Der Kunde – der König

Ein Gastbeitrag von Johannes Tal

Unsere Laune. Ihr Lohn.

Egal wann und egal wo – ein Jeder von uns kommt hin und wieder, hier und da in den Genuss unterschiedlichster Serviceleistungen. Jetzt kann uns die fetteste Laus über die Leber gelaufen und jedwede Begegnung mit unseren Mitmenschen eine Tortur sein – der Tag ist gelaufen und wir wollen nur in Ruhe bei einer Tasse Kaffee unser Dasein fristen. Unser Umfeld muss uns jetzt so nehmen, wie wir eben sind. Wir gestehen uns in diesem Moment nämlich zu, mit herab gelassenen Mundwinkeln unsere Bestellung im Café an der Ecke grummelnd aufzugeben und erwarten, dass wir mit Samthandschuhen angefasst werden.

Und nicht nur das! Wir erwarten das Verständnis aller. Auch von dieser jungen Bedienung, die mit Zettel und Stift an dem Tisch höflich und lächelnd mit zarter Stimme die Wünsche unser entgegen nimmt.

Ja, das setzen wir nun mal so voraus. Gute Laune. Im Service. Gehört dazu – alles andere ist schlechter Service. Das wünschen ja auch nicht nur wir, die ständig in dieses Café kommen, sondern alle Gäste. Dem versuchen die Serviceleister ja auch überall gerecht zu werden, da ihr Semesterbeitrag oder der Familienurlaub bezahlt werden muss.

Apropos bezahlen – eigentlich bezahlen wir ja ihren Lohn. Was wären die nur ohne uns und unsere Laune?! Außerdem gehen wir schon so lange in dieses – unseres – Stammlokal. Anderer Leute schlechter Laune, vor allem die der Bedienung, soll gefälligst zuhause bleiben. Es reicht ja auch, wenn wir mit unserem Unmut den Raum fluten. Nett soll sie sein, aber um Himmels Willen still. Was wollen wir denn mit der Information zur letzten Klausur oder dem Urlaubsziel der Familie?!
Smalltalk – nein danke! Hält sie sich nicht dran, rollen wir die Augen und lächeln von oben herab. Wie man das eben als König so macht.
Bedienen. Schnell. Schneller. Uns!
Und unsere Laune ist ihr Brot. Das muss sie sich gefallen lassen.

Gefallen und gefallen lassen?

Bisher habe ich recht wenig darüber nachgedacht, wie ich im Restaurant oder im Supermarkt mit den Menschen umgehe, deren Berufung es ist, mich zu bedienen. Das kann ich mir auch nicht ganz beantworten.
Jetzt arbeite ich aber neben meinem Vollzeitjob, um die Urlaubskasse zu sanieren auf 450 ,- Euro Basis im Wellnessbereich.
Die Arbeit ist nicht nur super, sondern auch sportlich, ein Ausgleich, der Arbeitgeber rücksichtsvoll und die Gäste – sie wollen sich entspannen. Ein entspannter Arbeitsplatz also auch für mich. Eigentlich.

Ich lerne neue Leute, Geschichten und ebenso Facetten von Menschlichkeit kennen, die sowohl zuckersüß, als auch unmöglich sind.
Auch wenn es ein Nebenjob ist – der vorherrschende Anspruch auf die Zufriedenheit der Kunden ist allgegenwärtig. Lieber ein Lächeln mehr und ein Türöffnen zu viel, als schlechte Laune beim Wellness. So erfreue ich mich über den Gastkontakt.
Hart Abgearbeitete, Saunaanfänger, Familien, Singles, Cliquen. Alle suchen die Möglichkeit der Entspannung. Und die finden sie dort, wo ich arbeite.
Ach herrje. Ich habe eine Gruppe vergessen. Die Stammgäste.
Dafür widme ich ihnen etwas mehr Aufmerksamkeit.

