Um die Zukunft des Missionshausareals ranken sich derzeit viele Gerüchte, die für viel Aufregung sorgen. Seit bekannt ist, dass die SG Strukturholding GmbH einen Kaufoptionsvertrag mit den Steyler Missionaren abgeschlossen hat, fürchten manche Bürgerinnen und Bürger um ihr Wahrzeichen – eine Bürgerinitiative hat sich gegründet und fordert mehr Information. Heute fand die Pressekonferenz „Missionshaus-Areal“ in der Kreissparkasse St. Wendel statt. Die Gesellschafter der Strukturholding stellten ihre Vision der Zukunft des Missionshauses mit einer klaren Botschaft vor: „Es geht nur, wenn wir alle an einem Strang ziehen, die Bürgerinnen und Bürger müssen das auch wollen“.
Seit 15 Jahren überlegen die Steyler Missionare schon, wie es mit dem Missionshausgebäude weitergehen soll. So lange führt Pater Oliver Heck schon Sondierungen mit reger Beteiligung der St. Wendeler Bürgerinnen und Bürger und Verhandlungen mit Kaufinteressenten. Im November des letzten Jahres schloss er einen Kaufoptionsvertrag mit der SG Strukturholding GmbH. „Wir hoffen, dass der beschlossene Kaufoptionsvertrag im Verkauf mündet“, so Pater Heck und verweist dabei auf die „respektvollen“ Pläne. Schon die Durchsicht des ersten Entwurfs habe ihn überzeugt, dass die Umsetzung dieser Pläne das Missionshaus zu einem „Juwel von St. Wendel“ machen würde. Der Entwurf respektiere die Umwelt, die Landschaft, die Menschen, die Erholung suchen, und das kulturelle Erbe. „Das Konzept hat meine Erwartungen übertroffen“, so der Steyler Missionar. 125 Jahre hätten die Missionare hier viel Gutes geleistet und auch darüber hinaus sei er sich der Verantwortung gegenüber den St. Wendeler Bürgerinnen und Bürger und den historischen Gebäuden bewusst. Deshalb sei er sich sicher, dass das Areal bei der Strukturholding in guten Händen sei.
So sieht die Vision des künftigen Missionshausareals aus
„Die Grundidee war es, das Wahrzeichen zu erhalten – das war der Leitgedanke bei der Planung“, sagt Gerlando Giarrazzo. Sein Architekturunternehmen ist eines der zwei Gesellschafter der SG Strukturholding GmbH, die andere Gesellschafterin ist die Kreissparkasse St. Wendel. Mit aufwendigen Visualisierungen seiner Zukunftsversion des Areals präsentierte er das Konzept: „Leben. Arbeiten. Inklusion. Naherholung. Auf dem Heiligen Berg.“
Die Pläne sehen vor, den denkmalgeschützten Komplex in ein lebendiges Quartier mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten zu verwandeln, wobei der Fokus auf Nachhaltigkeit und harmonischer Integration in die Umgebung und die Natur liegt. Durch die Planung werden 5,6 ha an Hauptnutzungsfläche zusätzlich zur heute bereits verbauten Fläche auf dem 26 ha großen Areal in Anspruch genommen.
Neugestaltung des Wendelinusheims der Steyler Missionare
Das im Nordflügel untergebrachte Wendelinusheim der Steyler Missionare soll im Sinne der Ordensgemeinschaft um moderne Pflege- und Gesundheitseinrichtungen ergänzt werden. Zu diesem Zweck würde der bestehende Nordflügel um Gebäude erweitert, die sich stimmig in das bestehende Ensemble einfügen.
Ein Hotel im ehemaligen Gymnasium
Im ehemaligen Gymnasium und mittlerweile ungenutzten Südflügel des Missionshauses könnte unter Wahrung der erhaltenswerten Strukturen und Räume ein Hotel integriert werden. Dabei legen die Planer aus Respekt vor der historischen Substanz besonderen Wert auf einen qualitativ hochwertigen Ausbau aller Hotelbereiche. Darüber hinaus sollen im Außenbereich zusätzlich Café- und Gastronomiebereiche, sowie in der Aula Tagungsräume entstehen.
