
Das Jahr 2022 neigt sich dem Ende. Diese verrückte Welt scheint teilweise still zu stehen. Das Gefühl von Entschleunigung tritt ein.
Eigentlich. Denn das Abschalten fällt manchen Menschen trotz dieser besinnlichen Zeit nicht leicht. In einer repräsentativen Befragung des Bitkom e. V. dieses Jahres haben sieben von zehn Berufstätige angegeben, in Urlauben für berufliche Anliegen erreichbar zu sein. In einer Studie von LinkedIn, die das Marktforschungsinstituts YouGov durchgeführt hat, gaben vier von fünf befragte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an, sich von ihrer Arbeit gestresst zu fühlen. Es scheint grotesk, dass sich dieser Stress auch in die besinnlichste Zeit des Jahres überträgt. Weihnachten ist schließlich zwischen den Tagen und vor Silvester: Die beruflichen Herausforderungen des neuen Jahres spitzen schon über die Schulter. Projektabschlüsse des Jahres müssen noch erledigt werden. Freunde und Familien sind in der Heimat und möchten alle in dieser Zeit besucht werden. Die Silvesterplanung ist auch noch zu erledigen. Wieder ist man zu spät dran! Supermärkte und Discounter sind überfüllt, trotzdem muss man hin…
Chill‘ doch mal! Gerade jetzt kann doch für viele Menschen ein wesentlicher Anker sein, um sich selbst ein Stück weit rauszunehmen. Klar, es gibt Berufsgruppen, die das in diesen Tagen nicht können. Doch auch für sie kann schon ein bewusst wahrgenommener, freier Tag mentale Berge versetzen. Wesentlich bei all den Aufgaben ist die eigene Reaktion auf eine Stressphase. Zunächst einmal ist Stress natürlicher Hormonmechanismus von uns Menschen. Die Neandertaler bereiteten sich mit der Stressfunktion des Körpers auf lebensbedrohliche Situationen vor. Deswegen hatte Stress immer eine wesentliche Funktion und hat diese heute immer noch. Allerdings ist es heute nicht mehr zwingend notwendig, vor einem Säbelzahntiger zu flüchten. Doch zur Wahrheit gehört auch dazu: Negativer Stress ist nicht selten selbst gemacht: Viele Menschen glauben daran, immer und überall erreichbar sein zu müssen. Das ist zunächst einmal aller Ehren wert und zeigt die Identifikation zur Sache. Doch der Glaube, bei teilweise eigener Unerreichbarkeit unwichtig zu sein und den Aufgaben nicht gerecht zu werden, ist ein Trugschluss. Niemand ist unverzichtbar. Vielmehr noch: Ohne eigene Schaffenspause sinkt das Energie- und Kreativitätslevel. Die stetige Erreichbarkeit wird zum Boomerang und reduziert die eigenen Ergebnisse. Wer bessere Ergebnisse erzielen möchte, sollte sich Pausen nehmen.
Der Profi-Sport ist hier schon um ein Vielfaches weiter als die Wirtschaftswelt. Den Profis fällt es dabei genauso schwer, sich zu bremsen. Ich glaube, es war der ehemalige Tennisprofi Andre Agassi, der im Wortlaut einmal etwas sagte wie: Das mitunter Schwierigste an meiner Karriere waren die Momente des Nichtstuns. (To Mr. Agassi: I’m sorry, if I misquoted you!). Der Köper vermeidet mit gezielten Pausen Übertraining, was unter anderem zu chronischer Müdigkeit, Leistungsreduktion oder Gewichtszunahme führen kann. Dieser Grundgedanke sollte öfters auf die Wirtschaftswelt übertragen werden. Nimmt man sich die Zeit des Abstands, entstehen neugewonnene Ideen. Motivation und Freude werden völlig neu geschöpft.
Was ist also zu tun? Jeder kennt für sich selbst den besten Weg des Abschaltens. Einer liest ein gutes Buch und schaltet ab. Dem anderen hilft ein Bad mit dem Lieblings-Podcast. Der Dritte bekommt bei einer Jogging-Runde den Kopf frei. Eine erstaunliche Wirkung kann auch mit Digital Detox erreicht werden. Hier hilft es schon, das Smartphone für drei bis vier Stunden beiseitezulegen. Also: Wann steht diese Welt im Jahr schon derart still? Diese Zeit sollte man versuchen zu genießen, um mit neuer Power in das Jahr 2023 zu starten. In diesem Sinne einen Guten Rutsch in das neue Jahr!