Am Samstag, 20.04.24, war die Aula des ehemaligen Arnold-Janssen-Gymnasiums so menschenvoll wie lange nicht mehr. Hunderte Interessierte kamen zur Informationsveranstaltung der SG Strukturholding GmbH, wo die Pläne für das Missionshaus vorgestellt wurden. Einer der Geschäftsführer Michael Massing – der andere ist der Architekt Gerlando Giarrizzo – moderierte die Veranstaltung und begrüßte die Gäste. Die Stimmung war gespannt. Unter den Anwesenden waren Befürworter und Gegner des Projekts sowie Politiker, die sich im Wahlkampf befinden.

Dass so viele gekommen seien, zeige ihm, dass den Menschen das Missionshaus nicht egal ist, freute sich Pater Václav Mucha, Rektor der Steyler Missionare und ehemaliger Schulseelsorger am AJG. Er erzählte von den 60 Mitbrüdern, die im Wendelinusheim leben und 80 Mitarbeitenden. An diesem Tag wolle er mit den Menschen ins Gespräch kommen.
Etwas kritischer wendet sich Pater Oliver Heck an die Anwesenden: „Uns hat es ein bisschen irritiert, dass wir im Wahlkampf mit drin sind.“ Meinend, dass weder die Strukturholding noch er damit gerechnet hätten, dass so viel Diskussion um die Pläne für das Missionshaus entstehen würde. Als sich vor Veröffentlichung der Baupläne eine Bürgerinitiative dagegen gegründet hat, haben auch Stadtratsmitglieder und Bürgermeisterkandidatinnen und -kandidaten Stellung bezogen. Während Bürgermeister Peter Klär (CDU) die Pläne begrüßt, hagelte es von Tobias Decker (FDP), Uta Sullenberger (Grüne) und Marc André Müller (SPD) zunächst Kritik. Doch die Menschen applaudieren über Pater Hecks Aussage „sogar die Opposition“, scherzt er. Dann wird er ernst: „Sie merken, es ist kalt hier (…) Das Gebäude ist bereits eine Ruine. Wir können uns die Reparaturen nicht mehr leisten“, sagt er. Dennoch sei es kein Notverkauf. Aber der richtige Zeitpunkt sei jetzt gekommen.
Klinikbetreiber, sogar Bundespolizei waren an Missionshaus interessiert

Pater Heck berichtet von mehreren Kaufinteressenten in der Vergangenheit: drei Klinikbetreiber, eine Firma, die Medizinprodukte herstellt, auch die Bundespolizei sowie eine Baugesellschaft waren kurzzeitig interessiert, ebenfalls eine Elterninitiative des AJG sowie eine deutsch-chinesische Gesellschaft. Es kam zu Absagen, weil es entweder für die Interessenten oder für die Missionare nicht gepasst hat. Nur mit Immobilienresteverwertern habe er bisher noch keinen Kontakt gehabt.
„Junge Leute ziehen dorthin, wo es gute Arbeitsplätze gibt“, so Pater Heck. Deshalb sei der Verkauf an die SG Strukturholding eine Chance für St. Wendel. „Warum Optionsvertrag?“, wiederholte er die Frage, die in den vergangenen Wochen bereits mehrfach gestellt wurde. „Vier Jahre lang haben wir verhandelt“, sogar von Streit hat er gesprochen. Nachdem sie nun auf einen Nenner gekommen seien, müsse die Gesellschaft entscheiden, ob alles passt. Außerdem wies er auf eine Sache hin, die bisher noch nicht öffentlich geäußert wurde: „Das WzB wird von uns aktiv unterstützt durch einen günstigen Pachtvertrag, den wollen wir aufrechterhalten, auch wenn es uns finanziell wehtut. Die Strukturholding würde dies berücksichtigen. Zur Umwelt erklärte er: das Martinstälchen sei jetzt ein Biotop, Naherholung sei ihm und den Mitbrüdern wichtig „Wir wollen keine Zäune, wir wollen Freiheit und Naherholung für die St. Wendeler Bürgerinnen und Bürger.“ Er zählte die Vorteile, die er durch den Verkauf sieht, auf: Die Umwelt werde durch die Pläne berücksichtigt, Die Brüder haben eine Zukunft, es sei ein Konzept für junge Menschen, Null Risiko für die Stadt, außerdem dürfte diese auf Zuzug hoffen.