Holzhütten im Naherholungsgebiet
Abgerundet werden könnte das touristische Angebot durch barrierefreie Waldhütten, die sich auf Basis von Holz und Leichtbaumaterialien ausgewogen in das Naherholungsgebiet Wald einfügen. Sollte diese Idee umgesetzt werden, bieten diese kleinen Häuser ein einzigartiges Naturerlebnis und eine umweltfreundliche Übernachtungsmöglichkeit, da der Baumbestand erhalten bliebe. Der bereits in den historischen Bauplänen vorgesehene aber nie fertig gestellte Südflügel soll nun vollendet werden und flexiblen Raum schaffen für weitere Nutzungsmöglichkeiten im Kontext Leben und Arbeiten.
Neue Nutzung für alte Turnhalle und ein Sichelförmiges Kulturforum
Auch die alte Turnhalle könnte gemäß den Planungen saniert werden. Ihr gegenüber könnte als zentraler Mittelpunkt ein sichelförmiges Kulturforum entstehen, das sich mit seiner fließenden Form und dem begehbaren, begrünten Dach harmonisch in die Hanglage einfügen und den umliegenden Gebäuden optisch Raum lassen würde.
Auf der Fläche des Sportplatzes und gegenüber sind zwei weitere, unterschiedlich große elliptisch angelegte Neubauten geplant, die mit ihren begrünten Dächern zwischen Sichel, Gebäudeflügeln und angrenzender Natur eingebettet sind. Auch sie wären vielfältig nutzbar und böten beispielsweise Start-Ups, Gründern und Kreativen ideale Bedingungen und auch Wohnungen wären hier bei entsprechendem Bedarf durchaus denkbar.
„Leben am Steyler Hang“
Gegenüber dem Nordflügel soll das „Leben am Steyler Hang“ entstehen. Die zugehörigen Gebäude sind so konzipiert, dass sie sich im Zusammenspiel in die natürliche Topografie einfügen und durch eine Einbettung ins Erdreich energetische Vorteile nutzen.
Von der Straße aus werden bei dieser Anlage nur die Solar-Carports sichtbar sein, so dass die denkmalgeschützten Gebäude weiterhin optisch im Fokus stehen.
Entlang der Allee könnte auf einer rund 4 ha umfassenden Fläche ein neues Wohngebiet mit 32 Bauplätzen entstehen, das so gestaltet sein soll, dass die gewohnte Blickachse auf das Missionshaus erhalten bleibt. Die angedachten vielfältigen Wohnoptionen sprechen unterschiedliche Lebensstile und Bedürfnisse an, wie z.B. Barriere-freiheit und soll somit auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen ein hohes Maß an Selbstständigkeit bieten.
Unter einem Teil der Wohnfläche soll eine Gemeinschaftsgarage unsichtbar in den Hang eingelassen werden, die dazu beitragen soll, den Verkehr im Wohngebiet zu minimieren und statt parkender Autos vor allem die Natur sichtbar zu machen.
Multifunktional nutzbares Bauwerk
Daran angrenzend ist in Richtung Missionshaus ein multifunktional nutzbares Bauwerk vorgesehen, dessen Gebäudeteile sich durch Terrassierung ebenfalls so in den Hang einfügen, dass nur der Eingang und das begrünte Vordach sichtbar sind. Von einer Kindertagesstätte über eine Hochschule und Start-Ups bis hin zu Behindertenwerkstätten ist hier alles denkbar, vor allem durch die auch dort berücksichtigte Barrierefreiheit.
Gegenüber, auf dem ehemaligen Parkplatz, soll sowohl eine Bushaltestelle entstehen als auch ein begrüntes und damit fast unsichtbares Parkhaus in den Hang eingelassen werden, welches ebenfalls dafür sorgt, dass der Verkehr auf dem Gelände minimiert werden kann.
