Was könnten die Sinnsuchenden unter uns Geld für teure spirituelle Seminare sparen, würden sie sich einfach nur einen Hund zulegen. Ein Hund, dem wir Aufmerksamkeit und Liebe schenken und den wir gut behandeln, gibt uns unsere Zuneigung 100-fach zurück und kann uns lehren, was spirituelle Meister uns langwierig zu vermitteln versuchen. Vielleicht ist der Hund ein Menschentrainer?
Unser Hund Max kam nicht als Welpe in unsere Familie, er war bereits in einem Alter von 8 Jahren. Die Chance, in diesem Alter noch ein neues Zuhause zu finden, ist nicht sehr groß. Zuerst verstarb sein Herrchen, dann kam sein Frauchen in ein Pflegeheim und vorübergehend war er in einer Familie untergebracht, in der schon zwei Hunde lebten und wo er nicht dauerhaft bleiben durfte. Die Unterbringung in einem Tierheim stand im Raum. Aber das Schicksal wollte es, dass wir Max adoptierten. Mittlerweile frage ich mich heute, ob nicht Max uns adoptierte!
Im kommenden Mai wird Max das stolze Alter von 13 Jahren erreichen. Und selbst wenn er schon nach einem Jahr in unserem Zuhause gestorben wäre, so wäre ich dankbar gewesen für dieses EINE Jahr der Freude und innigen Nähe und dafür, ihm ein Jahr Aufenthalt in einem Tierheim erspart zu haben.
Max stammt aus einem Dorf im Hunsrück. Man sagt, zweimal in der Woche habe er dem Bäckerauto den Weg versperrt, bis er sein Brötchen bekam. Und er streifte recht gerne in der Grillsaison durch die Nachbarschaft, wo immer mal wieder ein Würstchen für ihn abfiel. Dies mag sich gierig anhören, in Wirklichkeit ging es Max natürlich nur um Nachbarschaftspflege.
Was lerne ich von unserem Hund Max? Max lebt im Hier und Jetzt. Kein Nachdenken über verpasste Chancen, kein Grübeln über Vergangenheit und Zukunft. Max‘ Kopf ist nicht vollgestopft an Wissen, das er sowieso nie anwenden wird. Ihn tangieren weder Corona, noch der Krieg in der Ukraine, kein Klimawandel und keine Gender-Diskussionen. Max ist in seinem Kopf frei – bis es irgendwo nach Würstchen riecht, dann – ich muss es zugeben – fokussiert er sich auf Fressen – genau wie wir auch!
Max ist nicht oberflächlich, er findet mich immer schön, selbst morgens im „out of bed look“, wenn ich gerade aufgestanden bin. Er liebt mich bedingungslos. Bei Max darf ich immer ICH sein. Wo sonst ist dies möglich?!
Und seine wiederkehrende Freude, wenn er – nichts nachtragend – an der Tür steht, mich empfängt, obwohl ich ihn allein zu Hause zurücklassen musste, macht mich täglich auf’s Neue glücklich. Stellen wir uns vor, wir würden uns freuen über jeden Menschen, der uns begegnet. Stellen wir uns vor, wir betreten unseren Arbeitsplatz und jede/r Kolleg*in lässt uns innerlich mit dem Schwanz wedeln. Wäre das nicht fantastisch? Undenkbar? Max freut sich über jeden Hund, der ihm begegnet, auch über die, die rein körperlich von oben auf ihn herabschauen und auch über diejenigen, die man nur bei genauerem Hinsehen als Hund identifizieren kann. Max ist nicht oberflächlich, Max liebt alle Hunde.
Bald ist wieder Frühling. Die ersten wärmenden Sonnenstrahlen werden unseren Hund auf die Terrasse locken. Er wird auf seiner Decke liegen, die Augen werden hin und wieder blinzeln und seine Ohren sich leicht bewegen bei fremden Geräuschen, die er wahrnimmt. Max lebt im Augenblick! Mein Kopf hingegen wird wieder voll sein an Gedanken um „was koche ich heute“ und all das, was tagein und tagaus auf mich einprasselt. Nur ein bewusster Rückzug von unnötigem Ballast bringt mir ein wenig von der Präsenz, in der unser Hund leben darf.
Und wenn Max in seinem fast greisen Alter Lust hat zu spielen, schnappt er sich seinen Spielzeugknochen und wirft ihn wild wedelnd in die Luft. Vielleicht gehört auch dies zur Kunst des leichten Lebens, das Spielen nie zu verlernen.
Max ist immer authentisch, trägt keine Masken, möchte nicht besonders sein, spielt keine falschen Spielchen. Ein Hund lässt uns all die unnötigen Rollen überdenken, die wir übernehmen, nur um angepasst zu sein. Zudem ist er ein Meister der nonverbalen Kommunikation. Er spürt jegliche Stimmungen, ohne dass ein Wort ausgesprochen wurde und ist an unserer Seite, wenn wir uns einsam fühlen oder es uns nicht gut geht.
Im tibetischen Buddhismus wird gelehrt, dass Hunde eine Seele haben. Sie dürfen aus diesem Grund auch nicht getötet werden. Es wird gesagt, dass Hunde wiederkehrende Mönche repräsentieren.
Nun wird mir einiges klar!