Nach ihm folgte Dirk Hoffmann, Vorstandsvorsitzender der KSK, mit seiner Begrüßung an die gekommenen Menschen. Er sei noch nie so oft „Investor“ genannt worden, scherzte er zunächst. Die Kreissparkasse St. Wendel und das Archtekturbüro von Gerland Giarrizzo sind zu 50% Gesellschafter der SG Strukturholding GmbH. „Wir sind alle mit Herzblut dabei“, versichert er. Dann erläuterte er, warum die KSK sich entschieden hat, dieses Projekt anzugehen: „Wir wollen uns im Landkreis einbringen, wir wollen die Transformation im Landkreis mitbetreiben“. Mit Gerlando Giarrizzo war sich die KSK sicher, könne sie vertrauensvoll zusammenarbeiten. „Sein Architekturbüro hat in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Projekte umgesetzt.“ Auf das mangelnde Vertrauen der Bürgerinitiative antwortet er: „Wir haben eine Reputation zu verlieren. Auch auf den gemachten Vorwurf „wir würden nur gewinnoptimiert arbeiten“, ging er ein: „Wir haben bereits mehrere 100.000 Euro investiert. Wir werden das bauen, was nachgefragt wird, wir werden die Mieten nehmen, die ortsüblich sind.“
Für die 60 Missionare, die hier leben und die 80 Mitarbeitenden, die hier beschäftigt sind, wolle man das Missionshaus weiterbetreiben. „Das können wir aber nicht in diesem Zustand.“ Die SG Strukturholding wurde in den letzten Wochen für ihre Kommunikationspolitik kritisiert. Hoffmann könne die Bürgerinnen und Bürger auf der einen Seite verstehen, aber es habe sich um ein „ganz normales Verfahren“ gehandelt, was er anhand eines auf die Wand hinter ihm projizierten Zeitstrahls erläuterte. „Wir haben nichts zu verstecken“, versichert er. Bevor sie mit ihren Plänen an die Öffentlichkeit gingen, haben sie diese dem Stadtrat – der Vertretung der Bürgerinnen und Bürger – vorgestellt. Im November 2023 hat Rom dem Kaufoptionsvertrag zugestimmt, damit startete die 12-monatige Optionsfrist, im Januar 2024 fand die nicht öffentliche Sitzung des Bauausschusses statt, im Februar 2024 gab es den Aufstellungsbeschluss Bebauungsplan im Rahmen der Stadtratssitzung, im März 2024 wurde der Bebauungsplan in der Stadtratssitzung vorgestellt und vom Stadtrat mit der Mehrheit der CDU gebilligt, außerdem wurde die frühzeitige Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung beschlossen. Erst seit diesem Beschluss darf die SG Strukturholding GmbH die Pläne offenlegen, was sie diesen Monat tat. Für den 20. April 2024 wurde zum Bürgerdialog eingeladen, um gemeinsam über die Pläne zu diskutieren. „Wir sind ganz am Anfang unserer Studie“, so Hoffmann.

So sieht die Vision aus
„Dieses Projekt ist für mich eine Art von Stadtentwicklung“, sagte Giarrizzo. „Es braucht Menschen, die nach St. Wendel ziehen. Ein Zentrum für KI z.B. bringe jungen Menschen, die auch in die Stadt gehen. „Die Planung ist nicht in Stein gemeißelt“, damit drückte er seine Offenheit gegenüber Anregungen und Ideen aus der Bevölkerung aus. Dann stellte er die Pläne vor: Zu Giarrizzos Vorgehensweise gehört es, sich als erstes mit der Geschichte des Objektes vertraut zu machen und die historischen Werte kennenzulernen und zu wahren. Er will seinen Objekten, so auch dem Missionshaus Zukunft durch Nachhaltigkeit schenken, wobei er damit nicht nur Baustoffe meint, sondern auch die Nachhaltigkeit des Gebäudes, „es muss in 100 Jahren noch schön anzusehen sein“. Das Konzept nennt er „Grenn Living am Heiligen Berg“. Das Missionshaus immer im Fokus mit seiner „lauten Architektursprache“ sollen alle anderen geplanten Objekte sich „leise“ ins Gesamtbild einfügen.
