Kolumne von Julian Schneider

Der Ausbildungsmarkt – Licht am Ende des Tunnels?

Symbolbild

Das Jahr 2022 war eines der schwierigsten Ausbildungsjahre der vergangenen Jahrzehnte. 47 Prozent der Ausbildungsbetriebe gaben gegenüber der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) an, dass sie 2022 nicht alle Lehrstellen besetzen konnten – so viele wie noch nie und doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurden im Jahr 2022 insgesamt 469.900 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Das ergibt im Vergleich zum Jahr 2021 zwar ein leichtes Plus von 0,8 Prozent, im Vergleich zum Jahr 2012 allerdings ein Minus von 14 Prozent (absolute Zahl: -75.400 Ausbildungsverträge).

Inzwischen zeigen sich Anzeichen einer leichten Erholung am Ausbildungsmarkt. Die Handwerkskammer des Saarlandes (HWK) verzeichnete im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von über sechs Prozent mehr abgeschlossene Ausbildungsverträge (Stand 31. Juli 2023). Die Industrie- und Handelskammer des Saarlandes (IHK) hat am 04. September 2023 bekanntgegeben, dass im Vergleich zum Vorjahr 7,7 Prozent mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen wurden. Diese Entwicklung scheint sich auf die Jugendlichen (14- bis 25-Jährige) zu übertragen. In der Studie der Bertelsmann-Stiftung „Ausbildungsperspektiven nach Corona“ gaben 72 Prozent der Jugendlichen an, dass sie an dem Ausbildungsmarkt gute bis sehr gute Chancen sehen

Hält diese positive Tendenz nun nachhaltig an? Werden die Betriebe auf der Suche nach Auszubildenden in Zukunft keine großen Probleme mehr haben?

Eine überschwängliche Freude über eine nachhaltige Verbesserung am Ausbildungsmarkt käme zu früh. Die vielzitierte demografische Entwicklung sorgt dafür, dass es weniger Schulabsolventen gibt und damit im Umkehrschluss weniger Auszubildende. Außerdem passen die angebotenen Ausbildungsstellen und abgegebenen Bewerbungen nicht immer zueinander. Dasselbe gilt unterdessen auch für den umgekehrten Fall. In der schon zitierten Ausbildungsstudie der DIHK haben 67 Prozent der Unternehmen angegeben, dass die abgegebenen Bewerbungen nicht zur ausgeschriebenen Stelle gepasst haben. Diese Entwicklung ist wohl eine Folge der Qual der Wahl, welche die Schülerinnen und Schüler inzwischen haben. Es gibt in Deutschland über 300 Ausbildungsberufe. Diese vielfältigen Möglichkeiten führen zu einem höheren Komplexitätsgrad. Bei Schülerinnen und Schülern entsteht das Gefühl des „Fear of missing out (FOMO)“. Dahinter verbirgt sich die Angst, doch eine falsche Entscheidung getroffen zu haben und etwas zu verpassen. In der Folge wird die Berufswahl nach hinten geschoben, die schulische Bildung weiter fortgesetzt und ein Studium begonnen. Diese Entscheidungen führen wiederum zu niedrigeren Azubi-Zahlen.

Die Liste der Ursachen des schwierigen Ausbildungsmarktes lässt sich sicher noch weiter fortführen. An der Ausgangslage wird sich wohl aufgrund der Demografie in unserem Land langfristig nichts ändern: Der Ausbildungsmarkt ist schon längere Zeit zu einem Bewerbermarkt geworden. Das heißt, dass es mehr verfügbare Stellen als Auszubildende gibt. Dieses zahlenmäßige Ungleichgewicht führt dazu, dass Unternehmen in der Personalgewinnung weiter kreative Wege gehen müssen („Recruitainment“) und der Übergang von Schule in den Beruf an Praxisnähe gewinnen muss. Mit Blick auf die Gewinnung ausländischer Auszubildende sind mit dem neuen Einwanderungsgesetz gute Signale gesetzt. Es braucht hier noch einen entschiedenen Bürokratieabbau, damit dieser Baustein gelingt. Nur wenn auf all diesen Ebenen zielgerichtete Schritte unternommen werden, kann der größten unternehmerischen Herausforderung unserer Zeit lösungsorientiert entgegengetreten werden.

Kolumnist: Julian Schneider, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft St. Wendeler Land mbH
Kolumnist: Julian Schneider, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft St. Wendeler Land mbH

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