Am heutigen Welthebammentag blicken wir auf einen der bedeutendsten Berufe im Gesundheitswesen: die Hebamme. Ein Beruf, der in seiner Bedeutung kaum hoch genug eingeschätzt werden kann, doch gleichzeitig von denjenigen, die ihn ausüben, tagtäglich Opfer von zu wenig Anerkennung, unzureichender Unterstützung und gravierenden Arbeitsbelastungen wird.
Hebammen sind mehr als nur Geburtshelferinnen – sie sind Begleiterinnen, Beraterinnen und wichtige Bezugspersonen in den entscheidendsten Momenten im Leben von Frauen und Familien. Sie helfen, Leben auf die Welt zu bringen, bieten Unterstützung in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett und sind oft die ersten Ansprechpartnerinnen bei Fragen und Sorgen. Die Arbeit von Hebammen ist anspruchsvoll und emotional, denn jede Geburt ist einzigartig und jede Entscheidung trägt enormes Gewicht.
Doch trotz ihrer unverzichtbaren Rolle sehen sich Hebammen immer häufiger mit enormen Herausforderungen konfrontiert, die ihre Arbeit nicht nur erschweren, sondern auch das gesamte System der Geburtshilfe gefährden. Es gibt gewichtige Gründe, warum Hebammen heute mehr denn je Unterstützung und Anerkennung benötigen – und warum der Beruf in vielen Bereichen auf der Kippe steht.
Hohes Arbeitspensum bei unzureichendem Verdienst
Die Arbeitsbelastung für Hebammen ist enorm. Sie arbeiten oft bis an die Grenzen ihrer körperlichen und emotionalen Kräfte. Sie leisten unzählige Stunden, um Schwangere, Gebärende und Wöchnerinnen zu betreuen. Beleghebammen müssen meist mehrere Gebärende gleichzeitig betreuen. Das ist nicht nur für sie eine enorme Belastung. Auch für die Frauen bringt das Nachteile. Sie fühlen sich alleingelassen, vernachlässigt und bekommen nicht die Unterstützung, die sie sich wünschen – auch, wenn die Hebamme alles dafür tut, den Ansprüchen gerecht zu werden. Außerdem steht der Verdienst für diese Arbeit in keinem Verhältnis zur Verantwortung, die sie tragen. Hebammen sind für das Leben von Mutter und Kind verantwortlich, und trotz dieser enormen Verantwortung, sehen sich viele Hebammen mit einem Einkommen konfrontiert, das nicht den Anforderungen einer fairen Entlohnung entspricht. Erst letzten Monat hat die Schiedsstelle auf Bundesebene entschieden, dass Beleghebammen künftig finanziell noch schlechter gestellt werden als bisher.
Gleichzeitig setzt der Hebammenverband sich dafür ein, dass sich die Qualität der Geburtshilfe für die Frauen verbessert. Mit einer Petition richtet sich er sich an die Politik und fordert eine 1:1-Betreuungsgarantie durch Hebammen für jede Frau unter der Geburt. Noch zwei Tage lang werden Unterschriften gesammelt.
Konkurrenz von Ärzten und Krankenhausstrukturen
Ein weiteres Problem für Hebammen ist die zunehmende Konkurrenz mit Ärzten und die medizinische Dominanz in der Geburtshilfe. In vielen Kliniken wird die Geburtshilfe zunehmend ärztlich dominiert, was zu einer Entwertung der Arbeit von Hebammen führt. Dabei steht ihre Expertise im Bereich der natürlichen Geburt und der individuellen Betreuung der Schwangeren im Gegensatz zu den oftmals routinierten und standardisierten Vorgehensweisen der medizinischen Seite. Der Trend, Schwangerschaft und Geburt zunehmend als medizinische Eingriffe zu betrachten, führt nicht nur zu einem Verlust an Autonomie für die Hebammen, sondern auch zu einem immer schlechteren Arbeitsumfeld und leider oftmals zu traumatischen Ereignissen für die Gebärenden. Auf dieses Thema mach der Aktionstag “Roses Revolution Day”, der am 25. November begangen wird, aufmerksam. Gewalt im Kreißsaal, gegen die sich Hebammen entschieden einsetzen. Die Gesichter der Gewalt während der Geburt sind vielseitig, etwa Interventionen ohne Rücksprache mit den werdenden Eltern, erzwungene Rückenlage, grobe vaginale Untersuchungen, Nähen ohne Betäubung, und unzählige mehr (akute Notfälle ausgenommen). Hebammen setzen sich für die physiologische Geburt ein. Also eine natürliche Geburt möglichst ohne Interventionen und Traumatisierung der Gebärenden.
Mangelnde Anerkennung und Unterstützung durch das Gesundheitssystem
Das System selbst trägt ebenfalls zu den Schwierigkeiten bei. Die politischen Rahmenbedingungen und das Gesundheitswesen stellen Hebammen vor zahlreiche Hürden. Die Anerkennung ihres Berufs, ihre Absicherung bei Unfällen oder Komplikationen und die unzureichende staatliche Unterstützung sind Themen, die seit Jahren diskutiert werden – ohne spürbare Verbesserung. Der Fachkräftemangel ist ein weiteres drängendes Thema: Die Zahl der Hebammen, die in Kliniken oder als freiberufliche Hebammen arbeiten, sinkt stetig, während die Zahl der Geburten gleichzeitig steigt.
Was fordert der Hebammenverband?
Der Hebammenverband fordert konkrete Verbesserungen in verschiedenen Bereichen:
- Faire Entlohnung und Arbeitsbedingungen: Eine angemessene Bezahlung für die verantwortungsvolle Arbeit der Hebammen. Dies umfasst eine höhere Vergütung für freiberufliche Hebammen sowie eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Kliniken.
- Stärkung der Hebammen in der Geburtshilfe: Mehr Hebammen in den Kliniken und mehr Unterstützung für freiberufliche Hebammen, insbesondere durch den Ausbau von Hebammenpraxen und verbesserte staatliche Förderungen.
- Gesetzliche Rahmenbedingungen verbessern: Der Verband fordert eine Reform der rechtlichen Rahmenbedingungen, die den Beruf der Hebamme schützt und gleichzeitig die Qualität der Betreuung und Versorgung gewährleistet.
- Bessere Anerkennung und Sichtbarkeit: Die wichtige Arbeit der Hebammen muss mehr Wertschätzung erfahren, sowohl in der Gesellschaft als auch im Gesundheitssystem.
Eine Lösung: Veränderte politische Rahmenbedingungen und mehr Kooperation
Die Lösung für diese drängenden Probleme liegt in einer engeren Zusammenarbeit zwischen Politik, Gesundheitswesen und den Hebammenverbänden. Es braucht eine nachhaltige Reform der Geburtshilfe, bei der Hebammen als Experten in ihrem Bereich anerkannt und als gleichwertige Partner im Team eingebunden werden. Darüber hinaus sind finanzielle Anreize und Maßnahmen erforderlich, um den Beruf für junge Menschen attraktiv zu machen und den Fachkräftemangel zu bekämpfen.
In vielen Ländern, u.a. den Niederlanden, Schweden, Neuseeland, Großbritannien, gibt es bereits Beispiele, wie Hebammen als zentrale Akteurinnen im Gesundheitssystem eingebunden sind und ihre Arbeit mehr Anerkennung erfährt. Diese Modelle sollten auch in Deutschland und anderen Ländern übernommen werden.