshäusern, die Gewährung von finanziellen Zuschüssen oder durch sonstige Vorhaben. An dieser Stelle ist auch der Aufbau des Gewerbegebiets West mit der Schaffung von rund 16.000 Arbeitsplätzen und die gegen heftige Widerstände durchgesetzte Realisierung des Wendelinusparks zu erwähnen. Als ich die Pläne des Golfplatzes vorgestellt habe, war kaum jemand davon überzeugt, dass das Großprojekt umgesetzt werden kann. Des Weiteren möchte ich herausstellen, dass unsere Stadt Stück für Stück zu einem Eventzentrum wurde. Zahlreiche Großveranstaltungen wurden zu sportlichen und kulturellen Highlights. St. Wendel als Etappenziel der Tour de France, internationale Radsportmeisterschaften, wie die UCI Cyclocross Weltmeisterschaft, der Oster- und Weihnachtsmarkt, das Zauberfestival und vieles mehr lockten nicht nur tausende Besucher aus der Region, sondern aus aller Welt in unser kleines beschauliches Städtchen. So erlangte der Name St. Wendels immer mehr Bekanntheit und Ansehen. Gemeinsam solche Veranstaltungen umzusetzen machte großen Spaß, das waren traumhafte Erlebnisse.

Wir haben Hand in Hand gearbeitet, jeder hat mit angepackt und geholfen, selbstverständlich auch ich. Meine damaligen Mitarbeiter*innen und ich haben für unsere Heimatstadt viel auf den Weg gebracht und darauf können wir sehr stolz sein, daran erinnere ich mich gerne zurück. Wir waren ein gutes Team, das werde ich nicht vergessen.
In meiner Funktion als Minister für Inneres, Bauen und Sport war die Flüchtlingskrise 2015 eine echte Herausforderung, die wir -bundesweit anerkannt- gut gelöst haben. In der Geschichte der saarländischen Polizei gab es noch nie derartige Investitionen, wie etwa in Großinspektionen, das Einsatz- und Trainingszentrum Göttelborn oder in Personalaufstockungen, wie während meiner Amtszeit, dafür habe ich mich stark eingesetzt. Im Bereich Bauen haben wir den sozialen Wohnungsbau auf völlig neue Beine gestellt, unter anderem durch Erweiterung des Personenkreises, der in den Bezug kommen kann, aber auch durch neue Programme für Student*innen, Menschen mit Behinderung, usw. Außerdem haben wir rund 25 Sonderprogramme für Sportvereine, Sportveranstaltungen, Straßenbau und Flüchtlinge aufgestellt, die großen Zuspruch fanden. Auch während dieser Periode hatte ich viele kompetente und verlässliche Menschen an meiner Seite, auf die ich zählen konnte. Diese Zeit erfüllte mich ebenso, das möchte ich nicht mehr missen.“
In der politischen Sphäre steht man in der Öffentlichkeit und muss sich von den Medien, den Oppositionsgenossen und heutzutage insbesondere von Privatpersonen über die Social- Media-Kanäle einiges gefallen lassen. Wie hart war das für dich und wie nah gingen dir herablassende Bemerkungen oder sogar Hasskommentare und Drohungen?
„In der Politikwelt kann es hart zugehen, das ist wahr. Man muss schnell lernen sich abzugrenzen und eine emotionale Distanz zu wahren, das gelingt nicht immer, aber man wächst an seiner Erfahrung. Früher war das schwieriger für mich, aber mit der Zeit hat sich vieles eingespielt. Man kann es noch so gut meinen, es gibt immer Menschen, die die Dinge anders sehen. Die Meinungsvielfalt muss man akzeptieren und sich selbst trotzdem treu bleiben, das ist das A und O. Das Recht zu haben seine Ansichten zu äußern ist das eine, Menschen zu beleidigen, online niederzumachen oder sogar zu bedrohen das andere. In den sozialen Medien wird teilweise rücksichtlos und impulsiv gehandelt. Ärger, Hetze und Hass finden hier eine Plattform. Die Menschen verlieren immer mehr Manieren und agieren großmäulig, frech und dreist. Es ist zunehmend eine gesellschaftliche Verrohung zu verzeichnen, und das finde ich erschreckend. Ich interessiere und beschäftige mich nicht damit, wie sich Menschen im Netz äußern, davon muss man sich lösen.“
Was war das prägendste Ereignis, das dir innerhalb des Politikgeschäfts widerfahren ist?
„Meine Familie steht an oberster Stelle, das habe ich trotz des hohen Arbeitspensums über all die Jahre hinweg immer versucht aufrechtzuerhalten. Meine Frau und meine Töchter haben oft unter der einseitigen Berichterstattung und unter den Unterstellungen, Herabwürdigungen und Beleidigungen mir gegenüber gelitten. Frau oder Tochter von Klaus Bouillon zu sein brachte längst nicht nur Vorteile, im Gegenteil. Es gab immer wieder Situationen, die ich meiner Familie lieber erspart hätte, aber das ist der Job. Wir haben stets zusammengehalten und das ist das Wichtigste.“
Kommen wir zu einem erfreulicheren Ereignis: Wie war es für dich, als du 2014 zum Innenminister ernannt wurdest?
„Ich habe mich geehrt gefühlt. Da im Saarland eine gesetzliche Altersbeschränkung für Bürgermeister besteht, habe ich mich gefreut mit 66 Jahren noch eine solche Chance zu erhalten und meine Fähigkeiten auf anderer Ebene einsetzen zu dürfen. Es war eine herausragende Möglichkeit und ein toller Lebensabschnitt.“
Sowohl zwischen Mitgliedern gleicher als auch unterschiedlicher Parteien können Diskussionen auch mal hitzig werden. Wie hast du Auseinandersetzungen mit Amtskolleginnen und -kollegen empfunden?
„Ich habe inner- und außerparteiliche Auseinandersetzungen nicht öffentlich ausgetragen. Diskussionen mit Andersdenkenden gehören zum politischen Geschäft, das hat mich nie großartig berührt.“

In Zukunft wirst du mehr Freizeit haben- wie wirst du diese verbringen?
„Auch wenn ich mich nun politisch zurückziehe, werde ich mich trotzdem noch in anderen Bereichen einbringen. Ich bin jemand, der in Bewegung bleiben und agieren muss. Als Mitglied verschiedener (Sport-)Vereine, möchte ich mich künftig dort mehr engagieren und unterstützen. Beruflich stehen mir verschiedene Türen offen, aber erst einmal erhole ich mich von einer Operation und fahre mit meiner Familie in Urlaub. Alles Weitere lasse ich gemütlich auf mich zukommen.“
Klaus, vielen Dank, dass du dir Zeit für uns genommen hast und du so offen über viele interessante Themen deines Lebens gesprochen hast. Wir wünschen dir alles Gute für die Zukunft, vor allem Glück und Gesundheit. Was ist dein persönliches Fazit?
„Das habe ich sehr gerne gemacht.
Ich danke allen Menschen, die immer zu mir gestanden und mich auf allen Wegen meines Lebens begleitet haben, aufrichtig. Ich bin stolz und dankbar, dass ich jahrzehntelang für unser Sankt Wendel und zuletzt auch für unser Saarland einstehen durfte. Es war mir eine Ehre.“