St. Wendeler Land profitiert vom Mindestlohn

Der „8,50-Euro-Daumen“ ist oben: Ein Jahr nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zieht die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) für den Landkreis St. Wendel eine positive Bilanz. „Zum ersten Mal haben alle Beschäftigten einen festen Lohnsockel unter den Füßen – von der Küchenhilfe bis zur Verkäuferin im Backshop: Wer arbeitet, muss dafür mindestens 8,50 Euro pro Stunde bekommen“, sagt Mark Baumeister. Für den Geschäftsführer der NGG Saar ist der gesetzliche Mindestlohn der „Einstieg in den Lohn-Aufstieg für Menschen, die zuvor mit Niedrigstlöhnen abgespeist wurden“. Vom „Schreckgespenst Mindestlohn“, vor dem die Arbeitgeber auch im Landkreis St. Wendel noch vor einem Jahr gewarnt hätten, sei nichts übrig geblieben: Der Mindestlohn sei weder „Konjunktur-Bremser“ noch „gefährlicher Job-Killer“. Die NGG legte dazu jetzt eine aktuelle „Mindestlohn-Analyse“ vor, die das renommierte Pestel-Institut (Hannover) im Auftrag der Gewerkschaft gemacht hat. Die Wissenschaftler werteten dabei auch die Beschäftigungssituation im Landkreis St. Wendel aus: „Anstatt Servicekräfte oder Küchenpersonal zu entlassen, haben Hotels, Pensionen, Restaurants und Gaststätten neue Kräfte eingestellt. Insgesamt arbeiteten dort im Juni vergangenen Jahres immerhin 891 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte – und damit 3,6 Prozent mehr als noch im Vergleichsmonat des Vorjahres, als es den gesetzlichen Mindestlohn noch nicht gab“, sagt Baumeister. Nach Angaben der NGG Saar hat der Mindestlohn zudem dazu geführt, dass etliche Arbeitgeber aus Mini-Jobs reguläre Stellen gemacht haben. Das gelte nicht nur für die Gastro-Branche. „Viele Mini-Jobs waren besonders schlecht bezahlt. Durch den Mindestlohn sind die Mini-Jobber dann über die 450-Euro-Grenze gerutscht. Und das sind jetzt sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Diese Menschen haben damit etwas Besseres als den Mini-Job. Das ist ein Riesenerfolg“, sagt Mark Baumeister. Auch die Beschäftigtenzahl insgesamt habe sich mit dem gesetzlichen Mindestlohn positiv entwickelt: Im Sommer des vergangenen Jahres gab es im Landkreis St. Wendel 756 Menschen mehr, die einen Job hatten, als noch im Sommer des Vorjahres. Dabei hat auch der Staat vom Mindestlohn profitiert. Er musste weniger Menschen unterstützen und sparte bei den Hartz-IV-Ausgaben. Denn die Zahl der Aufstocker ist zurückgegangen: „Im Juni vergangenen Jahres gab es im Landkreis St. Wendel 60 Aufstocker weniger – ein Rückgang um 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Diese Menschen können nun von ihrer Arbeit leben. Sie sind nicht länger auf die ‚Stütze vom Staat‘ angewiesen“, so Mark Baumeister.

Diese Zahlen liefern für den Geschäftsführer der Gewerkschaft NGG Saar eine „klare Botschaft“: „Der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde hat den Beschäftigten gut getan. Und er hat der Wirtschaft nicht geschadet.“ Im Gegenteil: Das Lohn-Plus habe dem Landkreis St. Wendel eine höhere Kaufkraft beschert, von der insbesondere auch die heimische Wirtschaft profitiert habe. „Denn Beschäftigte, die den gesetzlichen Mindestlohn bekommen, haben das zusätzlich verdiente Geld nahezu eins zu eins in den Konsum gegeben“, so Baumeister. Um diesen Menschen die Chance zu geben, auch Geld für größere Anschaffungen auf die hohe Kante zu legen, müsse der Mindestlohn allerdings steigen: „Unser Ziel ist es, ihn möglichst rasch in einem ersten Schritt auf 10 Euro pro Stunde anzuheben“, macht der Geschäftsführer deutlich. Die NGG habe einen ganz wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland vor einem Jahr überhaupt eingeführt worden sei. Jetzt werde die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten ebenso hartnäckig daran arbeiten, ihn schrittweise „zu liften“. Für die NGG Saar ist eine Erhöhung des Mindestlohns nur konsequent. Das zeige auch eine Renten-Berechnung des Bundesarbeitsministeriums: Um eine Rente von mindestens 769 Euro pro Monat – also gerade einmal die Grundsicherung im Alter – zu bekommen, müsse ein Beschäftigter immerhin mindestens 11,50 Euro pro Stunde verdienen. Und das 45 Jahre lang bei einer Vollzeitstelle. „Ein Leben lang arbeiten und dann doch nur Alters-Hartz-IV bekommen – das kann und das darf es nicht sein. Der gesetzliche Mindestlohn steckt noch in den Kinderschuhen. Aber wir werden ihn groß bekommen“, ist sich NGG-Geschäftsführer Mark Baumeister sicher.

Aber es gibt auch kritische Stimmen zum Mindestlohn. Eine Studie der Hochschule Heilbronn aus dem März 2015 kommt zu dem Ergebnis, dass der Mindestlohn insbesondere kleine Gastronomiebetriebe belaste. Nach der Untersuchung bewertet rund jeder zweite Hotelier und Gastronom den Mindestlohn negativ. Insbesondere die bürokratischen Hürden, z.B. bei der Dokumentation der Arbeitszeit, werden negativ gesehen.

Die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns soll im Laufe des Jahres 2016 durch eine Kommission aus Arbeitsnehmern und Arbeitgebern überprüft werden. Eine Erhöhung könnte nach dem Gesetz dann erstmalig 2017 greifen.

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