Winterbacher pilgerten nach Klausen

Foto: Gerhard Weiand

Gemäß alter Tradition machen sich die Einwohner von Winterbach jedes Jahr auf den Weg zum Wallfahrtsort Eberhards-Klausen an der Mosel. Auch in diesem Jahr wurde das Gelübde der Vorfahren zum 165. Mal erfüllt. Im Jahr 1858 wurde das damals vorwiegend von Landwirtschaft und Viehzucht geprägte Dorf von der Rinderpest heimgesucht, und die Bauern gerieten in große Not. In feierlichem Gelöbnis versprachen sie, ab sofort jedes Jahr an Christi Himmelfahrt zum Wallfahrtsort an der Mosel zu pilgern, wenn das Dorf von weiteren Seuchen verschont bleiben würde. Und so geschah es, und seit 1859 machen sich die dankbaren Bewohner in großer Zahl auf den Weg nach Klausen, um ihren Dank zu erweisen. Und bis heute hat das Gelübde nicht unterbrochen, auch nicht im Jahr 1944, als nur ein einziger Winterbacher nach Klausen pilgerte.

Wenn sich am Vormittag des Feiertags Christi Himmelfahrt die Pilger wie in diesem Jahr wieder versammeln, liegt erneut ein zweitägiger Fußmarsch von 76 Kilometern vor ihnen. Nach dem pastoralen Segen von Dekan Klaus Leist in der Pfarrkirche machten sich die große Gruppe von Männern, Frauen und Jugendlichen auf den Weg, um ihr Gelübde zu erfüllen. In diesem Jahr zählte die Pilgerschar etwa 70 Personen. Mittlerweile nehmen auch Teilnehmer aus den umliegenden Dörfern teil. Viele sind seit Jahrzehnten regelmäßig dabei, wie Achim Rauber, der in diesem Jahr zum 50. Mal die Strecke absolvierte. Erfreulicherweise fühlen sich auch immer mehr junge Menschen ermutigt, an der Wallfahrt teilzunehmen. Der jüngste Teilnehmer der diesjährigen Wallfahrt war der vierzehnjährige Ben Riefer, der die Strecke mit Bravour bewältigte. Aus den Händen des heute 86-jährigen Alois Görgen erhielt das derzeitige Leitungsteam mit Walter Scheid und Martina Weiand den Pilgerstab, mit dem Auftrag, das Brauchtum weiter zu pflegen. Görgen zog mehr als 50 Mal zusammen mit den Pilgern des Ortes in die Wallfahrtskirche in Eberhards-Klausen ein. 37 Jahre lang führte er selbst die Pilgerschar an, was aufgrund seines Alters nun leider nicht mehr möglich ist. Walter Scheid ist mittlerweile zum Cheforganisator der Wallfahrt geworden und wird in wenigen Monaten seinen 70. Geburtstag feiern. „Ob man nun mit Kameraden zusammen ist oder mit Personen, die man nur während der Wallfahrt sieht, es herrscht unter den Teilnehmern eine großartige Kameradschaft“, betont Scheid, der selbst seit über 50 Jahren dabei ist. Offensichtlich wurde ihm die Tradition der Wallfahrt bereits in die Wiege gelegt, da sein Vater viele Jahrzehnte lang regelmäßig teilnahm. Für Scheid ist die Wallfahrt ein Ereignis, das er nicht missen möchte und auf das er sich immer wieder von Neuem freut. „Schon mehrere Wochen vorher beginnen die Vorbereitungen für den Pilgermarsch“, erklärt Scheid. „Es müssen Übernachtungsmöglichkeiten gesucht werden, möglicherweise werden neue Wegstrecken ausprobiert, Absprachen mit dem Begleitfahrzeug müssen getroffen werden, die Verpflegung während der Strecke muss organisiert und Messen vorbestellt werden. Eine besondere Bedeutung kommt der Votivkerze zu, die angefordert wird und in der Wallfahrtskirche aufgestellt wird. Diese Kerze brennt das ganze Jahr über an Sonn- und Feiertagen zu Ehren der Mutter Gottes von Klausen und für die Anliegen der Winterbacher Pfarrei“, so Scheid. „Bei einer Wallfahrt geht es nicht nur um das Beten. Wenn man den ganzen Tag gemeinsam in der Natur unterwegs ist, ergeben sich immer wieder Gelegenheiten zum Gespräch. Es gilt auch, körperliche Strapazen zu meistern. Man nimmt Rücksicht aufeinander, hilft sich gegenseitig, die Strapazen zu lindern, und geht gemeinsam diese fast 80 Kilometer lange Strecke. Singen, Beten und persönliche Gespräche helfen den Pilgern, über manche Schwierigkeiten hinwegzukommen“, betont der Pilger. Die Strecke ist bis auf einige Veränderungen im Verkehrsweg gleich geblieben. Der erste Abschnitt führt durch den Winterbacher Wald in Richtung Tholey-Theley. Von Theley geht es weiter in Richtung Primstal, Nonnweiler und Hermeskeil. Am nächsten Tag führt der Weg in Richtung Bescheid, dann nach Trittenheim, vorbei an der Mosel und durch die Weinberge nach Klausen. Das Geläut der Glocken der Wallfahrtskirche kündigt das Erreichen des Ziels an. Nach der Begrüßung durch den ortsansässigen Pfarrer und dem Pilgersegen steht Erholung und gemütliches Beisammensein an. Es scheint, dass die Klausen-Wallfahrt ansteckend ist: Einmal erlebt, „muss“ man immer wieder mitgehen, berichtet eine Teilnehmerin, die normalerweise in Wien, der Hauptstadt Österreichs, lebt. „Selbst das schlechteste Wetter hält uns nicht von der Teilnahme an der Wallfahrt ab. Die Freude, es geschafft zu haben und in Klausen anzukommen, ist ein besonderes Erlebnis“, betont die Wienerin.

