Neue Technologien und Medien liefern kontinuierlich neue Daten und Informationen, die es von unserem Gehirn zu verarbeiten gilt. Gleichzeitig versprechen sie uns große Zeitgewinne, die das Leben erleichtern sollen: Von der E-Mail erhofften wir, dass uns der Postweg, mit allem was dazugehört, erspart bleiben würde. Im Ergebnis kämpfen wir täglich mit einer schieren E-Mail- Armada, die uns gefühlt zu jeder Tages- und Nachtzeit überfällt. Nach und nach entstanden
sogenannte Instant Messenger, wie WhatsApp, die uns den Kontakt noch unbürokratischer und einfacher gestalten sollten. Ergebnis: 58 Nachrichten in 17 Chats. Es folgte die zunehmende Integration von Videokonferenzen in den Arbeitsalltag, die uns Transfer- und Anfahrtswege ersparen sollte. Nun springen wir von Video-Call zu Video-Call und haben im besten Fall zwei Konferenzen gleichzeitig geöffnet. Dieses Spiel könnte man noch weiterspinnen, aber die Kernaussage ist klar: Die Arbeitswelt wird aufgrund der unüberblickbaren Datenmenge stetig komplexer, schneller und herausfordernder.
Es ist also nahezu eine logische Schlussfolgerung, dass wir uns in dieser komplexen Arbeitswelt in regelrechten Multitasking-Orgien verlieren können. Insbesondere dann, wenn wir nicht auf uns aufpassen. Multitasking ist wahrscheinlich vielen ein Begriff und beschreibt die zeitgleiche Bearbeitung mehrerer Aufgaben, die thematisch voneinander unabhängig sind. Wir beginnen damit einen Bericht zu schreiben, rufen nach fünf Minuten einen wichtigen Kontakt wegen eines anderen Projekts an und recherchieren während des Telefonats noch in einem Fachmagazin zu branchenbezogenen Trends. Es scheint schon beim Lesen dieses Beispiels offensichtlich, dass wir mit einer solchen Arbeitsweise langfristig keinen Blumentopf gewinnen können. Und dennoch zeigt die Realität, dass wir uns sehr häufig in eine solche Situation begeben: Eine Untersuchung des Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Kooperation mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) aus dem Jahr 2018 hat ergeben, dass die parallele Bearbeitung mehrerer, verschiedener Aufgaben bei 60 Prozent der befragten Personen immer häufiger vorkommt. Alltägliche Unterbrechungen im Arbeitsgeschehen sind bei nahezu 50 Prozent der Befragten angestiegen.
Eine Untersuchung der Stanford Universität aus dem Jahr 2020 hat sogar festgehalten, dass ein paralleler Medienkonsum das Erinnerungsvermögen von uns Menschen nachhaltig reduziert. Die Nachteile des Multitaskings reichen noch weiter: Das Stressniveau beim Arbeiten steigt an, da schlechtere Arbeitsergebnisse erzielt werden und ein zu viel an Aufgabenparallelität das Gefühl der Überforderung fördert. Folglich erhöht sich die Fehlerquote im eigenen Handeln. Vermeintlich geglaubte Zeitersparnisse verfliegen im Wind. Mit dem Hin und Her im Multitasking wird unsere Konzentrationsfähigkeit reduziert, da wir uns in diesem Bereich weniger fordern. Von großer Bedeutung: Wir fühlen uns auch weniger glücklich. Uns beschleicht das Gefühl, weniger getan zu haben und am Ende des Tages mit sehr geringen Ergebnissen da zu stehen. Klar ist, dass die verführerischen Ablenkungen überall bereitliegen. Social Media, Newsportale, Mails, Anrufe – viele Wege führen nach Multitasking. Es braucht also einen anderen Ansatz: Dem Phänomen des Multitaskings steht das sogenannte Monotasking gegenüber, bei dem der volle
