„Und so willst du da hingehen? Das ist jetzt aber nicht sonderlich fashionable“. Bähm Realität!
Ein Landei aus dem Saarland gehört nicht nach Berlin und erst recht nicht zur Fashion-Week. Aber für den Klamottenwechsel fehlt die Zeit. Zu schnell muss die Bahn zur ersten Veranstaltung geschafft werden. Also nichts wie los und ab ins Getümmel.
Bei der Reichert+ VIP & Bloggerlounge angekommen, geht es zunächst ans Networken. Im Stimmengewirr hört man Sätze wie „ja wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen, lass unbedingt mal auf einen Kaffee treffen“ oder „ja ich hab ja schon das Vorgängerprodukt, aber toll diese neuen Funktionen, das will ich uuunbedingt mal ausprobieren“. Doch meist surrt irgendein Föhn, ein Lockenstab oder Manikürewerkzeuge. Wahrscheinlich ist der wahre Grund warum man sich „später noch bei Reichert+ sieht“ der, dass kostenlose Verschönerungen angeboten werden. Schließlich bleibt in der stressigen Zeit der Fashion-Week auch keine Minute, um sich wieder hübsch zu machen. Denn kaum ist der Nagellack getrocknet, hüpft man auch schon wieder ins Taxi, um zur Show zu kommen.
20 Minuten anstehen, um die Eintrittskarte zu bekommen, weitere 20 Minuten bis man endlich sitzt, 7 Minuten Show und weiter gehts. Ganz normaler Wahnsinn. Schließlich beginnt das Spiel im Anschluss an die Show gleich wieder von vorne.
Wer keine Karte bekommen hat, verbringt seine Zeit in Lounges oder sieht sich die Show auf der Leinwand vor der Location am e-Werk an.
Für die Abendshows gilt Outfitwechselpflicht. Blöd, wenn der Koffer nur ein Outfit pro Tag hergibt. Hätte man ja auch wissen können. Also gut, das mit dem Wechseloutfit wird nichts, also hoffen, dass niemand einen schon gesehen hat. Bei Kilian Kerners Label KXXK gar nicht so einfach, da der Berliner Designer natürlich absolutes Heimspiel hat und damit auch volles Haus genießen kann. Die Show zeigt sportliche Styles mit auffälligen Mustern. Zumindest würde man es in St. Wendel so einschätzen. In Berlin ist Kilian Kerners Show „erstaunlich mainstream“. Nun gut nach 2 Sekt auf der Aftershow-Party ist es eigentlich den meisten schon wieder egal, was gezeigt wurde.
Doch Kilian Kerner Styles, sind speziell genug, um nicht, wie bei Marc Cain mit einem vernichtenden „die Fashionweek ist ja nicht dazu da, Outfits zu zeigen, die man auch so tragen würde“ kommentiert zu werden. Immerhin ließen sich bei der Marc Cain Show Trends entdecken, die auch bei anderen auffielen und somit wohl die Frühjahr/Sommer Saison 2020 maßgeblich bestimmen. Vor allem bunt war es, was bei dem Namen „colours in motion“ auch vorhersehbar war. Klar, dass dann auch die Front-Row aus Heike Makatsch, Veronika Ferres, Caro Daur, Leonie Hanne, Ivonne Catterfeld und vielen mehr, in bunten Marc Cain Outfits abgelichtet wird. Mit dem bunt-Trend spielt auch Sportalm Kitzbühel. Nachdem zauberhafte Tänzerinnen in süßen Dirndl die Show eröffnen, sehen die Zuschauer knallbuntes Paisley-Muster, maritime Bademode, viel Durchsichtiges mit Muster und einen modelnden Oliver Pocher, der zeigt, dass in einer Fashionshow auch Spaß seinen Platz haben kann. Schließlich sollte man die Mode auch wirklich nicht zu ernst nehmen.
Doch auch wenn er es sichtlich nicht tut, fliegt einem trotzdem „dieses ganze Paisley-Muster, nein also die neon-Töne in denen gefittet wurde fand ich ja viel innovativer“ von irgendeinem Fashionblogger ins Ohr. Nicht-ernst-nehmen klappt also schonmal nicht. Dabei sitzen während der Show sowieso alle am Handy, um zu filmen, zu fotografieren und zu boomerangen, bis auch die letzte Powerbank leer ist. Oder sie überlegen sich eben solche fachkundigen Sprüche. Dabei ist die Show, wenn man sie einfach nur genießt, richtig gut. Aber auch andere Designer bekommen ihre Kritiken. Lena Hoscheks Show ist zu wenig „Lena“ und zu viel „Marina“ (Hoermannseder). Außerdem „passt der Bondage-Stil nicht zu ihr“. Aber „wenn sie sich treu bleibt, sind die Teile trotzdem ein Traum“.
Bequatscht werden diese Sachen übrigens am Liebsten in den Lounges, wo es neben Essen, kostenlosen Drinks und Smalltalk auch noch jede Menge Goddie-Bags abzustauben gibt. Die Freude darüber hält sich aber sobald man versucht damit zur Show zu kommen, in Grenzen. Gar nicht so einfach mit 3 Tüten im Arm einen Platz möglichst weit vorne zu ergattern, auf den man zwar nicht angemeldet ist, bei dem man aber einfach hofft, dass keiner mehr kommt. Außerdem sieht es auf den Fotos auch einfach doof aus, wenn man 3 unterschiedliche jeweils gut 3 Kilo wiegende Taschen im Arm hat und damit eher aussieht wie ein Packesel nach 3 Tagen ohne Wasser, als eine elegante Fashion-Göttin. Gut nur, dass das „absolut nicht fashionable“ Outfit am Ende dann doch von einem der 1000 Fashion-Fotografen abgelichtet wurde, auch wenn es nirgends veröffentlicht wird ein eindeutiges 1:0 für die Landeier.