Der Landtagsabgeordnete Dr. Magnus Jung ist seit dem Jahr 2006 Kreisvorsitzender der SPD in St. Wendel. Aber der promovierte Politikwissenschaftler legt seinen Schwerpunkt nicht nur auf die Landespolitik, wo er als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion tätig ist, auch die Kommunalpolitik liegt ihm sehr am Herzen. Seit dem Jahr 2009 ist er Ortsvorsteher seines Heimatortes Kastel. Weiterhin führt er die SPD-Fraktion im Kreistag. Ehrenamtlich engagiert sich der 44-jährige als Präsident des Vereins „Was geht?!“, der als Träger unter anderem für einige Jugendbüros im Landkreis zuständig ist. wndn.de sprach mit ihm über die Politik im Kreis.
wndn.de: „Herr Dr. Jung, Sie sind innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Sehen Sie die Flüchtlingskrise für den Landkreis als Chance oder Risiko?“
Dr. Magnus Jung: „Die große Zahl an Flüchtlingen, die bei uns ankommen und untergebracht werden müssen, ist zunächst mal eine große Herausforderung. Aber es ist eine Herausforderung, die wir als Landkreis auch bewältigen können. Wir sind, zumindest was das Thema Unterbringung betrifft, derzeit gut aufgestellt. Alle Bürgermeister bestätigen, dass auch in den nächsten Monaten ausreichend Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann. Dies liegt natürlich auch daran, dass der Landkreis in den letzten Jahren über 6.000 Einwohner verloren hat. Insofern sind wir sicherlich dazu in der Lage, 1.000 oder 2.000 Menschen räumlich bei uns aufzunehmen.
Am schwierigsten wird sicherlich die Integration in unsere Gesellschaft und den Arbeitsmarkt, denn die Unterschiede zwischen Deutschland und den Herkunftsländern sind in vielerlei Hinsicht doch sehr groß. Ich stelle jedoch fest, dass die Menschen, die zu uns kommen, sehr motiviert sind, die deutsche Sprache zu lernen und sich in die Gemeinschaft einzubringen. Die Herkules-Aufgabe der Integration wird in den nächsten Monaten und Jahren auf uns zukommen, aber ich sehe insgesamt mehr Chancen als Risiken.“
wndn.de: „Viele Menschen sehen die innere Sicherheit, z.B. durch die steigende Zahl der Wohnungseinbrüche, in Gefahr. So wurde auch im Landkreis St. Wendel die Polizeiinspektion Türkismühle personell ausgedünnt und teilweise nicht mehr rund um die Uhr besetzt. War es ein Fehler bei der Polizei zu sparen?“
Dr. Magnus Jung: „Das Saarland ist ein sicheres Bundesland und der Landkreis St. Wendel ist der sicherste Landkreis im Saarland. Nichtsdestotrotz muss die Polizei natürlich auf aktuelle Entwicklungen eingehen, was sie auch getan hat. Es wurde etwa eine Sondereinheit aufgestellt, die sich mit Einbruchskriminalität beschäftigt und bereits Erfolge vorweisen kann.
Die Frage der Personalisierung in Türkismühle hat nach meiner Einschätzung keine besonders große Auswirkung. Wir haben gemeinsam mit der Gewerkschaft der Polizei im Jahr 2011 vereinbart, 300 Stellen im Saarland einzusparen. Am Ende der Reform werden wir immer noch mehr Personal zur Verfügung haben als viele andere Bundesländer. Dennoch muss im Zuge dieser Reform immer wieder überprüft werden, ob es nicht doch einer Nachjustierung bedarf.“
wndn.de: „Sie sind nicht nur Landes- sondern auch Kommunalpolitiker. Hand aufs Herz, was macht mehr Spaß?“
Dr. Magnus Jung: „Das kann man nicht eindeutig beantworten. Sowohl in der Landes- als auch in der Kommunalpolitik gibt es sehr vieles, was Spaß macht und interessant ist. Beide Bereiche sind jedoch auch mit Auseinandersetzungen und schwierigen Punkten verbunden und generell finde ich es gut, in beiden Bereichen tätig zu sein. In der Landespolitik hilft mir die kommunale Erfahrung und umgekehrt kann ich der Kommunalpolitik vieles umsetzen, weil ich in der Landespolitik eine Rolle spiele.“
wndn.de: „Nervt Sie das „Klein-Klein“ eines Ortsvorsteherjobs nicht manchmal?“
Dr. Magnus Jung: „Nein, überhaupt nicht. Es ist auch kein „Klein-Klein“, sondern es geht im Ortsrat um die Dinge des Alltags, Dinge, die für viele Menschen von besonderer Bedeutung sind und das muss man einfach ernst nehmen.“
wndn.de: „Im Kreistag sind Sie Fraktionsvorsitzender der SPD. Was sind aus Ihrer Sicht derzeit die größten Herausforderungen, vor denen der Landkreis steht?“
