Ich stehe in einer Sandgrube, meine blutigen Beine zittern. Wie besessen zerre ich an einem Seil und ein junger Mann macht mir durch unverständliches Gebrülle klar, dass ich noch mehr Kraft aufwenden muss. Die Hände schmerzen und ich frage mich, wieso ich das alles mitmache. Klingt nach militärischer Grundausbildung oder einem Abnehmcamp auf dem Balkan, ist aber der Bohnentalfünfkampf in Überroth. Die hier bewusst anschaulich beschriebene Disziplin ist das allseits beliebte Tauziehen.
Der Fünfkampf im Bohnental ist das ultimative Dorfturnier. Seit 39 Jahren versetzt der SV Überroth in der Woche um Fronleichnam die komplette Umgebung in generationenübergreifende Ekstase. Für die Bohnentaler und viele Fünfkämpfer aus den anliegenden Dörfern ist die Veranstaltung ein absoluter Pflichttermin – wie eine achttägige Kappensitzung im Frühsommer, für die man Arme, Beine und Leber gerne so richtig hart rannimmt.
Die (un)geschriebenen Gesetze des Bohnentalfünfkampfs
In diesem Jahr rangelten 16 Herren- und 11 Damen-Teams um die BFK-Krone. Je zwei Mannschaften treten in fünf Disziplinen gegeneinander an, die von den Teilnehmern die verschiedensten Fähigkeiten fordern. Neben dem Klassiker Fußball steht Tauziehen, Korbballwerfen, Torwandschießen und Dosenwerfen auf der Agenda. Durch die Vielseitigkeit der Disziplinen sollte man sich ein Team mit möglichst ungleichen – oder universell einsetzbaren – Kämpfertypen zusammenstellen. Die dünnen Saarlandligaspieler, die auf dem kleinen Braschenplatz den Unterschied machen können, helfen beim Tauziehen herzlich wenig. Auch an der Torwand haben in der gefühlten Regel die untalentiertesten Kicker den meisten Erfolg und wer den Korb bzw. die Dosen trifft, kann normalerweise nicht prognostiziert werden. Das Dosenwerfen wird übrigens mit unförmigen Stoffsäckchen durchgeführt, die ihren Dienst ganz ohne Zweifel bereits seit 1978 verrichten. Dass die Wurfgeschosse das Treffen nicht gerade erleichtern, freut auch den SVÜ-Kassenwart: Wer bei allen drei Versuchen daneben lag, muss dem Team eine Kiste Bier spendieren – diese würdevolle Tradition hält wohl jede Mannschaft aufrecht.
Vor allem in den letzten Jahren hat sich eine besondere Fünfkampfkultur etabliert. Die Außendarstellung vieler Teams ist aufwendig, teilweise professionell. Eigens angefertigte Logos prangen auf den Trikots der Premium-Sportmarken, Pullover oder Trainingsanzüge gehören fast zum guten Merchandising-Ton. Weitere beliebte Features sind Fahnen, Bollerwagen, Pyrotechnik und Ponys.
Paradiesische Verhältnisse im Bohnental
Um das alles greifen zu können, muss man den Bohnentalfünfkampf als Teilnehmer erlebt haben, was jedem anzuraten ist, der kein Problem mit Alkohol hat und nicht in der Ernährungsberatung tätig ist. In der Fünfkampfwoche sorgt die SVÜ-Kochkunstabteilung für kulinarische Abwechslung und kredenzt von Currywurst über Pommes und Schnitzelweck alles, was das Kämpferherz begehrt. Sonntags gibt es Kuchen. Das Bier fließt dorfturniertypisch in rauen Mengen und wird nicht selten als Wettkampfstättendünger genutzt.
Während des Fünfkampfs kommen in Überroth alle Faktoren zusammen, die man braucht, um eine gute Zeit zu haben. In der Sandgrube ist einfach kein Platz für Alltagssorgen.