Der 1956 in Saarbrücken geborene Maler und Zeichner Volker Lehnert, der als Professor an der Stuttgarter Kunstakademie lehrt, verlässt seit Jahrzehnten für einige Wochen im Jahr sein Atelier und erkundet in verschiedenen europäischen Ländern, unmittelbar vor Ort arbeitend, fremde Architekturen, Städte und Landschaften. Seine Ausstellung „Geläufiges Gelände“. Kritzelbarock“ ist noch bis zum 05. Juni im St. Wendeler Mia Münster Haus zu sehen.
Bereits in der Renaissance galt die Zeichnung als geistiger Ausdruck der „prima idea“ schlechthin, Inbegriff des „göttlichen Funkens“. Nach diesem Prinzip streift Volker Lehnert durch eine fremde Stadt, setzt sich irgendwo hin, wenn ihn eine Straßenecke fasziniert, oder er betritt eine Kirche mit barocken Skulpturen, Chorbänken und geheimnisvollen Nischen – und wenn der Funke überspringt, hält er fest, was er sieht und denkt. Dabei verkürzt oder verlängert er Perspektiven, hebt Details hervor und lässt andere weg. Manchmal analysiert er, was er sieht, indem er die Dinge mit Bleistift oder Feder nachkonstruiert, ein anderes Mal erfasst er eine abstrakte Stimmung und bringt sie ins Bild. Das Gesamtgefüge bleibt dabei intakt – grundsätzlich sind die „Orte des Geschehens“ noch lokalisierbar. Auch wenn Volker Lehnert die Ortsangabe im Bild nicht immer explizit dazu schreibt, sind so manche bauliche Highlights für diejenigen zu erkennen, die sich in den betreffenden Städten auskennen.
Volker Lehnert kippt die klassische Perspektive und erlaubt sich eine Menge optischer Freiheit. Die Motive „wuchern“ mitunter über die Bildfläche, als ob die Hand des Künstlers dem Strom der Sinneseindrücke kaum nachkommen kann. In den Zeichnungen scheint nicht nur die Schwerkraft variabel zu sein, auch die Zeit ist keine konstante Größe. Sie dehnt sich aus und schrumpft, als würde sie atmen. Die Zeichnung „wächst“ fast organisch, und entwickelt dabei komplexe Formen. Jedes einzelne Haus, jede barocke Figur behauptet sich an seinem Platz; gemeinsam bilden die Motive eine eigenartige, stolpernde Rhythmik.
Am Donnerstag, 12. Mai, findet um 17 Uhr ein Werkgespräch mit dem Künstler statt. Der Eintritt ist frei.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalogbuch im Rasch-Verlag Bramsche mit ca. 140 farbigen Abbildungen und Textbeiträgen von Cornelieke Lagerwaard, Uwe Haupenthal, Andris Breitling und Volker Lehnert zum Preis von 20 Euro. Eine Vorzugsausgabe zum Preis von 50 Euro enthält eine Original-Radierung des Künstlers, signiert und nummeriert (30 Exemplare).
Foto: Volker Lehnert