Dr. Magnus Jung: „Es geht zum einen darum, den demographischen Wandel in unserer Region zu gestalten. Über viele Jahre sind wir einerseits eine schrumpfende Region gewesen, die andererseits überdurchschnittlich viele Schulden hatte – das passte nicht zusammen. Das heißt wir müssen im Wettbewerb mit anderen Regionen erstens Zuwanderung generieren, zweitens die kommunalen Haushalte in Ordnung bringen, denn wer verschuldet ist, kann nicht investieren. Drittens geht es sicherlich darum, die wirtschaftliche Entwicklung weiterhin anzustoßen, wofür wir eine ordentliche Infrastruktur brauchen. Es gibt also eine Menge zu tun im Kreis St. Wendel, wobei wir mittlerweile ein gutes Ausgangsniveau erreicht haben.“
wndn.de: „In der Oppositionsrolle fällt es schwer, eigene Ideen umzusetzen. Was würden Sie beim Kreis ändern, wenn Sie die Mehrheit hätten?“
Dr. Magnus Jung: „Zunächst einmal muss ich sagen, dass man vieles von dem, was man als Opposition an Ideen entwickelt und in die Debatte einbringt, auch mit der Zeit umgesetzt wird. Da denke ich zum Beispiel an das Thema interkommunale Zusammenarbeit. Ich habe viele Jahre für eine Strukturreform auf Kreisebene geworben, damit die Verwaltung auch für die Zukunft gut aufgestellt ist. Jetzt hat man entsprechende Kommissionen und Gremien eingerichtet, was ein Beispiel dafür ist, dass man auch aus der Opposition heraus vieles bewegen kann. Ich glaube, dass wir als SPD auch in der Zukunft ein wichtiger Ideengeber für den Landkreis sein können.“
wndn.de: „Was ist aus Ihrer Sicht in der letzten Zeit nicht so gut gelaufen?“
Dr. Magnus Jung: „Ein Einzelbeispiel ist sicherlich die Schließung von zehn Filialen der Kreissparkasse St. Wendel. Hier hat sich die öffentliche Hand ohne ökonomische Not aus ihrer Verantwortung zurückgezogen und es sind sowohl das Ergebnis als auch das Verfahren zu kritisieren. Ohne Gespräche mit den Beteiligten in den Kommunen oder den Mitarbeitern wurde dieser Beschluss im Verwaltungsrat am letzten Tag vor den Sommerferien in einer Hau-Ruck-Aktion getroffen und 14 Tage später umgesetzt. Das ist keine gute Entscheidung für die Menschen im Kreis St. Wendel gewesen.“
wndn.de: „Als Parteivorsitzender der SPD in einem eher konservativ geprägten Landkreis kann man schon mal die Lust verlieren. In diesem Jahr haben Sie drei Direktwahlen verloren. Wie möchten Sie zukünftig die SPD wieder in mehr Verantwortung bringen?“
Dr. Magnus Jung: „Ich würde nicht sagen, dass der Landkreis St. Wendel ein konservativer Landkreis ist. Die SPD stellt die Hälfte der Bürgermeister, die Hälfte der Ortsvorsteher und hat in der Hälfte der Gemeinden eine eigene Mehrheit gegen die CDU. Das heißt, die SPD ist eine prägende und gestaltende politische Kraft auf Augenhöhe mit der CDU. Wir haben unsere Positionen in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut und ich sehe uns insgesamt auf einem guten Weg. Dass wir bei der Landratswahl gegen den Amtsinhaber oder bei der Bürgermeisterwahl in St. Wendel nicht gewinnen konnten, war zu erwarten. Bei der Bürgermeisterwahl in Oberthal war es so, dass unser Kandidat in den letzten sechs Wochen den Wahlkampf krankheitsbedingt nicht führen konnte, und dennoch hat er gegen den Amtsinhaber über 48% der Stimmen geholt. Da weiß jeder, dass diese Wahl unter normalen Umständen anders ausgegangen wäre und die SPD jetzt die Mehrheit der Bürgermeister stellen würde.“
wndn.de: „Die beiden großen Parteien verlieren immer mehr Mitglieder. In manchen Orten finden sich manchmal keine Menschen mehr, die sich politisch engagieren möchten. Haben Sie mit Mitgliederverlusten zu kämpfen?“
Dr. Magnus Jung: „Die SPD hat wie die anderen Parteien auch in den letzten zehn Jahren durchaus deutlich an Mitgliedern verloren. Nichtsdestotrotz ist dies kein Phänomen, das nur die Parteien betrifft. Wir sehen einen allgemeinen Rückgang des Engagements, was sich aktuell auch wieder bei den Pfarrgemeinderatswahlen zeigt, wo die Zahl der Kandidaten dramatisch zurückgegangen ist. Dennoch haben wir mit rund 1.800 SPD-Mitgliedern eine vergleichsweise hohe Mitgliederdichte und sind mit wenigen Ausnahmen in jedem Dorf dazu in der Lage, einen SPD-Ortsverband am Leben zu halten. Da viele unserer Mitglieder älter als 60 Jahre sind, wird es keine Selbstverständlichkeit, die Parteien auch in den nächsten Jahrzehnten so lebendig zu halten. Ich halte genau dies aber für eine absolut notwendige Voraussetzung dafür, dass die Demokratie dauerhaft funktioniert. Das Aufkommen von Pegida im Osten der Republik hängt auch damit zusammen, dass Parteien und ähnliche Vereinigungen dort weitaus weniger Mitglieder haben und die Menschen dort viel anfälliger für solche Rattenfänger sind.“
wndn.de: „Vielen Dank für das Interview!“