„Mein Wasserglas ist immer halb voll“

Frauen im St. Wendeler Land – Martina Weiand über ihre Positivität, den Biss und die Chancen einer starken Frau

In unserer wndn-Serie „Frauen im St. Wendeler Land“ geben Frauen aus dem Landkreis St. Wendel Einblicke in ihr Leben. Ob Single oder Familienmutter, ob Unternehmerin oder Angestellte, wir erfahren, wie sie ihren individuellen Alltag meistern, wie sie mit Herausforderungen umgehen, was ihre Erfahrungen sie gelehrt haben und welche Tipps sie anderen Frauen für bestimmte Situationen und Lebenslagen geben können. Was macht eine starke Frau aus? Unsere Interviewpartnerinnen haben vielfältige und passende Antworten zu dieser Frage. Heute sprechen wir mit Martina Weiand.

Martina Weiand ist 64 Jahre alt, kommt aus Winterbach und ist seit 44 Jahren mit dem dortigen Ortsvorsteher Gerhard Weiand verheiratet. Die gemeinsame Tochter der beiden feiert in diesem Jahr ihren 40. Geburtstag. Seit dem 01. Januar ist Martina Weiand nach 45 Arbeitsjahren bei Globus nun in Rente. Dort war sie zuletzt als Assistentin der Geschäftsleitung angestellt. Mit dem Eintritt in diesen neuen Lebensabschnitt freut sie sich auf eine neue Aufgabe, denn im Oktober 2022 wurde sie neben Dennis Meisberger zur zweiten Beigeordneten des Landkreises St. Wendel gewählt.

Als Assistentin der Geschäftsleitung bei Globus haben Sie in einem von Männern dominierten Umfeld gearbeitet. Würde Ihrer Meinung nach an die Stelle der Geschäftsleitung auch mal eine Frau gehören und  warum sollte es generell mehr Frauen in Führungspositionen geben?

Bei Globus gibt es durchaus viele Frauen in Führungspositionen in den verschiedenen Ebenen. Dass Frauen heute in Führungsebenen verschiedener Unternehmen noch unterrepräsentiert sind, ist eine Situation, die in Zukunft noch verändert werden muss. Denn Frauen haben Fähigkeiten, die bei Männern eher nicht so sehr im Vordergrund stehen. Ich denke dabei vor allem an die emotionale Ebene, die für das Betriebsklima und somit auch für die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens von großer Bedeutung ist, wobei auch  Zielstrebigkeit und Durchsetzungsvermögen der Frauen Unternehmen voranbringen können. Frauen sind Organisationstalente! Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, also die Fähigkeit, Beruf und familiäre Verpflichtungen zu organisieren und zu händeln, liegt überwiegend noch in Frauenhand. Hier muss ein Umdenken in der Gesellschaft erfolgen.

Welche Herausforderungen haben insbesondere Frauen zu meistern?

Bei Frauen ist es immer noch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auch wenn die Männer offener geworden sind für dieses Thema. Aus dem Freundeskreis kenne ich ganz viele Männer, die jetzt auch Elternzeit nehmen, aber das große Ganze bleibt doch oft an den Frauen hängen. Frauen wollen oft zu perfekt sein, wobei die eigenen Fähigkeiten unterschätzt werden. So war das bei mir auch. Hätte beispielsweise einer meiner Geschäftsleiter nicht die Herausforderung an mich gestellt, die Trainer-Ausbildung zu absolvieren und Mitarbeiter-Workshops zu halten, hätte ich mir dies alleine nicht zugetraut und nicht gewusst, dass diese Seminare und Schulungen mit den Mitarbeitern mir so viel Spaß machen würde. Wenn ich damals jünger gewesen wäre, wäre dies sogar, wenn ich ehrlich bin, vielleicht ein neuer Berufszweig – Trainerarbeit und Motivationsseminare – für mich gewesen.

Sie haben bereits angedeutet, dass Frauen ihre eigenen Fähigkeiten oft unterschätzen. Was würden Sie sagen, womit stehen sich Frauen selbst im Weg?

Oft wollen Frauen keine Hilfe annehmen. Auch der Perfektionismus war bei mir eine Hürde. Andererseits neigen Frauen zum „Helfersyndrom“. Das sind so verschiedene Punkte, in denen sich Frauen doch immer wieder im Wege stehen. Als älteste Tochter einer großen Familie neige ich auch zur Gutmütigkeit und dazu schneller nachzugeben, wobei man auch mal nein sagen können muss. In dieser Hinsicht muss man lernen die Balance zu halten.

Welche sind Ihre Erfolgsgeheimnisse beruflich wie auch privat?

