Es ist eine Szene, wie viele sie kennen. Man sitzt im Bürgeramt, weil man ein Anliegen hat und wartet darauf, in eines der vielen Büros gerufen zu werden. Solch ein Anliegen hat an diesem Morgen auch Martin T. Während er so da sitzt in dem riesigen Flur und nichts Besseres zu tun hat, als im Wechsel auf sein Wartemärkchen zu blicken und dem Sekundenzeiger bei seiner Reise zuzuschauen, vernimmt er den muffigen Geruch des alten Bürogebäudes. Ein Hauch von Kaffee vermischt sich mit dem alten, kalten Qualm von Zigaretten, der vor Jahren noch frisch war.
Martin ist heute morgen mit einem ganz besonderen Wunsch zum Bürgeramt gegangen. Er möchte seinen Namen ändern lassen, aber nicht etwa weil er geheiratet hat seinen Nachnamen. Martin hat beschlossen, seinen Vornamen zu ändern. Aus verschiedenen Gründen möchte er fortan anders heißen. Hierfür benötigt man triftige Gründe. Das weiß Martin, er hat sich bereits informiert.
Endlich leuchtet die Nummer 1111 auf der großen Anzeige über ihm auf. Fest entschlossen, seinen Namen zu ändern, betritt er das Büro des Beamten Mayer. Martin hat ein gutes Gefühl, denn er wird in Kürze dieses Büro mit einem anderen Vornamen verlassen. Selbstbewusst und mit erhobenem Kopf setzt er sich auf den Stuhl, den Beamter Mayer ihm anbietet.
Mayer tippt noch zwei Sätze in den PC, packt die Unterlagen die vor ihm liegen ordentlich auf einen Stapel und nimmt sich Kugelschreiber und ein Blatt zum schreiben:
„So, womit kann ich Ihnen dann behilflich sinn ?“
Martin erklärt sein Anliegen, er möchte seinen Vornamen ändern. Er habe keine Lust mehr auf „Martin“, schließlich habe er sich diesen Namen ja nicht ausgesucht und könne sich mit diesem nicht mehr identifizieren. Das würde ihn zunehmend in eine schwere Sinnkrise katapultieren. Traditionell gäbe an seinem Namenstag immer ein großes Feuer, mit Laternen würden die Leute durch die Straßen ziehen, sogar Lieder würden sie singen, in denen sein Name vorkomme. Angeblich würden jetzt einige nur noch Sonne- Mond und Sternefest oder Lichterfest feiern. Deswegen habe er sich überlegt, einfach seinen Namen zu ändern.
Beamter Mayer lehnt sich zurück, seine Stirn wirft Falten. Mayer sagt erst mal nichts. Solch einen Fall habe er noch nie gehabt. Also nimmt er den Hörer des Telefons ab und wählt die Nummer des Kollegen im Nachbarbüro.
„Sah mo Kurti, wie issen das? Isch hann do jemand, der käh Luschd meh uff sein Vorname hat. Kann ma den so ännfach ännere? Jo… jo, das, menn ich awwa aah. Ei gudd. Dange. Jo dito.“
Mayer legt den Hörer wieder auf, guckt Martin nichtssagend an. Dann wieder legt er die Stirn in Falten und schüttelt den Kopf. Er nimmt tief Luft und lehnt sich im Schreibtischstuhl weit nach hinten. So einfach ginge das wohl nicht. Martin solle sich doch bitte mal Gedanken machen, ob es nicht sinnvoller wäre, seine Daseinskrise irgendwie anders anzugehen.
Beamter Mayer hat eine ganz einfache Lösung parat:
„Ei gugge se mol. Die Leut feiere doch so oder so. Egal, ob die jetzt das ganze Martinsfeschd nenne oder net. Jetzt holle se das mo net so ernschd. Do werd doch aach viel geschwätzt. Wer fazählt dann so ein Fubbes von wegen Umbenennung? Kähner. Siehn se, ich hann dovon jedenfalls noch nix gehheert.“
Dann holt er nochmal aus:
„Jetzt stelle se sich mo vor, ich mach das jetzt und Sie könne sich annerschd nenne. Dann sitzt morje de Oschderhaas hier mit Depressione, weil irgendwer mo gesaaht hat, dass irgendwo jemand e Bunte- Eier- Feschd gefeiert hat. Unn weiter? Losse se die Leit schwätze.“
Martin denkt kurz nach, dann wirft er entschlossen seinen zerfetzten Mantel über die Schultern, verlässt das Bürgeramt und reitet auf seinem Schimmel hemm.
Martinsumzüge im Landkreis St. Wendel:
- Remmesweiler: 9. November 2016
- Werschweiler: 10. November 2016
- Oberlinxweiler: 11. November 2016
- Bliesen: 11. November 2016
- Hoof: 11. November 2016
- Leitersweiler: 11. November 2016
- Osterbrücken: 11. November 2016
- Urweiler: 11. November 2016
- Dörrenbach: 12. November 2016
- Marth: 12. November 2016
- Niederlinxweiler: 12. November 2016
- St. Wendel: 12. November 2016
- Winterbach: 12. November 2016
- Alsfassen: 14. November 2016