„Herr Büch, was halten Sie davon, wenn wir gegen die Klassenstufe 12 des Gymnasiums
Wendalinum ein Fußballspiel organisieren?“ Mit diesem Anliegen stand Matthias Gard, ein Schüler des aktuellen Abiturjahrgangs am Cusanus-Gymnasiums, nach den Winterferien im Büro des kommissarischen Schulleiters. Dabei ging es zunächst darum, die Kasse für die Abiturfeier zu füllen. Doch schon bald stellten die Abiturienten beider St. Wendeler Gymnasien die eigenen Interessen hintan, um stattdessen ein Zeichen der Solidarität mit den Menschen in der Ukraine zu setzen und durch den Erlös aus dem Verkauf von Speisen und Getränken zu spenden. Nachdem das Liegenschaftsmanagement der Stadt St. Wendel geklärt hatte, dass aus städtisch- administrativer Sicht dem Spiel prinzipiell nichts im Wege stehen würde, einigten sich die Schulleitungen des Cusanus-Gymnasiums und des Gymnasiums Wendalinum auf Freitag, den 1. April.
„Gemeinsam überlegten wir, welche Klassen in der 5. und 6. Stunde an diesem Freitagvormittag als Fans im Sportzentrum verbringen würden“, erzählt Holger Büch. Sofern keine Kursarbeiten oder andere Leistungsnachweise anstünden, sollten die Klassenstufen 8 bis 11 mit ihren Fachlehrerinnen und Fachlehrern zu dem Benefiz-Spiel ins Sportzentrum gehen, um ihre Mannschaften anzufeuern und natürlich durch den Verzehr von Würstchen, Kuchen und Getränken, die Spendenkasse zu füllen, denn das war ja das eigentliche Anliegen der Abiturienten. In der Woche vor dem Spiel kletterte das Thermometer kontinuierlich bereits am frühen Vormittag auf frühsommerliche Temperaturen, der Platz wurde bestellt, die Eltern bereiteten sich auf das Kuchenbacken vor und die Fußballer kauften Getränke, Würstchen und Brötchen. Der Kontext für ein großes Fußballfest war bereitet. Mit der Rückkehr des Winters am Vortag konnte niemand rechnen. Es war kalt, nasskalt. „Der Rasenplatz im Sportzentrum war nicht so vorzubereiten, dass er bespielbar gewesen wäre. Dort hätten wir eine Tribüne gehabt und wenigstens die Zuschauer hätten ihre Mannschaft im Trockenen anfeuern können“, erklärt Büch den sponatnen Umzug auf den Kunstrasenplatz oberhalb des Sportzentrums. Zwar war es mit frischen zwei Grad Celius nicht besonders einladens, doch es regnete wenigstens nicht. „So manche Kollegin oder so mancher Vater, der zum Spiel ins Sportzentrum anreiste, hätte sich anstelle von Mineralwasser, Cola und Fanta lieber einen ordentlichen, wärmenden Glühwein gewünscht“, so Büch, aber im Sinne der guten Sache, stellten viele Zuschauer die eigenen Bedürfnisse hintan und die Spieler auf dem grünen Rasen brauchten ohnehin keine warmen Getränke, denn sie gaben alles. Und dies vor allem mit viel Spaß und einer gesunden Prise Humor. Da tat es auch nichts zur Sache, dass der Schiedsrichter nicht unparteiisch war, kam er doch aus den Reihen des Gymnasiums Wendalinum und ließ in der zweiten Hälfte des Spiels tatsächlich ganze 15 Minuten nachspielen, weil er sich wohl davon erhoffte, dass „seine“ Schule noch den Ausgleich erzielen würde, mumaßt der kommissarische Schulleiter des Cusanus-Gymnasiums augenzwinkernd.
Die fast 500 Zuschauer auf dem Kunstrasenplatz im Sportzentrum erlebten ein schnelles Spiel von beiden Seiten, in dem die Wendalini mit 1:0 in Führung gehen konnten. Das Cusanus-Gymnasium gab sich nicht auf und die mitgereisten Fans feierten ihre Mannschaft weiter frenetisch an. Nach einem unzweifelhaften groben Foul im 16-Meter-Raum des Gymnasiums Wendalinum konnte das Cusanus- Gymnasium den anschließenden Foulelfmeter verwandeln und glich somit aus. Das 2:1 des Cusanus- Gymnasiums kurz nach Wiederanpfiff war verdient und zeigte den Weg: Man hatte das Spiel gedreht. Ein herrlich herausgespieltes 3:1 kurz vor dem eigentlichen Ende – die Schulleitungen hatten sich auf zweimal 35 Minuten geeinigt – sollte nicht mehr einzuholen sein. Doch der „Man in Black“, der wohl gerne zu einem solchen Helden wie Will Smith in dem gleichnamigen – nur eben Men im Plural – Kinostreifen geworden wäre, wollte und wollte das Spiel nicht abpfeifen. Selbst die friedlichen und gut gelaunten Zuschauer konnten sich ein schallendes „Schiri, pfeif ab!“ nicht mehr verkneifen, weil a) die Temperaturen mittlerweile gefühlt unter 0 Grad Celsius gerutscht waren und weil b) das Gymnasium Wendalinum noch den Anschlusstreffer in der 9. Minute der „Nachspielzeit“ erzielte. Um 13.00 Uhr hatte der eigentlich Unparteiische ein Einsehen und beendete das Spiel. „Das anschließend geschossene Gruppenfoto der beiden Mannschaften war der beste Schuss des Tages, denn er machte eines ganz deutlich: die Abiturienten dieses Jahrgangs stehen zusammen und haben dieses Fußballspiel zu einem echten Event gemacht, auf das beide Schulen mächtig stolz sein können. Und natürlich auch Rainer Bommer. Denn selbstverständlich standen auch Spieler des Arnold- Janssen-Gymnasiums auf dem Platz“, resümiert Holger Büch. „Man kann über unsere Schülerinnen und Schüler vieles sagen. Ja, sie haben manchmal ihre Hausaufgaben nicht gemacht, ja, sie hätten manchmal besser vorbereitet in die eine oder andere Klausur gehen können. Das alles mag stimmen. Aber was das Fußballspiel gezeigt hat, ist doch, dass sie sich Gedanken gemacht haben und dass sie sich ihrer gesellschaftlichen und moralischen Verantwortung bewusst sind. Und darauf können die Lehrerinnen und Lehrer mächtig stolz sein, denn das gehört auch zum Reifeprozess dazu.“ Viel Lob für die Abiturienten, die sich durch ihr Engagement solidarisch mit den Opfern im Ukraine-Krieg gezeigt haben, aber das ist wohlverdient. „Mögen sie sich diese Sozialkompetenz bewahren und möge vor allem das sinnlose Sterben und das barbarische Blutvergießen in der Ukraine irgendwie bald ein Ende haben.“
600 € haben die Schülerinnen und Schüler mit Getränken, Kuchen und Würstchen zusammenbekommen. Geld, das sie für den guten Zweck spenden, obwohl sie selbst aufgrund der Pandemie kaum Gelegenheit hatten, Geld für die Abiturkasse und eine stattliche Feier am Ende ihrer Schullaufbahn zu erwirtschaften.