Nina über ihre Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Ausländern im St. Wendeler Land

nina-lhosteSeit dem 07.04.2014 engagiert sich die Stiftung Hospital in St. Wendel auch auf dem Betätigungsfeld der Flüchtlingshilfe. Seit jeher werden unbegleitete minderjährige Ausländer (umA) aufgenommen, versorgt und betreut. Die 23 jährige Nina arbeitete über ein Jahr in der Wohngruppe für jugendliche Flüchtlinge in St. Wendel und berichtet von ihren Erfahrungen in Bezug auf Sprachbarrieren, Integration und persönliche Erkenntnisse.

Im Rahmen ihrer Ausbildung zur Erzieherin begann Nina im August 2015 ihr Anerkennungsjahr in der Wohngruppe. Sie erzählt, dass sie anfänglich von Nervosität und Unsicherheit begleitet wurde, weil sie nicht wusste, was genau auf sie zukommen würde. Die dort beherbergten umA waren zwischen 14 und 17 Jahren alt – also kein großer Altersunterschied zwischen ihr und ihren Schützlingen. Nichts desto trotz machte sie schnell positive Erfahrungen.

Wie kann man sich die Arbeit vorstellen und wie geht man am besten mit den Sprachbarrieren um?

Vorurteile vor allem in Bezug auf mangelnden Respekt gegenüber Frauen räumt sie schnell aus dem Weg. Wenn auch viel in den Medien darüber zu hören war, die Jungen nahmen sie auf und respektierten sie voll und ganz. Wenn es mal zu einer Auseinandersetzung zwischen ihr und einem Jugendlichen kam, handelte es sich nie um Differenzen in Kultur- und Religionsfragen, sondern einfach um alltägliche Dinge, die Jugendliche in der Pubertät beschäftigen. Im Großen und Ganzen beschreibt sie die Jungs als sehr umgänglich, nett und hilfsbereit.

Ninas Arbeit bestand darin, den Jugendlichen im täglichen Ablauf unter die Arme zu greifen, Hilfestellung bei Schulaufgaben, gemeinsames Kochen und Backen und Begleitung zu wichtigen Terminen. Sie betreute die Jungs, wie auch andere Jugendliche in anderen Wohngruppen betreut werden, nur mit dem Unterschied, dass sie Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede berücksichtigen musste.

In Sachen Kommunikation gab es zwar Schwierigkeiten, aber keine unüberbrückbaren. Nina sagt, dass sie mit manchen ein wenig auf Englisch reden konnte, mit anderen wiederum versuchte sie sich mit Hand und Fuß oder mit Bildern zu verständigen. Ehemalige Bewohner der Wohngruppe, die schon etwas länger in Deutschland lebten, waren auch beim Dolmetschen behilflich und kamen sogar zu wichtigen Terminen wie Arztbesuchen mit, um beim Übersetzen auszuhelfen. Problematisch wurde es, wenn jemand nicht so schnell mit dem Lernen voran kam wie andere, wenn es ihm schwerfiel, sich auf Deutsch so auszudrücken, wie er es in seiner Muttersprache vermochte. Dann wirkten einige schon mal verzweifelt und frustriert. „Man muss aber auch berücksichtigen, dass diese Jungs viele traumatische Erlebnisse zu verarbeiten hatten, demnach war es ganz verständlich, dass der eine oder andere nicht genügend Konzentration zum Lernen von Fremdsprachen aufbringen konnte“, erzählt sie. Rückblickend kann sie aber von allen stolz behaupten, dass sie sehr große Fortschritte gemacht haben. Vor allem, wenn Neuankömmlinge in die Wohngruppe zogen, mit denen sie auf sprachlicher Ebene wieder am Anfang stand, bemerkte sie, wie weit die anderen mit ihren Sprachkenntnissen schon gekommen sind.

Wie hast du die Integration der Jugendlichen in unseren Alltag wahrgenommen?