Welche Nutzung kann man sich vorstellen? Für Giarrizzo käme ein Hotel im Südflügel in Frage, zudem auch studentisches Wohnen oder ein Gebäude für das Servicepersonal des Hotels. In der alten Turhalle sieht er ein Café. Die Nordachse solle komplett das Thema Gesundheit repräsentieren. In einer großen Ellipse kann er sich ein KI-Institut vorstellen, einen Interessenten habe es bereits gegeben, dieser sei allerdings durch die Aktivitäten der BI verunsichert. Das alte Museumsgebäude soll abgerissen werden – im Gesamtbild sei es ein Fremdkörper. Dafür soll das Museum in einer kleinen Ellipse neu zum Leben erwachen. Auch das alte Internat soll abgerissen werden. In der großen Halbellipse könne er sich vorstellen, dass dort das Thema Sport unterkommt. Im Wald sollen Holzhütten als touristisches Angebot entstehen, die jetzige Parkfläche wird neu begrünt und unter ihr wird ein unterirdisches Parkhaus entstehenden. In einem begrünten Hanggebäude könnte man eine Pflegeschule unterbringen. „Wohnen am Steiler Hang“: Unter diesem Motto sollen 32 Bauplätze für Ein- bis Zweifamilienhäuser entstehen. Die Wohngebäude sollen sich so in den Hang einfügen, dass sie sie den Anblick des Missionshauses nicht stören, wenn man die Baumallee hinauffährt oder -läuft. Von der ersten Reihe der Häuser sollen lediglich die Solarcarports zu sehen sein. Nach seiner Präsentation zeigt Giarrizzo die Animation seiner Vision wonach das Publikum lange applaudiert.
Der Bebauungsplan
Sarah End, geschäftsführende Gesellschafterin von Kernplan, erklärte den Anwesenden den Bebauungsplan, der eine Fläche von 26 Hektar hat. Warum wird jetzt erst ein Bebauungsplan erstellt? Als das Missionshaus im Jahr 1898 erbaut wurde, gab es noch keine Bebauungspläne, deshalb wird das jetzt nachgeholt. Man befinde sich mit dem gesamten Projekt jetzt bei Stufe 1.: Präsentation der Öffentlichkeit. „Weniger bauen geht immer, mehr bauen geht nicht“, sagt sie. Auf dem Bebauungsplan sind verschiedene Flächen in vier verschiedenen Farben markiert. Ein Areal ist in braun eingefärbt, das steht für ein urbanes Gebiet, Wohnen und Arbeiten, darin befindet sich das Missionshaus mit Süd- und Nordachse sowie die Ellipsen. Rot steht für Wohngebiet, hier sollen die 32 Bauplätze am Hang entstehen. In einem Gebiet, das blau markiert wurde, dürfen Waldhütten entstehen. Grün steht für Waldflächen. Außerdem wird auf 7.000 m² neu aufgeforstet. „Auch Abwasser und Starkregenereignisse werden selbstverständlich in den Plänen berücksichtigt“, erklärt sie. Das Wohngebiet mit den 32 Bauplätzen werde problemlos an das Abwassersystem angeschlossen werden können. Für anfallendes Oberflächenwasser werden Rückhaltesysteme eingebaut, die auch mit Starkregen klarkämen.
Es geht über zum Bürgerdialog
Einige Bürger haben Fragen: Wie viel Risikokapital hat die Strukturholding zur Verfügung? Sind Sie bereit, Abstriche zu machen? Werden Starkregenereignisse berücksichtigt? Werden Anwohner hinsichtlich des Baustellenverkehrs berücksichtigt? Was passiert mit der Kirche? Dürfen mehr als 32 Häuser im Wohngebiet gebaut werden?
