Die saarländische Landesregierung hat nach zwölf Jahren Gemeinschaftsschule eine umfassende Reform angekündigt. Die überarbeitete Gemeinschaftsschulverordnung (GemS-VO) tritt zum Schuljahr 2025/2026 in Kraft und zielt darauf ab, die Gemeinschaftsschulen fit für zukünftige Anforderungen zu machen. Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot betont, dass diese Anpassungen die Lebensrealitäten der Schüler besser abbilden und die pädagogischen Möglichkeiten der Lehrkräfte stärken sollen.
Auch die Arbeitsgemeinschaft der Schulleiter begrüßt die Novellierung und sieht darin große Chancen: „Natürlich enthält die neue Verordnung an vielen Stellen Kompromisse, aber unter dem Strich wird das Profil unserer bewährten und erfolgreichen Schulform durch die neue Verordnung weiter geschärft“, erklärt Marc André Müller, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft. Besonders wichtig sei die Stärkung des Leistungsprinzips und die Sicherung der Qualität, wodurch die Attraktivität der Gemeinschaftsschulen als gleichberechtigte Säule neben dem Gymnasium weiter steige.
Kernpunkte der Reform
Berufliche Orientierung stärken: Schüler erhalten ab Klasse 5 gezielte Einblicke in Berufswelten, ergänzt durch Praktika und Projekte ab Klasse 8. Drei Abschlüsse – Abitur, Hauptschul- und Mittlerer Bildungsabschluss – bleiben möglich. Die Berufsorientierung wird zudem in Lehrpläne integriert und prüfungsrelevant. Die Schulleiter heben hervor, dass die berufliche Orientierung ein Markenkern der Gemeinschaftsschulen sei und als Querschnittsaufgabe aller Fächer noch stärker betont werde.
Nicht-Sitzenbleiben ausgeweitet: Die Regelung des „Aufsteigens bis einschließlich Klasse 9“ ersetzt die bisherige Begrenzung bis Klasse 8. Damit sollen individuelle Förderung und Differenzierung weiterhin ermöglichen, dass Defizite in der nachfolgenden Klassenstufe aufgearbeitet werden können. Ein freiwilliges Wiederholen bleibt möglich.
Digitale Bildung fördern: Informatik wird ab Klasse 7 mit sechs Jahreswochenstunden Pflichtfach. Mit über 100 speziell ausgebildeten Lehrkräften sollen Schüler auf die digitale Transformation vorbereitet werden.
Demokratiebildung ausbauen: Mehr Unterrichtsstunden in Gesellschaftswissenschaften und ein Fokus auf Mitbestimmung sollen die Demokratiekompetenzen der Jugendlichen stärken. Ein Kompendium wird Schulen unterstützen, Demokratiebildung fächerübergreifend zu verankern.
Fremdsprachenkompetenz erweitern: Die Regelung, dass ab Klasse 5 Englisch und Französisch unterrichtet werden, wird von den Schulleiter kritisch betrachtet. Sie befürworten zwar Ausnahmen für Schüler mit nichtdeutscher Muttersprache oder Rückständen im Schriftspracherwerb, sehen aber Vorteile in einem späteren Beginn der zweiten Fremdsprache ab Klasse 7. Das Fremdsprachenkonzept wird besonders in Hinblick auf die Frankreichstrategie hinterfragt.
Flexibilität im Unterricht: Schulen erhalten mehr Freiraum bei der Unterrichtsgestaltung. Insbesondere die Förderung grundlegender Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen wird erleichtert. Die Möglichkeit, standortbezogene Profile zu bilden, wird als bedeutender Fortschritt gelobt, da Schulen so ihre individuellen Stärken und Herausforderungen besser berücksichtigen können.
Profilbildung ermöglichen: Gemeinschaftsschulen können künftig individuelle Schwerpunkte setzen, beispielsweise in Nachhaltigkeit, Kultur oder Sport. Der Wahlpflichtbereich dient als Profilierungsinstrument.
Moderne Prüfungsformate: Die Prüfungen für Hauptschul- und Mittleren Bildungsabschluss werden kompetenz- und prozessorientiert gestaltet. Digitale Formate und landesweite Vergleichsarbeiten sind Teil der neuen Regelungen. Besonders die Modularisierung der Prüfungen wird als Fortschritt gesehen, da sie den Anforderungen der modernen Arbeitswelt besser entspreche und mehr Nachhaltigkeit im Lernen ermögliche, so die Schulleiter.
Die Überarbeitung der Verordnung wurde in einem breiten Beteiligungsprozess entwickelt. Vertreter aus Verbänden, Gewerkschaften, Schülervertretungen und anderen Interessensgruppen arbeiteten eng zusammen. Die Arbeitsgemeinschaft fasst zusammen, dass die Verordnung ein starkes Signal für längeres gemeinsames Lernen und Bildungsgerechtigkeit setze. „An unserer Schulform leisten viele Lehrkräfte eine sehr wertvolle und oftmals unterschätzte Arbeit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die neue GemSVO wird uns helfen, dies in einer unterstützenden Atmosphäre noch besser zu verwirklichen“, erklären die Sprecher abschließend.