Nina ist begeistert von den Inklusionsmaßnahmen einiger Schulen wie der Gemeinschaftsschule Türkismühle oder der Dr. Walter Bruch Schule St. Wendel. Dort konnte sie beobachten, wie die Jugendlichen an extra Deutschkursen teilnehmen konnten oder die spezielle Klassen, in denen größtenteils Flüchtlingsjugendliche befindlich waren, damit mit ihnen ein anderer Unterricht gemacht werden konnte. Nina geht darauf ein, dass diese Klassen von außen betrachtet so wirken, als würde man sie nicht vollständig in das Schulsystem eingliedern wollen, erklärt jedoch, dass es darum geht, dass viele dieser Jugendlichen nicht auf dem Bildungsstand sind, wie Jugendliche ihres Alters hierzulande. Dementsprechend macht es Sinn, dass man sich intensiver mit ihnen beschäftigt und ihnen verschiedene Grundlagen beibringt, bevor sie sich in eine Klasse gesellen und mit dem dort gelehrten Schulstoff nicht mitkommen oder ihn nicht verstehen.

Auch außerhalb der Schule konnte Nina positive Beobachtungen machen. „Man muss sich vorstellen, man kommt in ein fremdes Land in eine fremde Einrichtung mit anderen fremden Menschen, die allesamt verschiedene Sprachen sprechen. Da könnte man meinen, dass es einem schwerfällt, sich einzuleben, aber die meisten Jungs haben es schnell geschafft, Anschluss zu finden.“ Sie erklärt auch, dass die Jugendlichen, die schon länger da waren, versucht haben, die Neuen immer ein wenig mitzuziehen, was auch gut geklappt hat. Darüber hinaus war es auch die Arbeit der Erzieher und Betreuer, die Integration zu fördern und zu unterstützen. Nina beschreibt das als eine sehr angenehme Aufgabe, da sie mit allen gut ausgekommen ist. „Wenn der Begriff Wohngruppe fällt, assoziiert man das hier oft mit schwererziehbaren Kindern, bei diesen Jugendlichen handelt es sich aber größtenteils um sehr gut erzogene Jungs, die aus bekanntlich sehr dramatischen Gründen zu uns gekommen sind.“ Sie betont auch, dass es sehr ordentliche junge Menschen sind, die nicht zu „anständigem Verhalten“ erzogen werden müssen, sondern die man einfach an die Hand nehmen und ihnen zeigen muss, wie unsere Kultur aussieht, wie man hier lebt und wie man wichtige Aufgaben wie Behördengänge selbständig meistert. „Grob gesagt werden sie dabei unterstützt, hier Schritt für Schritt ein selbständiges Leben führen zu können.“

Was würdest du dir von anderen wünschen, um die Integration zu unterstützen?

Nina betont, dass sie sich von vielen Menschen wünscht, dass sie die neuen Mitbürger nicht voreilig verurteilen. „Wir leben in einer modernen, multikulturellen Gesellschaft, was auch schön ist. Wir profitieren voneinander indem wir voneinander lernen können. Wir können einander helfen und offener aufeinander zugehen, um die Integration zu fördern.“ Ihr wurde aus erster Hand berichtet, was einige Flüchtlinge auf ihrem Weg in ein sicheres Land durchleben mussten. Schmerz, Leid, Angst, Verlust von Familienmitgliedern, diese Menschen haben mehr durchgemacht, als man sich vorstellen kann, daher ist es umso wichtiger, sich ihnen gegenüber nicht zurückweisend oder verschlossen zu verhalten. Nina bringt es mit einem Satz auf den Punkt: „Man kann einfach mal aufeinander zugehen und Interesse zeigen, wir sind alle Menschen und wir haben alle den gleichen Respekt verdient.“

Welchen Einfluss hatte diese Arbeit auf die eigene Persönlichkeit?

„Ich begann mit der Zeit, gewisse Dinge bewusster wahrzunehmen und in Gesprächen auch zu versuchen, anderen  andere Perspektiven zu vermitteln.“ Durch ihre Arbeit hat sie gelernt, die Jugendlichen, die so viel Negatives erfahren haben, zu loben, wenn sie etwas gut gemacht haben oder sie wissen zu lassen, wenn sie stolz auf sie war. Dadurch konnte sie sie beispielsweise in ihren Lernphasen bestärken, immer weiterzumachen oder ihnen eine positive Einstellung auf das neue Leben vermitteln. Sie erklärt, dass ihr mit der Zeit bewusst wurde, dass sie genau dieses Verhalten auch in ihr persönliches Leben mit einbringen kann. „Wir sagen viel zu oft, was uns aneinander stört, dabei kann es so viel in einem Menschen auslösen und ihm sogar Mut machen, wenn man einfach mal ausspricht, was man an ihm mag.“ Mit dieser Einstellung führt sie nicht nur selbst ein erfüllteres und harmonischeres Leben, sondern macht auch andere Menschen ein bisschen glücklicher.

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