Ein Leben für die Disco
Fast vier Jahrzehnte lang waren Jürgen und Brigitte Leiß immer gut gelaunte und freundliche Gastgeber in der Disco C1 Marth – im Volksmund auch als „Casino“ bekannt. Am 8. und 9. April endet nun die Ära der wohl ältesten inhabergeführten Disco des Saarlandes mit zwei Abschiedspartys.
Es muss für die Ostertaler etwas exotisch gewirkt haben, als im Oktober 1978 das Gastronomen-Ehepaar Leiß aus dem bayrischen Mitwitz nach Marth gezogen ist, um hier eine Kneipe mit dem Namen „Casino“ zu eröffnen. Den Namen brachten sie aus ihrer Heimat mit, wo sie unter gleichem Namen bereits ein Lokal geführt hatten. Über einen Makler wurden sie auf das Objekt im mittleren Ostertal aufmerksam, das ursprünglich eine Mühle, später ein Lebensmittelgeschäft und schließlich eine Pizzeria beherbergte. Anfangs nur mit einer Musikbox ausgestattet und täglich geöffnet kam schließlich die Idee, am Wochenende Discos zu veranstalten. Schnell wurde eine Anlage angeschafft, Stammgäste fungierten spaßeshalber als Discjockey.
Dann wurden die Inhaber auf den jungen DJ Günter Schüler aufmerksam, der in der Wildsaubar in Werschweiler am Wochenende die Platten drehte und den man für das eigene Lokal engagieren konnte. „Dadurch ging das Geschäft dann richtig nach oben“, weiß Brigitte Leiß noch heute zu berichten. Seither hat das „Casino“ viele DJs kommen und gehen sehen. In Erinnerung bleiben werden wohl vor allem diejenigen, die mit ihrer Musik ganze Dekaden von Stammgästen geprägt haben, wie Mark Ohm, Arthur Sutter, Jörn Ruckert oder Marc André Müller. Und nicht zu vergessen Inhaber Jürgen Leiß persönlich, der sich bis vor kurzem noch selbst die Nächte hinter dem DJ-Pult um die Ohren schlug und mit 70 Jahren der wahrscheinlich saarlandweit älteste DJ mit wöchentlichen Auftritten war.
1988 erfolgte eine grundlegende Renovierung durch einen saarländischen Discothekenausstatter. Dieser schlug auch vor, den Namen „Casino“ durch die einprägsame Abkürzung „C1“ auszutauschen. Der Begriff „Casino“ verschwand von der Fassade und vom Papier, im Sprachgebrauch der Stammgäste hat er sich aber bis heute gehalten. In den späten 80ern und frühen 90ern erstreckte sich die Kernöffnungszeit von Donnerstag bis Sonntag. Der Donnerstag entwickelte sich schließlich zum Kult-Tag und war stark durch die Musikrichtung Rock geprägt.
„AC/DC, Dire Straits, Kiss und ZZ Top“ zählt Jürgen Leiß wohl nicht zuletzt deshalb zu seinen Lieblingsplatten. Sonntagsnachmittags gab es regelmäßig Kinovorstellungen. Dann wurde hastig ein PVC-Belag auf der Tanzfläche verlegt und Kinosessel in die Disco getragen. „Die hatten wir damals extra von einem Kino gekauft, das geschlossen wurde. Die Kinonachmittage waren eine echte Attraktion.“, berichtet Brigitte Leiß von einer Zeit, die man sich heute, da man jeden beliebigen Film bequem per Livestream auf der Couch ansehen kann, kaum noch vorstellen kann. Zahlreiche Paare wurden von der Wirtin in dieser Zeit miteinander verkuppelt. „Wenn sie dann verheiratet waren, kamen sie nur noch sehr selten zu uns.
Ging eine Ehe in die Brüche, waren sie meist nochmals regelmäßig bei uns zu Gast.“, schmunzelt sie. Weit über die Landesgrenzen hinaus war und ist die Disco bekannt. „Da ist doch das Casino!?“, ist eine Frage, die wohl schon fast jeder Bürger aus Marth gehört hat, wenn er auswärts von seinem Herkunftsort erzählte. Vom Glanz früherer Zeiten ist heute nicht mehr viel übrig. Vorbei die Zeiten, in denen Wochenende für Wochenende Autos mit Birkenfelder, Kaiserslauterner, Saarbrücker oder gar Frankfurter Kennzeichen die Osterbachstraße in Marth zuparkten. „Die Einführung des Euro und des Rauchverbots“, nennt Jürgen Leiß zwei einschneidende Entwicklungen, die sich auch nachhaltig negativ aufs Geschäft ausgewirkt haben. Der nachlassende Betrieb und die andauernden gesundheitlichen Probleme haben zu der Entscheidung geführt, die Disco zu schließen. Vielleicht gönnt sich das Inhaberpaar jetzt endlich mal einen Urlaub. „Den haben wir in den letzten 37 Jahren nicht gemacht. Alle unsere Energie und unser Geld haben wir in den Laden gesteckt. Er ist unser Lebenswerk.“, sagt Brigitte Leiß mit sehr viel Stolz, aber auch etwas Wehmut. Am 8. und 9. April will die Familie Leiß es aber noch einmal richtig krachen lassen. Jeweils um 21 Uhr gehen die beiden Abschiedspartys los. Für die Musik wurde noch einmal DJ Mäggi verpflichtet.
Foto/Text: Marc André Müller