Der Landkreis St. Wendel steht vor einer erheblichen Wohnungsknappheit. Laut einer aktuellen Studie des Pestel-Instituts fehlen derzeit rund 2.100 Wohnungen in der Region. Paradoxerweise stehen gleichzeitig 1.590 Wohnungen seit mindestens einem Jahr leer, diese werden jedoch kaum wieder vermietet.
Die Wissenschaftler des Pestel-Instituts haben für ihre regionale Wohnungsmarkt-Untersuchung den vorhandenen Wohnungsbestand, demografische Entwicklungen sowie Arbeitsmarktprognosen für den Landkreis ausgewertet.
Um den Bedarf zu decken, müssten in den kommenden fünf Jahren jährlich etwa 330 neue Wohnungen entstehen. „Vom Arbeitskräftebedarf über die Geburten bis zu den Sterbefällen: Es wird sich im Kreis St. Wendel eine Menge tun – und auf dem Wohnungsmarkt tun müssen“, erklärt Matthias Günther, Chef-Ökonom des Pestel-Instituts.
Diese Zielvorgabe hält Günther jedoch für unrealistisch. Im ersten Halbjahr 2024 wurden laut Statistischem Bundesamt lediglich 84 Baugenehmigungen für neue Wohnungen im Landkreis erteilt. „Das reicht natürlich nicht. Der Neubau von Wohnungen im Kreis St. Wendel läuft mit angezogener Handbremse. Da muss vor allem bundespolitisch mehr passieren, um den Neubau von Wohnungen wieder anzukurbeln. Und das möglichst schnell“, betont der Institutsleiter.
Als wichtigste Maßnahme fordert das Pestel-Institut günstigere Finanzierungsbedingungen. „Dringend notwendig ist günstiges Baugeld. Der Bund muss ein Zins-Programm auflegen: Maximal 2 Prozent Zinsen – teurer darf die Finanzierung beim Wohnungsbau nicht sein“, so Günther. Dies würde sowohl private Bauherren als auch Investoren wieder in die Lage versetzen, neue Projekte zu realisieren. „Mit einem Niedrigzins-Baugeld würde der Bund einen wirklichen Turbo für den Neubau von Wohnungen starten“, ist der Ökonom überzeugt.
Die Studie wurde im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) erstellt. Verbandspräsidentin Katharina Metzger kritisiert die aktuelle Bundespolitik scharf: „In Sachen Wohnungsbau passiert bei der neuen Bundesregierung zu wenig. Nur das Schlagwort ‚Wohnungsbau-Turbo‘ geistert seit Monaten durch die Republik. Doch von einem ‚Turbo‘ kann keine Rede sein. Die Maßnahmen wirken nur mittel- bis langfristig. Jedenfalls ist von dem versprochenen ‚Turbo-Effekt‘ im Landkreis St. Wendel und auch sonst nirgendwo etwas zu merken.“
Die Situation in der Baubranche spitzt sich bereits zu. „Bauunternehmen gehen in die Insolvenz. Bauarbeiter verlieren ihre Jobs“, warnt Metzger. Sie fordert: „Deshalb ist es höchste Zeit, dass Bundeskanzler Merz den Wohnungsbau jetzt zur Chefsache macht.“
Neben den Finanzierungsproblemen sehen die Experten auch überbordende Vorschriften als Hindernis. „Deutschland muss dringend wieder einfacher bauen. Wenn der Bund alle Auflagen und Vorschriften der letzten zehn Jahre komplett zurücknehmen würde, dann könnten im Landkreis St. Wendel ziemlich schnell wieder deutlich mehr und deutlich günstigere Wohnungen gebaut werden“, fordert Günther. Er wirft dem Bund vor, dem Wohnungsbau „zehn Jahre lang durch immer schärfere Gesetze und Verordnungen viel unnötigen Ballast zugemutet zu haben“.
Besonders die Energiespar-Auflagen stehen in der Kritik. „Vor allem völlig überzogene Energiespar-Auflagen beim Neubau haben unterm Strich für die Umwelt wenig gebracht, das Wohnen aber enorm viel teurer gemacht“, fasst BDB-Präsidentin Metzger zusammen.