Fokus auf eine einzige Aufgabe gerichtet wird. Wenn ich telefoniere, dann telefoniere ich auch wirklich nur. Ich lese keine Mails nebenbei, chatte nicht mit irgendjemanden bei WhatsApp oder lese dabei den regionalen Nachrichtenteil. Der Dalai Lama gilt als eine Koryphäe auf dem Gebiet des Monotaskings. Es heißt, dass er auf diesem Wege sechszehn Stunden am Tag konzentriert arbeiten könne, ohne sich dabei übermäßig gestresst zu fühlen. Und wenn schon der im Exil lebende Buddhist darin seinen Frieden findet, so mag da etwas dran sein, auch wenn nicht jeder sechszehn Stunden arbeiten muss. Doch wie schaffen wir es, in dieser hektischen Arbeitswelt den Fokus zu behalten und uns auf eine Sache zu konzentrieren? Hierfür gibt es viele unterschiedliche Lösungsansätze. Einer davon ist das sogenannte Timeboxing: Beim Timeboxing wird zunächst eine Aufgabe definiert sowie deren voraussichtlicher Zeitaufwand. Jetzt setzt man sich Deadlines und arbeitet die Aufgaben nach und nach ab. Zum Beispiel erstellt man zwischen neun und zehn Uhr die Präsentationsfolien und konzentriert sich auch wirklich nur auf diese Aufgabe. Diese Aufgabe wird mit einer inhaltlichen Deadline im Kopf verbunden: „Mindestens zehn Folien müssen um zehn Uhr fertig sein.“ Dadurch erhöht man den eigenen Konzentrationsgrad. Ein zweiter damit verbundener Ansatz ist die klassische Tagesplanung. Sie geht einen Schritt weiter und definiert nicht nur To-Dos, sondern auch Uhrzeiten. Jedoch muss der Tag nicht, wie bei Elon Musk, auf Fünfminuten-Schritte heruntergebrochen werden, sondern kann beispielsweise nur zur Hälfte geplant sein. Hier sind wir bei einem nächsten Punkt angelangt: Es macht häufig keinen Sinn, den gesamten Tag durchzuplanen. Eine Unvorhersehbarkeit kommt sicher immer dazwischen und unterbricht somit den gesamten Tag. Das demotiviert und lässt gute Vorsätze schnell verfliegen. Priorisierung der Aufgaben lautet also das Stichwort. Im Amerikanischen gibt es die Redewendung „Eat the Frog“, nach der zunächst die schwierigste, unangenehmste und größte Aufgabe des Tages angegangen wird. Eine wirkliche Priorisierung der Aufgaben kann Berge versetzen und verschafft ein hohes Maß an Produktivitätsgewinnen. Ein weiterer Tipp für das Monotasking liegt darin, die eingangs genannten Unterbrechungsquellen zu eliminieren. Es stellt sich also zunächst die Frage, welche Ablenkungen einen selbst betreffen. Die Klassiker: E-Mails, Instant Messenger (wie WhatsApp), soziale Medien oder Nachrichtenportale. Es hilft, diesen Informations- und Kommunikationsmedien am Tag feste Zeiten einzuräumen. Beispielsweise definiert man zwei- bis dreimal am Tag ein Zeitfenster, um Mails zu checken und diese zu beantworten. In der restlichen Arbeitszeit bleibt das Mailprogramm geschlossen. Ein weiterer Schlüssel kann auch darin liegen, sich für den Tag weniger Aufgaben vorzunehmen. Das klingt erst einmal komisch, schließlich will man mit dem Monotasking an einem Tag mindestens die Welt retten und noch mehr erreichen können. Nach der sogenannten Ivy-Lee Technik werden z. B. die sechs wichtigsten Aufgaben des nächsten Tages definiert und abgearbeitet. Seitenlange To-Dos sind gut gemeint, können jedoch nur selten abgearbeitet werden. Im Resultat hört man häufig damit auf, hilfreiche To-Do-Listen zu führen. Deswegen gilt für das Monotasking auch bei der Planung: Weniger ist mehr.
Sich zu fokussieren und dabei aktives Monotasking zu betreiben, hat Unmengen an Vorteilen: Man arbeitet schneller, erzielt produktivere Ergebnisse, fühlt sich glücklicher und weniger gestresst. Natürlich gibt es auch die Fähigkeit des Monotaskings nicht umsonst: Es bedarf einer gewissen Portion Disziplin, um langfristig die Gewohnheit des Monotaskings aufzubauen. Aber seien Sie sich Gewiss: Die Ergebnisse können sich sehen lassen.