„Natürlich ist die Gesellschaft mit ausreichend Kapital ausgestattet“, versichert Hoffmann dem Fragestellenden. „Sie können davon ausgehen, dass die SG Strukturholding handlungsfähig ist“. Der erste Schritt sei die Vorstellung der Vision, für die man dann Mieter suche. „Das ist ein ganz normales Vorgehen“, erklärt Vorstandsmitglied Marc Klein an dieser Stelle. Dass man Starkregenereignisse vor allem seit der Ahrtal-Katastrophe auf dem Schirm habe, sei selbstverständlich, sagte Sarah End. Auch was den Baustellenverkehr betrifft, habe man bereits eine mögliche Lösung: Eine Umgehungsstraße, die wahrscheinlich an der WzB vorbeiführt, erläutert Giarrizzo. Die Kirche darf so lange von den Steyler Missionaren genutzte werden, wie sie möchten. „Ich bin froh, wenn sie für immer bleibt“, so der Architekt. Eine Bürgerin habe gehört, dass mehr als 32 Häuser im Wohngebiet gebaut werden sollen, 400 Wohneinheiten in achtstöckigen Häusern solle es einem Gerücht nach geben. „Diese Info ist falsch“, versichert End. Es dürfen nicht mehr als 32 zwei- bis dreistöckige Wohnhäuser im Wohngebiet entstehen.
Fragerunde wird zur Wahlkampfbühne
„Wir sind ein bisschen irritiert, dass wir im Wahlkampf mit drin sind“, sagte Pater Heck eingangs. Das wurde von einigen Redebeiträgen bestätigt. So stellten sich Bürgermeisterkandidaten und Stadtratsmitglieder vor die Bürgerinnen und Bürger, um Kritikpunkte zu äußern oder sich hinter das Projekt zu stellen. Man solle die politische Diskussion bitte da lassen, wo sie hingehöre, bittet Massing an einer Stelle. Dies sei eine Infoveranstaltung für interessierte Bürgerinnen und Bürger.
Und die Bürgerinitiative?
Keiner der Bürger, die nach vorne kamen, hat sich als Mitglied der Bürgerinitiative vorgestellt. Der Sprecher der BI Anton Stier, stand wndn.de für ein kurzes Gespräch zur Verfügung. Er erklärte, dass die BI vor allem Bedenken bezüglich des Wohngebiets hat. Auch dass die Nikolaus-Obertreis-Schule möglicherweise auf den Heilien Berg ziehen soll, will die BI nicht. Außerdem habe man Angst, dass aufgrund des Projektes die Frequenz in der Innenstadt weiter abnimmt. „Für uns ist es wichtig, dass das Missionshaus erhalten bleibt“, sagt er. Das Projekt wolle man weiter sachlich und faktisch begleiten.
Fazit der SG Strukturholding GmbH
Viele Fragen fand er berechtigt, auch dass sich viele für das Wohngebiet interessieren würden, war ihm vorher schon klar, erklärte Hoffmann. „Wir sehen es aber nicht als Wohngebiet, für uns gehört es ins Gesamtkonzept „Wohnen und arbeiten“. Insgesamt hat er ein gutes Gefühlt nach der Präsentation. „Wir haben viel Herzblut hier reingesteckt, es geht nur miteinander“, sagte er. Giarrizzo hat eine positive Stimmung gespürt, sagte er gegenüber wndn.de. „Ich habe Schlimmeres erwartet.“ Nach Wochen voller Gerüchte und Vorwürfe habe die Infoveranstaltung der Gesellschaft die Möglichkeit gegeben, den Bürgerinnen und Bürgern ihre Vision vorzustellen und mit Falschinformationen aufzuräumen. „Wir wollen nicht gegen die Öffentlichkeit kämpfen“, so der Unternehmer. Ich nehme die Fragen und Anregungen, die uns mitgegeben wurden, ernst und werde sie ihm Weiteren Verlauf berücksichtigen.