Als einen richtigen, aber nicht weit genug gehenden Schritt in die richtige Richtung hat der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald die geplante ÖPNV-Tarifreform im Saarland bewertet. Wer aus ökologischen Gründen und zur Sicherstellung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gerade im ländlichen Raum den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV und eine bezahlbare und bedarfsgerechte Versorgung erreichen wolle, dürfe nicht auf halber Strecke stehen bleiben.
Die Zeit sei reif für tiefgreifende Reformen: Der globale Klimawandel zwinge zu einem Umdenken, insbesondere in der Mobilität. Der Verkehr sei laut Umweltbundesamt der drittgrößte CO2-Verursacher in Deutschland. Dazu gehöre auch, den ÖPNV auf alternative Energieformen umzustellen, etwa E-Busse.
Recktenwald: „Es geht beim Thema ÖPNV ebenso um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Die Schere zwischen Ballungs- und ländlichen Räumen wächst. In unseren Dörfern schließen Geschäfte, Banken. Vor allem für die älteren Generationen brauchen wir daher dringend ein bezahlbares, bedarfsgerechtes ÖPNV-Angebot.“
Als überholt, unübersichtlich und kompliziert betrachtet der Landrat das Wabensystem, wonach sich der Fahrtpreis berechne. Dieses müsse abgeschafft werden. Im Interesse der Nutzer, um den ÖPNV einfacher zu gestalten, um Verwaltungsaufwand zu mindern. Ebenso spricht sich Recktenwald für ein saarlandweites 365-Euro-Ticket aus: „Gerade das kleine Saarland bietet sich für ein derartiges Modell an. 1 Euro pro Tag für den ÖPNV würde mit Sicherheit Menschen dazu bewegen, Bus und Bahn zu nutzen.“
Weiter fordert Recktenwald, die unterschiedlichen ÖPNV-Strukturen im Land abzuschaffen: „Es gibt verschiedene Aufgabenträger, einige haben kommunale Unternehmen, andere eigenwirtschaftliche Verkehre, wiederum andere – dazu zählt der Landkreis St. Wendel – sind gezwungen, den ÖPNV über europaweite Ausschreibungen zu vergeben. Im Saarland würde ein Aufgabenträger, etwa das Land, vollkommen ausreichen.“ Ebenso würde dadurch die intransparente Vergabe der ÖPNV-Einnahmen abgeschafft werden.
Auch der Beruf des Busfahrers müsse attraktiver werden: bessere Bezahlung, bessere Arbeitszeiten, ein einheitlicher Tarifvertrag.
Schließlich biete die Digitalisierung enorme Chancen, den ÖPNV bedarfsgerechter und flexibler zu gestalten, etwa durch App-basierende Bestellsysteme.
Recktenwald: „Bei der Finanzierung des ÖPNV sind Bund, Land und Kommunen gefordert. Denn der ÖPNV ist ein Teil der Daseinsvorsorge. Dafür müssen Mittel bereitgestellt werden. Für Landkreise, die keine eigenen Einnahmen haben, wäre es beispielsweise hilfreich, wenn sie Umsatzsteueranteile erhalten würden – um eine tiefgreifende Reform des ÖPNV, die dringend notwendig ist, mitfinanzieren zu können.“
Vor diesem Hintergrund sei es auch folgerichtig, die Tarifsteigerung nicht an die Kunden weiterzugeben. Dazu habe es nicht des Drängens des Ministeriums bedurft. Dass zunächst nur das Land dies trage, sei eine Vorfinanzierung auf Grund der notwendigen Gremienbeschlüsse der Landkreise.