Breitbeinig stehen sie sich im Staub der Straße gegenüber, die Läufe der Colts blitzen in der Mittagssonne. Durch die zusammengepressten Zähne entweicht der Satz:
„Mach Dein Testament, Gringo!“
Ob dieser Satz damals im Wilden Westen jemals so gefallen ist, ist nicht überliefert. Als Kulturgut ist er jedenfalls durch zahllose Western im kollektiven Bewusstsein verankert.
Die Aufforderung dürfte dabei eher nicht wörtlich zu verstehen sein, da dem Angesprochenen wohl kaum die nötige Zeit zum Abfassen einer formwirksamen letztwilligen Verfügung (dazu sogleich) bleiben dürfte. Das Gegenüber soll vielmehr mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert und dadurch mental geschwächt werden. Wir haben es also mit einer Spielart der psychologischen Kriegs¬führung zu tun, und eher nicht mit der aufrichtigen Sorge darüber, der Angesprochene könnte seinen Hinterbliebenen einen ungeregelten Nachlass hinter¬lassen.
Auf den ersten Blick weniger melodramatisch erscheint dagegen die Aufforderung, man möge doch ein Testament errichten, wenn diese aus dem Mund der sich sorgenden Kinder kommt. Gleichwohl ist es nicht unbedingt abwegig, auch hierin eine Form der psychologischen Kriegsführung zu vermuten, insbesondere wenn damit eine bestimmte, von der gesetzlichen Erbfolge abweichende Verfügung bewirkt werden soll. Hier schwingt dann nicht selten die unter¬schwellige Drohung der sorgenden Kinder mit, dem alters-gebrechlichen Elternteil könnte andernfalls in seinen letzten Tagen etwas weniger liebevolle Aufmerksamkeit zuteilwerden. Es ist daher menschlich verständlich, wenn der eine oder andere auf diese Weise durch sanften Druck zum Testator wird.
Bei der Abfassung eines Testaments sind aber durchaus einige Besonderheiten zu beachten. Aus der Zeit gefallen mag es beispielsweise heute erscheinen, dass ein Testament nur dann formgültig verfasst ist, wenn es vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben wurde. Hilfsmittel wie Schreibmaschine oder Computer sind ebenso wenig erlaubt wie Zeichnungen oder Skizzen. Wer schreibt, der bleibt, wie der Volksmund sagt. Bei Verheirateten (und seit einigen Jahren auch bei eingetragenen Lebenspartnern) hat der Gesetzgeber immerhin ein Einsehen und lässt es genügen, wenn nur einer der Partner den letzten Willen vollständig ausformuliert niederschreibt, sofern das Dokument durch die Unterschriften beider Partner abgeschlossen wird. Weitere gesetzliche Ausnahmen von der Handschriftlichkeit dürften im täglichen Leben eher selten hilfreich sein, beispielsweise die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, seinen letzten Willen mündlich vor mindestens drei Zeugen zu erklären, wenn man sich in naher Todesgefahr befindet (§ 2250 BGB) oder auf einer Seereise an Bord eines deutschen Schiffes außerhalb eines inländischen Hafens ist (§ 2251 BGB). Sollten Sie also ihren nächsten Urlaub an Bord der „Aida“ verbringen, können Sie zur Erheiterung der Gesellschaft beim abendlichen Gala-Diner anstelle eines Trinkspruches Ihren letzten Willen zum Besten geben. Ein formwirksames Testament wäre dadurch errichtet.
Wer eine notorisch schlechte Handschrift hat oder gar des Schreibens unkundig ist, dem bleibt nur der Weg zum Notar. Das notariell beurkundete Testament ist selbstverständlich in jedem Fall formwirksam – fachkundige Beratung inklusive (das Erbrecht hat bekanntlich seine Tücken).
Manche scheuen dagegen den Weg zum Notar aus nachvollziehbaren, wenngleich nicht unbedingt billigenswerten Gründen. So möglicherweise die Tochter, die der Mutter den letzten Willen in einem Akt treu sorgender Zuvorkommenheit gleich eigenhändig vor-geschrieben hatte, so dass die Mutter lediglich noch die Unterschrift daruntersetzen sollte (Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 12.07.2016, Az. 10 U 83/15). Was diese auch getan hat. Geholfen hat es der Tochter, die hierdurch ihrem eigenen Kind einen wesentlichen Teil des Vermögens der Erblasserin zukommen lassen wollte, im Ergebnis nicht. Mangels Eigenhändigkeit war das Testament unwirksam.
Dennoch ist die Tochter mit einem blauen Auge davongekommen: Den Vorwurf der Urkundenfälschung wies das erkennende Oberlandesgericht zurück. Auch bleibt der Tochter – die durch ein früheres, notariell errichtetes Testament bereits enterbt wurde – ihr Pflichtteil. Das Verhalten der Tochter führe nicht dazu, dass diese ihren Anspruch auf den Pflichtteil verwirkt habe, so die Richter. Und das, obwohl die Tochter zunächst noch an Eides statt versichert hatte, die Mutter habe das Testament in ihrer Gegenwart selbst geschrieben und unterschrieben.
Autor des Beitrags ist der St. Wendeler Notar Jürgen Metzger.