„Green Living“ als Leitbild
Bei all diesen Planungen stand und steht immer das Leitbild „Green Living“ im Vordergrund, welches den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und die harmonische Verbindung von Lebensraum und Umwelt in den Mittelpunkt rückt. Angesichts des denkmalgeschützten Wahrzeichens wurde bei der Planung der Ergänzungsbauten eine sensible Formsprache gewählt, die dem Verlauf der Topografie folgt und die moderne, überwiegend in Holzbauweise gehaltene Architektur, in den historischen Kontext integriert.
Ein innovatives Energie- und Ressourcenkonzept sorgt mit Strom aus Photovoltaikanlagen, einem Nahwärmenetz aus oberflächennaher Geothermie und Wärmerückgewinnung aus Grauwasseranteilen, zusätzlicher Solarthermie, Regenwasserversickerung und -rückhaltung, Biomassenutzung und einem auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Mobilitätskonzept für ein möglichst autarkes Quartier.
„Es ist ein schwieriges Projekt, es ist eine Option und das geht nur, wenn alle an einem Strang ziehen, die Bürgerinnen und Bürger müssen das auch wollen“, betont der Architekt Giarrazzo.
Der Bebauungsplan
Sarah End von der KERNPLAN Gesellschaft für Städtebau und Kommunikation mbH erläuterte das Bebauungsplanverfahren. Der Bebauungsplan umfasst 26 ha, noch sei unklar, ob auch Landschaftsschutzgebiet betroffen sei. Sie versichert, dass der Planung, wie sie in der Pressekonferenz und dem Stadtrat vorgestellt wurde, genauso im Bebauungsplan aufgenommen wird. Wird der Bebauungsplan genehmigt, ist eine spätere Abweichung der Pläne kaum mehr möglich. Man hofft auf eine Genehmigung bis September, da der Kaufoptionsvertrag bis Oktober gültig ist.
Kritik der Bürgerinitiative an den Plänen
Einer anonymen Bürgerinitiative lag ein Teil der Pläne vor. Wie sie daran gekommen ist, ist unklar. Kritik äußert die BI vor allem an der Informationspolitik der SG Strukturholding. Diese erläuterte hierzu heute: Vor einem Beschluss des Stadtrates könne man mit den Plänen nicht an die Öffentlichkeit gehen. Auf ein Schreiben der BI hin, hätte man diese Eingeladen, sich die Pläne anzuschauen und ihr alle Fragen zu beantworten, darauf kam bislang keine Antwort, so Dirk Hoffmann, Vorstandsvorsitzender der KSK. Es seien Gerüchte im Umlauf, von denen man nicht wisse, wie sie entstehen konnten, die man aber widerlegen können.
Am 20. April soll außerdem eine Informationsveranstaltung für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger im Missionshaus stattfinden.
Pater Heck sprach abschließend von einer „win-win-win-win-Situation“ für die Steyler Missionare, die Strukturholding, die Stadt und die Bevölkerung.
Wie geht es jetzt weiter? Die Abstimmung im Stadtrat
Soeben wurden die Vorentwürfe (zum Bebauungsplan und zum Flächennutzungsplan) sowie die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden durch den Stadtrat gebilligt. Entscheidungen im Geheimen wies der Rat zurück, ebenso wie die Strukturholding, die die Pläne im Rahmen der Stadtratssitzung heute vorgestellt hat. Das voll besetzte Haus zeigte das große Interesse der Bürgerinnen und Bürger an diesem Tagesordnungspunkt.
Sebastian Schorr (CDU): „Die Präsentation hat viele Fragen, Sorgen und Gerüchte aufgeklärt und beantwortet.“ Hiernach könne man laut dem Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Stadtrat nicht von Intransparenz sprechen. Schorr betont, dass das Gesamtareal nicht nur das Missionshaus umfasst, welches während der gesamten Planung im Blick war und nach dem Green-Living-Konzept gestaltet werden sollte. „Der vorgestellte Plan stellt einen Strukturwandel dar und wird die Zukunft des heiligen Berges sichern“, so Schorr, der die Chance sieht, mit dem Projekt auch eine Zukunft für St. Wendel zu schaffen und darüber hinaus eine Renaissance des Missionshausareals, welches sich sonst dem Schicksal einer Ruine hingeben müsste. Es sei im Sinne von St. Wendel, dass das der Geist des Wahrzeichens erhalten bleibt. Die CDU-Fraktion könnte sich nun auch eine Grundschule im Grünen vorstellen. Schorr: „Diese Frage wird aber nicht heute zu beantworten sein, sondern in den nächsten Schritten diskutiert.“ Gegenüber den Gerüchten der jüngsten Zeit und der Vorstellung der Bürgerinitiative am vergangenen Samstag äußerte Schorr seine Irritation und möchte alle Bürgerinnen und Bürger dazu einladen, das Konzept konstruktiv zu begleiten.
