Herzogin Luise von Sachsen-Coburg-Saalfeld ist als Mutter von Prinz Albert und Stammmutter der Windsors eine der bekanntesten Persönlichkeiten der St. Wendeler Stadtgeschichte. Ihr zu Ehren hat die Kreisstadt ein eigenes „Luisezimmer“ im ersten Obergeschoss des Dienstgebäudes am Schloßplatz gestaltet, das Bürgermeister Peter Klär letzte Woche seiner Bestimmung übergeben hat. Das „Luisezimmer“ soll als repräsentativer Besprechungs- und Versammlungsraum für besondere Anlässe dienen. Die Wände schmücken Bilder und Grafiken, die über die Zeit der Herzogin in St. Wendel informieren. Umrahmt wurde Einweihungsfeier von musikalischen Darbietungen aus dem Werk des St. Wendeler Komponisten Riotte, die unter Leitung von Dr. Gernot Spengler vorgetragen wurde.
Der für das Stadtarchiv tätige Historiker Dr. Josef Dresen gab einen profunden Einblick in das Leben von Luise, die als Prinzessin von Sachsen Gotha-Altenburg am 21. Dezember 1800 in Gotha, Schloss Friedenstein, geboren wurde. Luise erlebte am gothaischen Hof eine unbeschwerte Kindheit. Mit 15 Jahren wurde ihr der fast doppelt so alte Ernst I. von Sachsen-Coburg-Saalfeld vorgestellt, in den sie sich offenbar auch verliebt hatte – schon bemerkenswert für solche Verbindungen! 1817 heiratete das Paar. Die Hochzeit wurde in Gotha und Coburg mit großem Pomp gefeiert. Auch in St. Wendel – warum? Ernst I. hatte auf dem Wiener Kongress für seine Unterstützung der Anti-Napoleonkoalition eine Landentschädigung, ein aus verschiedenen Landesteilen des ehemaligen Saardepartements willkürlich zusammengewürfeltes Gebiet erhalten. St. Wendel war 1817 Sitz einer provisorischen Sachsen-Coburg-Verwaltung des in den Akten als überrheinisches Fürstentum St. Wendel bezeichneten Gebietes. In St. Wendel würdigte man diese Hochzeit durch farbig gestaltete Plakate. Philipp Jakob Riotte komponierte ein „Bergmannslied“ zu Ehren der Hochzeit des Fürstenpaares und der St. Wendeler Bürgermeister Carl Cetto lieferte hierzu den Text. Das Paar lebte die ersten Jahre durchaus glücklich in Schloss Rosenau, nahe bei Coburg. Luise gebar 1818 den Stammhalter, den späteren Herzog Ernst II., und 1819 Albert, der 1840 seine Cousine, Queen Victoria von Großbritannien, heiratete.
Später erkaltete die Beziehung und Ernst I. schickte Luise nach St. Wendel ins Asyl. Hier prallten zwei Welten aufeinander. Luise war anfänglich sehr schockiert, lebte sich aber dank der offenen Zuneigung, die die St. Wendeler Bevölkerung ihr von dem Tag ihrer Ankunft an entgegen brachte rasch ein. Luise wohnte, gemeinsam mit ihrer Hofdame Amalie von Uttenhoven und ihren Bediensteten im heutigen Dienstgebäude der Stadt am Schloßplatz, wo jetzt auch das „Luisezimmer“ eingerichtet ist. Ihr kleiner Hofstaat hatte klare Anweisungen aus Coburg und sollte den Landesherrn über alle Schritte Luises informieren.
Wenig später schickte Ernst I. Maximilian von Hanstein als Kavalier, nach St. Wendel, ebenfalls mit klaren Instruktionen, wie sich Luise zu verhalten habe. Ausgerechnet von Hanstein, über den er in einem Brief an seinen Bruder Leopold schreibt, dass er den Verdacht habe, dass dieser ebenfalls eine Beziehung zu Luise habe.
Maximilian von Hanstein ist auch im März 1826 der offizielle Scheidungsgrund des Herzogpaares: „Luise hat aufgehört meine Frau zu sein – sie hat Hanstein öffentlich zu sich genommen“! Im Oktober des gleichen Jahres heirateten Luise und Maximilian von Hanstein, der hierzu eigens in den Grafenstand erhoben wurde und sich fortan Graf von Pölzig und Beiersdorf nannte in St. Wendel.
Dank überlieferter Pläne und Inventarien zu diesem heutigen Dienstgebäude wissen wir wie die von Luise und Maximilian bewohnten Räume eingerichtet waren. Maximilian und Luise lebten in den Wintermonaten in diesem Gebäude und in den Sommermonaten im Niederweiler Gartenhaus, das ursprünglich auf dem heutigen Bahngelände gestanden hatte.
In Erinnerung geblieben ist die Fürstin wegen ihrem ausgeprägten sozialen Engagement. Luise setzte in St. Wendel fort, was sie bereits in Coburg, sehr zum Leidwesen ihres ersten Mannes begonnen hatte. Aus Aufzeichnungen und Briefen weiß man, dass sie jährlich etwa 10 Prozent ihrer Bezüge an die städtische Armenkasse überwies und darüber hinaus immer wieder Kinder armer Familien unterstützte. Das tat Luise noch vom Sterbebett in Paris aus. Gegen Ende des Jahres 1830 mehrten sich die Anzeichen, dass Luise und Maximilian St. Wendel verlassen wollten. Mehrfach hatte das Paar den schlechten Bauzustandes des alten Rathauses und Niederweiler Gartenhauses (das Luise von Ernst I. kaufen wollte, dieser aber ablehnte) kritisiert und erfolglos um Behebung der Schäden gebeten. St. Wendeler Stadtväter und zahlreiche Bürger wandten sich daraufhin an Ernst I. mit der Bitte die baulichen Mängel endlich beheben zu lassen. Diese Petitionen beweisen auch, dass man der Fürstin einen kostenlosen Bauplatz, Baufahrten etc. angeboten hatte, um das Paar zum Bleiben zu bewegen.
Allein der gesundheitliche Zustand Luises zwang das Paar schließlich in Paris Ärzte aufzusuchen. In Paris angekommen verschlechterte sich der Zustand Luises. Ärzte diagnostizierten Gebärmutterhalskrebs im fortgeschrittenen Stadium, an dessen Folgen Luise am 30. August 1831 starb.
Die Kreisstadt St. Wendel hat ihrer Fürstin immer gedacht. 1957 beriet der Stadtrat über Anbringung Tafel am heutigen Dienstgebäude, wo seit einiger Zeit eine Bronzestatue an Luise erinnert. 2006 würdigte die Stadt mit einer großen Ausstellung ihre Fürstin.
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