Zu 98 Prozent fühlen sich die Stammgäste in „meiner“ Sauna wohl, sind zufrieden, erfreuen sich netten Gesprächen, erzählen Geschichten aus den letzten zwanzig Jahren, kommen in Cliquen, als Familie oder Singles – als Gast. Weil sie wissen, dass sie es sind. Und das mit allen Vorzügen. Ob sie quatschen wollen oder Infos, einfach auch mal grummelnd bestellen oder schweigend an mir vorbeigehen, respektieren sie mich. Sie sind höflich und nett, oder einfach zurückhaltend. Ihre Laune kommt mit, bleibt aber gewollt ihr Problem.

Jetzt bleiben zwei Prozent…
Diese kleinen zwei Prozent fühlen sich in „ihrer“ Sauna wohl, sind mit sich zufrieden oder auch nicht, erfreuen sich den Sprüchen, die sie „ihrem“ Angestellten – mir – hinterher werfen. „Wir bezahlen deinen Lohn.“ Ach… und die Geschichten von früher, als hier doch noch alles besser war.
Außer ihnen ist niemand da. Oder ALLE sind sie. Was die zwei Prozent nämlich denken, das denkt hier jeder. Ausnahmslos. Diese Sorte Gast reagiert dann auf Hinweise zur Hausordnung mit: „Ich war schon hier, da warst du noch flüssig. Ich mache das so, wie ich das will.“ Eine wedelnde Handbewegung, ein abfälliges „Tschüss“ und die Genugtuung gerade die Geschäftsleitung übernommen zu haben, bereichern sie in ihrem Habitus; letztlich aber auch meine Erfahrungen immer wieder aufs Neue um die Einsicht, dass Diskussionen nicht zwingend zielführend, mancherorts aber unabdinglich sind.
Da diese Menschen ja stets alleine Räume einnehmen, sie als Chef der Einrichtung sowohl über Platz, als auch über Inventar verfügen, wie sie wollen, ist ihnen natürlich auch eine Öffnungszeit so ziemlich schnuppe. Nach dem sich kurz vor Schließung ein Keks geklaut und das neunte Weizenbier siegessicher einverleibt wurde, bleiben sie selbstsicher auf dem Stuhl sitzen, als sei es der goldverzierte Thron ihrer Herrlichkeit selbst. Nach der letzten Diskussion über die Hausordnung ist die Bitte, der Öffnungszeiten wegen zu gehen, natürlich die Absurdität des Tages. „Früher blieben wir auch so lange.“ „Tschüss…“
Während ich dann um diese Personen herum schon zusammenräume, um meinen Feierabend irgendwann antreten zu können, wird lauthals krakelt, damit ich es auch ja höre, wie schlecht der Service heute ist, wie viel besser er damals war und was man sich heute alles gefallen lassen muss.
Und hier kann ich dann erstmals mit einstimmen.

Der König

Denn um Himmels Willen NEIN! Ich muss mir nicht alles gefallen lassen und Kunden sind nur dann Könige, wenn sie ihre angeblichen Untertanen auch respektieren. Darum muss es immer und überall gehen: Um respektvollen Umgang.
War es doch im Mittelalter schon so – wenn früher ja alles besser war – dass Tyrannenkönige gemeutert und barmherzige Könige verehrt wurden!

Wieso soll es denn gerechtfertigt sein, Servicebedienstete mit Missachtung zu strafen, nur weil man gerade einen schlechten Tag, oder seine Arroganz nicht im Griff hat?
Serviceangestellte partout als schlechter, gar weniger intelligent zu diskreditieren, bleibt eine Unart, die nicht nur wütend und traurig macht, sondern vielmehr den Geist unserer Zeit mehr als bezeichnet.
Es bleibt völlig nichtig, wie lange ich schon als Gast eine Location besuche.
Jedoch wird es absolut wichtig, in jeder Location meine Mitmenschen als solche zu behandeln.
Respekt kommt von Respekt.

Meine größte Hochachtung geht an alle Bediensteten im Servicebereich, die den zwei Prozent noch viel häufiger ausgesetzt sind, als ich.
Lasst euch nicht unterkriegen und denkt stets an die 98 tollen Prozent der Stammgäste, die euren Arbeitsplatz mit Wohlbefinden füllen und euer Tun schätzen.
Ach ja…und herzlichsten Dank auch an eben diese Mehrheit derer, die wissen, dass Respekt großgeschrieben werden muss.

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