Angehende Abiturienten der Dr.-Walter-Bruch-Schule erleben Theaterinszenierung

Eugen Ruges Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ hat gleich bei seinem Erscheinen vor ei-nigen Jahren den Autoren einer großen Öffentlichkeit bekannt gemacht, erhielt der 1988 aus der DDR in den Westen übersiedelte Schriftsteller doch nicht nur den renommierten Alfred-Döblin-Preis, sondern auch den Deutschen Buchpreis 2011 für dieses Werk. Ruge erzählt am Beispiel einer Familie, die unschwer erkennbar viele Züge seiner eigenen trägt, die Geschichte eines untergehen-den Landes, der DDR. Der Roman steht in diesem Jahr zum zweiten Mal als Abiturpflichtlektüre auf dem Lehrplan der saarländischen Gymnasiasten, die sich im letzten Jahr vor der Abiturprüfung (übrigens im Unterschied zu vielen ihrer Mitschüler aus anderen Bundesländern) auch mit neuester Literatur auseinandersetzen.

Da in dieser Spielzeit eine Dramatisierung des Romans im Saarländischen Staatstheater gezeigt wird, lag es also nahe, dass auch die Deutschkurse der Dr.-Walter-Bruch-Schule mit ihren Lehrern die Inszenierung besuchen. Ein besonderes Erlebnis wurde das für die Schülerinnen und Schüler des Deutsch E-Kurses von Frau Anita Bouillon-Finkbeiner, die mit ihrer Lehrerin den Weg in die Alte Feuerwache, die Spielstätte für innovatives Sprechtheater in Saarbrücken, antraten. Unerwartet war nämlich der Autor Eugen Ruge höchstpersönlich anwesend und stand den Schülern anschließend noch für ein ausführliches Publikumsgespräch zur Verfügung. Aber der Reihe nach…

Theaterbesuche gehören üblicherweise nicht gerade zu den beliebtesten Freizeitveranstaltungen jun-ger Leute. Dennoch begleitete (fast) der gesamte E-Kurs Deutsch seine Lehrerin – vielleicht war die Neugier, den umfangreichen Romanstoff in 2 ½ Stunden auf der Bühne präsentiert zu sehen doch größer als erwartet. Natürlich ist es nicht leicht, solch einen epischen Stoff dramatisch „theatertaug-lich“ zu machen. Aber insgesamt überzeugten sowohl die Inszenierung wie besonders die schauspie-lerische Leistung der Akteure an diesem Abend das Publikum. Ein reduziertes Bühnenbild, Schau-spieler die im Kreis um den jeweiligen Handlungspunkt sitzen, technische Mittel wie Einblendungen ließen viel von dem für Ruges Roman typischen Perspektivenwechsel und den ständigen Brüchen in der dargestellten Zeit auf der Bühne erleben. Die Schauspieler, die im Laufe des Abends immer mehr zu überzeugen wussten, ließen die Schülerinnen und Schüler miterleben, wie professionelle Schauspielkunst in Gestik und Mimik innere Zustände darstellen kann, für die im Roman umfang-reiche innere Monologe zur Verfügung stehen. Unvergesslich bleiben hier die Darsteller der „russi-schen Oma“ oder der Mutter der zentralen Gestalt Alexander, hinter der sich – wie der Autor an-schließend erzählte – sein eigenes „Alter Ego“ verbirgt. Auch die durchaus vorhandene Situations-komik vermochte zu begeistern, etwa wenn sich die Ereignisse beim 90. Geburtstag von Opa Wil-helm überschlagen. Zusätzliche Verfremdungseffekte, wie etwa die Besetzung eines Dienstmäd-chens mit einem männlichen Schauspieler im auffallend „knappen“ Kostüm taten da ein Übriges.

Die Kommentare der Schülerinnen und Schüler bestätigten dann auch, wie wichtig solche „Einfüh-rung in kulturelle Kompetenz“, wie es in Didaktik-Deutsch heißt, tatsächlich ist: „Jetzt kann ich mir alles viel besser vorstellen!“ „Die haben ja gerade die Szenen ausgewählt, die wir in der Schule so ausführlich besprochen haben!“ „Es macht doch mehr Spaß, eine Inszenierung anzuschauen, wenn man das Stück richtig kennt.“ Und das größte Kompliment (so fand die Lehrerin jedenfalls) für die Inszenierung äußerte verschmitzt lächelnd ein junger Mann: „Ich glaub, jetzt les‘ ich den Roman auch mal!“ Wohlgemerkt: Nachdem die Unterrichtsreihe so gut wie beendet war…

Wirklich beeindruckend fanden es alle St. Wendeler Theaterbesucher natürlich, Eugen Ruge von Angesicht zu erleben. Wann kommt es schon mal vor, dass Schüler die Autoren ihrer Abitur-Pflichtlektüre im wirklichen Leben sehen? Eugen Ruge sprach ehrlich von seiner Kritik an der Dra-matisierung, bei der er ein Übergewicht der familienhistorischen Aspekte gegenüber der den Roman konstituierenden politischen Thematik sah. Dabei stand er auch für Fragen zur Entstehung des Bu-ches zur Verfügung, erzählte etwa auf die Frage eines interessierten Abiturienten, wie dieser Schlüs-selroman denn bei seiner eigenen Familie angekommen sei: „Manche fanden’s richtig gut, andere (so der jüngste Sohn) haben’s gar nicht gelesen.“

Als alle weit nach 23 Uhr die Alte Feuerwache verließen, konnte man die einhellige Meinung hören: „Dieser Abend hat sich richtig gelohnt!“ Und das ist es, was Literaturunterricht ja eigentlich zum Ziel hat: die Erkenntnis, dass Kenntnis von literarischen Zusammenhängen auch eine Quelle für in-tellektuelles Vergnügen darstellt.

Foto: Sarah Kleinbauer

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