Kolumne um die Gleichberechtigung von Frauen

Oben OHNE – OHNE mich?!: Was ein Stück Stoff für die Freiheit bedeutet

Kann der Begriff „Freiheit“ an einem kleinen Stück Textil wie einem Bikini-Oberteil festgemacht werden?

Die Diskussion um ein „oben ohne“ für Frauen „schlägt hohe Wellen“ in deutschen Schwimmbädern. Was macht Freiheit und Selbstbestimmung für Frauen in Deutschland aus und was bedeutet ein „oben ohne“ in Ländern wie dem Iran?

Obwohl die Forderung von Frauen nach Baden mit freiem Oberkörper noch nicht in unserem Saarland angekommen ist, so wird dennoch im Landkreis schon darüber diskutiert, ob Frauen sich wie in Berlin oder auch ab 1. April in Köln ohne Bikini-Oberteil in Schwimmbädern frei bewegen dürfen.

Die 33-jährige Lotte Mies besuchte im Dezember 2022 das Hallenbad in dem Berliner Ortsteil Kaulsdorf und schwamm barbusig. Daraufhin wurde sie gebeten, das Bad zu verlassen und gleichzeitig wurde die Polizei gerufen. Lotte Mies wurde darauf hingewiesen, dass es nicht erlaubt sei, sich als Frau „oben ohne“ im Schwimmbad oder Schwimmbecken aufzuhalten. Ihr wurde vermittelt, Hausfriedensbruch und eine Straftat bei Wiederholung des Verhaltens zu begehen. Daraufhin legte L. Mies Widerspruch bei der Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung ein und ihr wurde Recht zugesprochen. Die Berliner Bäderbetriebe sind nun im Zuge der Gleichberechtigung angehalten, baden ohne Oberteil bei Frauen genauso zu tolerieren, wie es bei Männern der Fall ist.

Welche Argumente führt Lotte Mies an? Ihr ist es wichtig, sich im Wasser frei bewegen zu können und kein Oberteil tragen zu müssen, das kneift und zwickt. Sie möchte das gleiche Recht wie Männer auf freie Entscheidung bei der Wahl, was sie im Schwimmbad trägt.

Dieses Vorpreschen in Sachen Gleichberechtigung findet nicht nur Beifall. Auch über Social-Media-Kanäle lassen Menschen ihren Gedanken und Gefühlen freien Lauf und warnen davor, dass sexuelle Übergriffe in Schwimmbädern zunehmen könnten. Was macht es mit Kindern oder pubertierenden Jugendlichen, wenn ihnen die weiblichen Brüste plötzlich ganz offen gezeigt werden, Brüste, die es ansonsten im öffentlichen Raum nur auf Titelblättern erotischer Magazine im obersten Regal von Zeitschriftenläden oder Tankstellen zu sehen gab. Laut einer aktuellen repräsentativen Umfrage des FOCUS Magazins durch das Meinungsforschungsinstitut Kantar vom 21.03.23 und 22.03.23 (1.002 Personen wurden befragt) lehnen 55 % der Frauen in Deutschland das Baden in Schwimmbädern mit nacktem Oberkörper ab, 56 % der Männer befürworten eine „topless“-Regelung für Frauen.

Hat der immer freizügigere Umgang mit dem eigenen Körper tatsächlich etwas mit Freiheit zu tun? Wird das natürliche Schamgefühl eines Menschen als Prüderie abgestempelt? Sicher, die Auflockerung der Kleiderordnung in Schwimmbädern bedeutet nicht, dass jede Frau nun diese Option annehmen muss. Jede so, wie sie mag! Ich frage mich nur, was bleibt noch privat, wenn auf Social-Media-Kanälen bereits von vielen Nutzern alle Lebensereignisse mit der Öffentlichkeit geteilt werden, wozu oftmals auch das Zurschaustellen des eigenen Körpers gehört. Privatsphäre schützt, eine transparente Offenlegung des eigenen Privatlebens macht angreifbar. Und so werden die zumeist jungen Frauen und auch etliche weibliche Prominente im Internet immer wieder Opfer eines Shitstorms, auch aufgrund vermeintlicher optischer Mängel.

Wie wird in anderen Ländern Europas mit diesem Thema umgegangen? Europa gilt als freizügigster Kontinent in Sachen „topless“ bzw. FKK. In Barcelona als Beispiel, der spanischen Stadt mit einem Traumstrand, baden Frauen schon seit Jahrzehnten barbusig im Meer, seit Sommer 2019 ist dies auch in den Schwimmbädern erlaubt.

In St. Wendel wird sich derzeit noch auf die Haus- und Badeordnung für das Wendelinus- Hallenbad und die geltende Badeordnung des Freibades bezogen:

Haus- und Badeordnung für das Wendelinusbad

Die Badegäste haben alles zu unterlassen, was den guten Sitten sowie der Aufrechterhaltung der Sicherheit, Ruhe und Ordnung zuwiderläuft.

Badeordnung für die Benutzung des FREIBADES der Kreisstadt St. Wendel
§ 5 Badebekleidung

Der Aufenthalt im Nassbereich des Freibades ist grundsätzlich nur in üblicher Badebekleidung gestattet. Die Entscheidung darüber, ob eine Badebekleidung den Anforderungen entspricht, trifft allein das Betriebspersonal. Ausnahmen bedürfen einer besonderen Genehmigung des Betriebspersonals.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die öffentlichen Bäder in unserer Region den Argumenten im Rahmen der geforderten Gleichberechtigung auf Dauer entziehen können, falls Frauen darauf bestehen, „oben ohne“ die Bäder zu besuchen.

Auch die Frauen im Iran kämpfen um ein „OBEN OHNE“, sie kämpfen um ein Leben ohne Kopftuch als Symbol der weiblichen Unterdrückung

Währenddessen in unserem Land Frauen um Gleichberechtigung in Bezug auf oberkörperfreies Baden kämpfen, riskierten ab September 2022 tausende Frauen und Männer ihr Leben, weil sie gegen die Unterdrückung durch das iranische Regime protestierten. Auslöser war der Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini, die von der Sittenpolizei festgenommen worden war, weil sie ihr Kopftuch nicht richtig trug. Sie verstarb nach der Festnahme in einem Krankenhaus. Die Protestierenden geben der Polizei die Schuld am Tode der jungen Frau.

Manchmal lohnt der Blick „über den Tellerrand“, um zu erkennen, mit welchen Errungenschaften wir in unserem Land „gesegnet“ sind, in einem Land, das zwar nicht perfekt ist, uns aber die Freiheit schenkt, unsere Meinung frei zu äußern, ohne Gefahr zu laufen, inhaftiert zu werden, in einem Land, in dem Mädchen und Jungen gleichermaßen das Recht auf Bildung geschenkt wird, in einem Land, das noch immer global betrachtet über ein ausgebautes soziales Netz verfügt, in dem ein Großteil der Bevölkerung aufgefangen wird. Nein, unser Land ist nicht perfekt und es hat viele „Baustellen“, an denen gearbeitet werden muss.

Somit – kann der Begriff „Freiheit“ an einem kleinen Stück Stoff wie einem Bikini-Oberteil festgemacht werden?

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