Vom Grunde her bin ich ein sehr positiv eingestellter Mensch: Mein Wasserglas ist immer halb voll. Mein erster Geschäftsleiter bei Globus  hat es mir damals ermöglicht ein Dale Carengi – Seminar zu besuchen (Sorge Dich nicht, lebe). Dort habe ich andere Sichtweisen erlernt, wie beispielsweise Leben in zeitdichten Schotten – wenn eine Situation eingetroffen ist, eine gute Lösung zu suchen und sich nicht im Vorfeld verrückt zu machen. Ich bin auch ein religiöser Mensch und wirklich dankbar für viele Dinge in meinem Leben. Meine Familie, einen schönen Freundeskreis. Auf der anderen Seite habe ich, wie eben schon erwähnt, die Chance ergriffen Mitarbeiter- und Kundenseminare zu halten und bin immer darum bemüht mich weiterzuentwickeln. Ich bin ein hilfsbereiter Mensch und meine Kolleginnen haben immer meine positive Ausstrahlung und Empathie gelobt, die mich im Leben weiterbringt.

Was macht für Sie eine starke Frau aus?

Als starke Frau sollte man offen und ehrlich sein, aber auch Hilfe annehmen und aus Fehlern lernen können, was mich persönlich sehr geprägt hat. Eben nicht gleich zu resignieren und Biss zu zeigen – darin liegt die Stärke. Dieses Lebensmotto habe ich auch immer an die Auszubildenden weitergegeben.

Sie sind seit 44 Jahren verheiratet. Wie lautet Ihre Meinung zur Gleichberechtigung in der Partnerschaft?

Als wir Ende der 70er Jahre heiraten gingen, war das Rollenbild noch etwas anders. Bis 1978 durfte der Mann seiner Frau das Arbeiten noch verbieten. Das war bei uns natürlich kein Thema, aber als wir dann unsere Tochter bekamen war klar, dass ich zuhause bleibe. Dann bin ich wieder in den Beruf eingestiegen bin, war es schon so, je mehr ich mich weiterbildete und später auch Vollzeit gearbeitet habe, desto mehr kam es zu „Diskussionen“, wenn das Essen noch nicht fertig war und er direkt zu einem Anschlusstermin musste. Da kam es schon zu „Reibereien“, wo das alte Rollenbild noch mitgespielt hat. Aber das hat sich im Laufe der Zeit geändert. Partnerschaftlich haben wir ein sehr gutes Miteinander, wir helfen und unterstützen uns gegenseitig. Ich habe immer hinter meinem Mann in seiner Rolle als Ortsvorsteher gestanden. Man kennt ja den Spruch: „Hinter jedem starken Mann, steht auch eine starke Frau“ und ich denke, wenn wir uns nicht gegenseitig unterstützt hätten, wären wir beide nicht dort, wo wir heute stehen. Je länger man verheiratet ist, desto mehr wird man zum eingespielten Team. Seitdem ich Beigeordnete bin, bin ich viel zu Gratulationen unterwegs, was mein Mann auch unterstützt.

Wie haben Sie Familie und Job vereint?

Globus ist mir hier sehr entgegengekommen. Als unsere Tochter mich noch mehr brauchte, konnte ich in Teilzeit arbeiten und später in Vollzeit – das war kein Problem. Außerdem konnte ich Familie und Beruf gut vereinbaren, weil mir meine Arbeit Spaß machte und ich Herausforderungen angenommen habe. In den 80er Jahren waren die Möglichkeiten zudem anders: Unser Kindergarten war von 08:00 – 12:00 Uhr und von 14:00 – 16:00 Uhr geöffnet. Betreuung gab es noch keine. Meine Eltern wohnten zu weit weg und so blieb mir nichts anderes übrig, als zu Hause zu bleiben. Es war eine wunderschöne Zeit, die mir niemand mehr nimmt. Ich habe in dieser Zeit Kinderturnen und Kommunionunterricht abgehalten.

Warum ist es richtig und wichtig, dass es nun nach Jahrzehnten mit Ihnen eine Frau als Beigeordnete im Landkreis St. Wendel gibt?

Ich bin jetzt seit 2004 Kreistagsmitglied und bringe dort Themen aus Sicht der Frau als Vorstandsmitglied der Frauenunion ein. Hierbei kann ich als Frau mit meiner Perspektive auf beispielsweise Familienfreundlichkeit der Entscheidungen Einfluss nehmen. Ich bin stolz, dass nun auch eine Frau Beigeordnete geworden ist, die mit Empathie punkten kann. Bei meinen Gratulationsbesuchen habe ich bisher nur positives Feedback erhalten und es ist nun auch eine Selbstverständlichkeit, dass auch eine Frau den Landrat vertreten kann. Diese Aufgabe kann ich nun übernehmen, da ich in Rente bin. Es ist ein sehr zeitintensives Amt, welches die Frauen im Kreistag aufgrund ihrer Berufstätigkeit nicht übernehmen konnten, da viele Termine am Vormittag wahrgenommen werden müssen. Unser Landrat Udo Recktenwald ist nun stolz, dass eine Frau seine Stellvertreterin geworden ist. Für mich ist die Zeit nun gekommen – 45 Jahre Berufstätigkeit sind zu Ende – ein neuer Lebensabschnitt hat begonnen, in dem ich mich voll im Ehrenamt engagiere – ob im Kreistag oder im Vorstand von Vereinen. Es ist wichtig, dass Frauen dort vertreten sind, kämpfen, ihren Biss zeigen, aber auch Themen mit ihrer Empathie lenken, in denen Männer möglicherweise eine andere Sicht- oder Herangehensweise hätten.

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