Kurz nachgedacht… Über den Wert des Handwerks

Mein Haus, mein Auto, mein Kind (studiert)

Symbolbild

In Wirklichkeit lautete der Werbe-Slogan der Sparkassen im TV in den 90er Jahren so: „Mein Haus, mein Auto, mein Boot!“ Vielleicht können sich noch manche daran erinnern. Zwei ehemalige Schulkameraden treffen sich nach Jahrzehnten und legen Beweisfotos ihres Erfolges auf den Tisch, wobei die Errungenschaften des von der Sparkasse beratenen Kunden die des Schulkameraden jeweils bei weitem übertreffen. Diese Werbung stand schon damals für den Zeitgeist unserer Gesellschaft und heizte überzeichnet den Ehrgeiz an, sich über die Erreichung von Statussymbolen als erfolgreich zu definieren.

Mein Haus, mein Auto, mein Kind – so empfinde ich es mittlerweile in Gesprächen mit neuen Bekanntschaften oder im Bekanntenkreis. Ich kann mich noch sehr gut erinnern an Situationen in der Mütterberatung, wenn Mütter ganz stolz darauf waren, dass ihr Kind das erste war, das krabbeln, laufen oder ein Wort sagen konnte. Heute laufen sie alle und stumm geblieben ist auch keines.

Wenn Kalle Ingenieur wird

Wenn Papa kein Studium vorzuweisen hat, dann doch zumindest der Sohn. Es existiert – dieses nonverbale Ranking. Nicht ausgesprochen, aber du fühlst sie, die Angst der Anwesenden in einer Gruppe, im Vergleich mit anderen schlechter abzuschneiden. Wer hat es weiter geschafft, die bessere Position, den besseren Status? Wer hat sich optisch besser gehalten, who ist the winner, who ist the looser?

In den letzten Monaten begegnete mir dieses Schema gleich dreimal, nur mit dem Unterschied, dass nicht das Haus, das Auto oder das Boot das Subjekt des Stolzes waren, sondern das studierende oder studierte Kind. Und jedes Mal wurde das Gesprächsthema sehr schnell in Richtung eigener beruflicher bzw. der schulischen Erfolge der Kinder gelenkt. Ich warte auf den Tag, dass ein Elternteil in einer Gruppe ganz stolz verkündet, mein Sohn erlernt das Bäckerhandwerk oder meine Tochter wird Elektrikerin.

Wenn am Samstagmorgen der SUV aus der Garage geholt wird, um damit beim Bäcker frische Brötchen zu holen, wird es für selbstverständlich gehalten, dass Menschen mitten in der Nacht aufstehen, um diesen Luxus möglich zu machen. Und wenn kein Dachdecker zu erreichen ist, um direkt nach einem Sturm das Dach zu reparieren, wird der Wert des Handwerks plötzlich sehr deutlich. Kein Fortschritt ohne Handwerker! Es mag sein, dass der eigene Sohn im 12. Semester Jura studiert und ihm eventuell handwerkliche Talente fehlen. Dann ist der heimliche Blick auf den Sohn des Nachbarn eventuell gegeben, der als registrierter und zertifizierter Elektroinstallateur gerade die neue PV-Anlage des Nachbarn anschließt, während man selbst noch keine auf dem Dach hat.

Nicht falsch verstehen. Hier soll der Wert eines Studiums und auch die Leistung, die dahintersteckt, nicht gemindert oder gar verunglimpft werden. Alle werden gebraucht, der Rechtsanwalt, der Bäcker, die Elektrikerin und auch die ungelernten Kräfte, die eventuell aufgrund eines schwereren Lebensstarts und fehlender Förderung die Arbeiten verrichten, die viele andere gar nicht verrichten möchten.

In einem Uhrwerk wird auch jedes kleinste Rädchen benötigt, damit die Uhr ticken kann. Statussymbole sind „wie Schall und Rauch“. Sie kommen, sie vergehen und sagen nichts darüber aus, wie ehrlich, wie hilfsbereit oder wie intelligent ein Mensch ist.

Und im Alter, wenn der studierte Ingenieur auf die Pflege durch Pflegepersonal angewiesen sein wird, zählen für ihn nur noch Herzlichkeit, Respekt und Empathie sowie eine gute pflegerische Betreuung, die er in einem Pflegeheim durch ausgebildete Pflegekräfte erfährt – dann sind ihm alle akademischen Titel egal.

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