Der größte Punkt, an dem sich der Unmut breit mache, sei laut dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Stadtrat, Marc André Müller, die Wohnbebauung. An diesem Punkt habe auch die Fraktion selbst noch Bauchschmerzen. Genaue Zahlen (Wohnungsmenge, Wohnungsgröße, Mietpreise) konnten die an der Planung Beteiligten zum jetzigen Zeitpunkt selbstverständlich nicht nennen, da nun erstmal ein Bebauungsplan vorliegt, der je nach Bedarf realisiert wird. Einigkeit äußerte Müller in dem Streben danach, das St. Wendeler Wahrzeichen in Form des Missionshauses zu erhalten. „Wir haben das Pferd hier von hinten aufgesattelt. Es wäre wesentlich besser gewesen die Bevölkerung von Anfang an zu informieren. In der Entscheidungsfindung sind wir aber im Interesse der Bürgerinnen und Bürger hier. Wir sollten diese Entscheidung heute vertagen und nach einer Bürgerinformation nach bestem Wissen und Gewissen treffen. Ohne Sicherheiten können wir dem Beschluss so nicht zustimmen“, so Müller abschließend.
Sören Bund-Becker (Grüne) stimmte seinem Vorredner zu. Die Ideen seien sehr gut, aber in den letzten Monaten habe man so viel gemacht, dass die Grünen jetzt nicht mehr zustimmen können. Das Problem sei die Kommunikation. Der Kritik schloss sich auch Joachim Zerfaß (Die Linke) an, der vor allem die Notwendigkeit der Wohnbebauung in Frage stellte. Stephan Rieth war sich sicher, dass beide Meinungsgruppen zueinander finden könnten. Zur Lösung des Konflikts brauche man die Hilfe des Architekten. Die Menschen wollten verstehen, um was es eigentlich geht, dazu fehlte noch so mancher Baustein. „Wir wollen alle, dass das Missionshaus erhalten bleibt. Es ist unsere Pflicht, heute auf die Bevölkerung einzugehen. Die Fotos der Pläne sind beeindruckend, doch die Bäume werden wir in dieser Größe nicht mehr erleben,“ kritisiert Uta Sullenberger (Die Grünen) das Konzept – nur einer ihrer vielen Kritikpunkte. Am Ende bezeichnet sie den Plan als „Green Washing“ und hofft, dass das Konzept nicht den Kannibalismus unserer Stadt bedeutet. „Das Leben selbst habe keine Sicherheit.“ In einer Planungssituation müsse man Entscheidungen treffen, so Rudolf Arzten (AfD). Man müsse der Bevölkerung Gehör leisten, aber auch weiterkommen und positiv nach vorne schauen.
Die Strukturholding zeigte sich allgemein irritiert über die Diskussion im Stadtrat. Ein Gesamtkonzept wie dieses, entstehe nach Bedarf und würde entsprechend realisiert werden. Zum Gesamtkonzept würde modernes Wohnen, modernes Arbeiten und Bildung passen. Laut Pater Heck fühlen sich die Steyler Missionare mit einer solchen Diskussion übergangen. Sie können die Kosten nicht mehr tragen und haben nach 15 Jahren endlich einen passenden Investor gefunden. Sie stünden unter mehr Druck als jedes einzelne Stadtratsmitglied, so Pater Heck: „Bitte denken Sie auch an uns, an die Stadt und an das Wohl der Bürger“.
Mit der Mehrheit der CDU konnten die Vorentwürfe (zum Bebauungsplan und zum Flächennutzungsplan) sowie die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden durch den Stadtrat gebilligt werden.