Klausen – der Wallfahrtsort: Die Wallfahrtskirche Klausen blickt auf eine über 500-jährige Geschichte zurück. Alles begann mit dem Wirken von Eberhard, einem Verehrer der Heiligen Maria. Eberhard stammte aus der Nähe des heutigen Ortes und war Winzer, Bauer und Tagelöhner. Um das Jahr 1440 errichtete er an der Stelle der heutigen Wallfahrtskirche eine Figur der schmerzhaften Muttergottes, die er so oft wie möglich besuchte. Neben dem Bildstock baute er ein kleines Haus und bat die Pfarrer der umliegenden Orte um Unterstützung. Im Jahr 1442 war das kleine Haus (clausa) fertiggestellt. Eberhard besorgte auch eine Glocke und einen eisernen Leuchter. Das Marienbild wurde in ein Fenster gestellt. Bald darauf kamen die ersten Besucher und Pilger, die Opfergaben vor dem Marienbild niederlegten. Um Diebstählen der Opfergaben vorzubeugen, baute Eberhard neben dem Häuschen eine Hütte und lebte dort als Einsiedler. Mit der Zeit erlangte der Ort durch Berichte über erhörte Gebete und Wunder größere Bekanntheit. Das kleine Häuschen wurde 1444 durch eine größere Kapelle ersetzt. Die heutige Wallfahrtskirche wurde im Jahr 1502 eingeweiht. Die Wallfahrtszeit beginnt jedes Jahr Anfang Mai und endet im Oktober. Jährlich besuchen über 100.000 Pilger Klausen. Pilgergruppen aus über 700 Pfarreien kommen zu Fuß, mit Bussen und Autos nach Klausen, um zu beten, zu meditieren oder ihr Herz zu erleichtern. Klausen ist mittlerweile der wohl bekannteste Wallfahrtsort in Rheinland-Pfalz. Besonders bei unverheirateten Frauen ist Klausen sehr beliebt, da man sagt, dass eine Wallfahrt nach Klausen dabei hilft, den „Mann fürs Leben“ zu finden.

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