WFG.Wirtschaftskolumne #02.2021: Smart, smarter, Smart City?! 


Julian Schneider Wirtschaftskolumne
Kolumnist: Julian Schneider, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH

Das St. Wendeler Land ist Modellregion für das Förderprojekt „Smart Cities made in Germany“. Den Elon Musk-Jüngern mag der Begriff „Smart City“ Freudentränen in die Augen treiben – doch uns Normalsterblichen ploppen dabei wohl eher Fragezeichen über den Köpfen auf. Das Wort „smart“ begegnet uns im Alltag an jeder Ecke. Vielleicht haben Sie sich auch schonmal gefragt: „Was bedeutet das überhaupt? Warum muss heutzutage immer alles ‚smart‘ sein? Was macht eine Region ‚smart‘ und wie verwirklicht der Landkreis St. Wendel seine Vision eines S(mar)t. Wendeler Landes?“ 

Schauen wir uns das Wort „smart” mal etwas genauer an: Man mag es kaum glauben, aber der Ursprung des Wortes liegt im Altgermanischen. Vor mehreren tausend Jahren bedeuteten die Worte „smert“ und „smeortan“ so viel wie „stechende, tiefe Schmerzen“. Im 14. Jahrhundert weiteten die Engländer die Bedeutung des Wortes aus. Mit „smart“ verbanden sie eine gewisse Schlagfertigkeit und Cleverness. Im 18. Jahrhundert leitete sich daraus die Umschreibung eines „smartly-dressed man“ (gut gekleideter Mann) ab, der nicht nur etwas von Mode verstand, sondern auch ein abgeklärtes, intelligentes und einfallsreiches Auftreten mitbrachte. Genau dieses Wortverständnis überdauerte die Französische Revolution, die Industrialisierung sowie den Ersten und Zweiten Weltkrieg: Bis heute wird von einem smarten Menschen gesprochen, wenn dieser über eine gewisse Intelligenz, Cleverness und Eleganz verfügt.



Eine Sache ist mit den Jahren jedoch hinzugekommen: Das Wort „smart“ bezieht sich längst nicht mehr nur auf den Menschen, sondern auch auf Objekte, Technologien und Prozesse. Ein direkter Objektbezug des Wortes ergab sich in den neunziger Jahren. Smart wurde zu einer Marke in der Automobilbranche: Die Daimler AG kooperierte mit Nicolas Hayek – gemeinsam schufen sie das kompakte „City-Coupé“ Smart. Damit war ein erster Grundstein für die Verbindung der Begrifflichkeit Smart und dessen technischen Anspruch gelegt, der sich heutzutage in nahezu jeden Gegenstand wiederfinden lässt: Smartphone, Smartwatch, smarte Glühbirnen, Smart Home, smarte Kaffeemaschine, smarter Kühlschrank… Das Angebot reicht sogar bis zu einer smarten Gabel, die beim Abnehmen helfen soll (ein Meilenstein der Technologieentwicklung, knapp hinter der Elektrizität). Alle Beispiele umschreiben den Grundsatz smarter Technologien: Physische Gegenstände werden mit dem Internet vernetzt und schaffen so eine nutzenstiftende Lösung. Sehen wir uns zum besseren Verständnis ein aktuelles Beispiel an: Der COVID-19 Impfstoff von Biontech und Pfizer muss bei einer konstanten Temperatur von -80 Grad Celsius transportiert und gelagert werden. Um die Kühlkette zu überwachen und den Anforderungen Rechnung zu tragen, greift die Pharmaindustrie auf Sensoren (= ein „Fühler“, der Informationen bzw. Daten aus der Umwelt erfasst) zurück, die die Temperatur des Impfstoffs erfassen und übermitteln. Dieser Prozess läuft automatisch, eine manuelle Messung ist nicht mehr nötig. Ein anderes Beispiel kommt aus der Abfallwirtschaft. Dort werden vereinzelt bereits heute Abfallcontainer mit Sensoren ausgestattet, die den Füllstand überprüfen und diesen an das Entsorgungsunternehmen melden. Vereinfacht lässt sich also sagen: Findet eine Verbindung zwischen einem greifbaren Gegenstand (z. B. eine Armbanduhr) und einer virtuellen Komponente (Internet) statt, kann von einem smarten Produkt, smarten Service oder einer smarten Dienstleistung gesprochen werden.

Smart Cities/Smart Regions

Dieses smarte Technikverständnis muss sich nicht zwangsläufig auf einen Gegenstand beziehen, sondern lässt sich auch auf ganze Städte bzw. Regionen übertragen. Hinter einer „Smart City“ verbirgt sich das Konzept einer nachhaltigen, zukunftsorientierten, technologischen und sozialverträglichen Stadt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch auch von der Stadt der Zukunft. Um die Idee einer smarten Stadt zu verwirklichen, bedarf es der Integration und Anwendung digitaler Technologien – allem voran das Internet der Dinge (IoT). Das IoT vernetzt Alltagsgegenstände mit dem Internet und ermöglicht Automatisierungsprozesse, wie die angesprochene automatische Übermittlung des Füllstands von Abfallcontainern an das Entsorgungsunternehmen. Die Potenziale eines solchen Konzepts sind auch unter städteplanerischen Gesichtspunkten enorm: Mit Blick auf den Klimawandel können, mit Hilfe smarter Stromnetze und intelligenter Verbrauchssteuerungen, der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) und der Energieverbrauch reduziert werden. Im Gesundheitsbereich lassen sich deutschlandweit durch Anwendung von „Smart City“-Technologien Milliarden Euro einsparen. Das internationale Beratungsunternehmen Roland Berger prognostiziert, dass der weltweite Markt für „Smart Cities”-Lösungen von 13 Mrd. Euro im Jahr 2017 auf 28 Mrd. im Jahr 2023 ansteigt. 

Mit sämtlichen „Smart Cities“-Maßnahmen ist die Zielsetzung verbunden, das Wohl der BürgerInnen zu steigern. Diese Steigerung des Gemeinwohls kann sich dabei auf diverse Bereiche beziehen: Mobilität, Verwaltungsdienstleistungen, Klimaschutz, Daseinsvorsorge und vieles mehr. Um eine „Smart City“-Vision zu verwirklichen, müssen alle Stakeholder (= Anspruchsgruppen bzw. Interessensgruppen) einer Stadt miteinbezogen werden. Hierzu zählen insbesondere die BürgerInnen, die Verwaltung, die Politik, die Wirtschaft, die Sozialpartner und das Ehrenamt. Wird gleichzeitig das „Smart Cities“-Verständnis in ein übergeordnetes Stadtentwicklungskonzept eingebunden, ist ein wichtiger Baustein eine zukunftsorientiere Entwicklung gelegt. 

Das S(mar)t. Wendeler Land

Was hat das Konzept einer Smart City nun mit dem Landkreis St. Wendel zu tun? Dem Landkreis St. Wendel wurde im vergangenen Jahr die große Ehre zuteil, vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) als „Modellregion Smart Cities“ ausgewählt zu werden. Durch das Förderprogramm haben Städten und ländlichen Gebieten die einmalige Möglichkeit, mit Hilfe der Digitalisierung die nachhaltige und integrative Entwicklung der eigenen Region zu unterstützen. Dem Landkreis St. Wendel stehen in den kommenden sieben Jahren ca. 17,5 Millionen Euro zur Verfügung, um „Smart City“-Lösungen in der Region zu erproben. In den ersten beiden Jahren wird eine Digitalisierungsstrategie entwickelt sowie erste Digitalisierungsmaßnahmen umgesetzt. In den darauffolgenden fünf Jahren steht die Umsetzung der „Smart-City“-Lösungen im Fokus. Dies geschieht ganz nach dem Motto: „S(mar)t. Wendeler Land – Digitale Antworten auf regionale Fragen“. Dahinter verbirgt sich die Idee, eine regionale und bedarfsgerechte Digitalstrategie zu entwickeln und nur solche Maßnahmen umzusetzen, die den Anforderungen unseres ländlichen St. Wendeler Lands bestens gerecht werden. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft St. Wendeler Land wird den Landkreis St. Wendel im gesamten Zeitraum als digitales Kompetenzzentrum unterstützen. Die BürgerInnen stehen beim Konzept des S(mar)t. Wendeler Lands im Mittelpunkt. Es wird eine spannende Reise, die bald beginnt. Bleiben Sie gespannt!

Zum Autor: 

Julian Schneider ist seit Januar 2021 Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft St. Wendeler Land MBH. In seiner, immer am letzten Donnerstag des Monats erscheinenden Kolumne bringt er Wirtschaftsthemen verständlich und hochaktuell ins St. Wendeler Land.

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