Gesundheit, ein wertvolles Gut, das viele Menschen als zu selbstverständlich ansehen. In dem einen Moment ist noch alles in Ordnung, aber schon in der nächsten Sekunde kann uns das Schicksal schonungslos treffen. Diagnose Brustkrebs, ein unvorstellbar harter Einschnitt in Leib und Leben. Laut dem Brustzentrum Saar leiden jährlich über 70.000 Frauen in Deutschland an Brustkrebs, davon sind circa 800 Saarländerinnen. Wir durften mit der 57-jährigen Heidemarie V. aus dem St. Wendeler Landkreis über ihre schwerwiegende Krankheit, Behandlungsabläufe und Bewältigungsmechanismen sprechen.
Wann und wie haben Sie zum ersten Mal von Ihrer Krebsdiagnose erfahren?
„Seit 2006 wurde ich wegen Zysten in beiden Brüsten regelmäßig gynäkologisch untersucht. Ich erhielt eine vierteljährliche Ultraschalldiagnostik und eine jährliche Mammographie. Diese Vorsorgeuntersuchungen, die auch im Januar 2017 durchgeführt wurden, ergaben keine negativen Veränderungen.
Ende Mai 2017 fielen mir Veränderungen an meiner Brust auf, die mich so beunruhigten, dass ich mich schnellstmöglich erneuten Kontrollen unterzog. Beide Untersuchungsmethoden ergaben jedoch keinerlei Anhalt auf eine bösartige Veränderung des Brustgewebes. Anschließend erfolgte eine Stanzbiopsie.
Das Ergebnis dieser bekam ich am 7.Juli 2017 telefonisch übermittelt. Diesen Tag werde ich niemals vergessen. Diagnose: Lokal fortgeschrittenes Mammakarzinom, mit anderen Worten: Brustkrebs!“
Wie sind Sie von da an mit der Diagnose umgegangen?
„Ich muss sagen in der Zeit von der Biopsie bis zum Anruf, hatte ich das Gefühl neben mir zu stehen.
Um mich herum war alles so unwirklich. Ich hatte das Gefühl dauerhaft durch eine Welt voller Nebel zu laufen. Ich konnte nicht klar sehen oder denken. Mein Partner versuchte stets mich mit schönen Dingen abzulenken. Das, was sonst gut funktionierte war zu diesem Zeitpunkt einfach nur noch anstrengend.
Ich bin mit einer positiven Einstellung in das Brustzentrum gegangen, schließlich waren doch alle Voruntersuchungen in Ordnung. Warum sollte also gerade bei mir Brustkrebs diagnostiziert werden, ich war doch ständig unter Kontrolle. Durch die Unfreundlichkeit und das für mich fehlende Einfühlungsvermögen der Ärztin mit der Ansage: „ Ich sage Ihnen gleich das sieht nicht gut aus!“, hatte ich das Gefühl regelrecht auf den Boden zu knallen.
Als ich dann die Diagnose gesagt bekam, war ich schlagartig wach und gleichzeitig mit einer erstaunlichen inneren Ruhe gesegnet. Ich wusste damals noch nicht was auf mich zukommen würde, aber nun hatte ich ein Ergebnis und damit konnte ich etwas anfangen. Von da an hieß es kämpfen oder resignieren!
Zum Glück hatte ich Menschen um mich, die immer für mich da waren und sind, eine neue Liebe, an die ich nicht mehr geglaubt habe, meine Familie , meine tollen Freunde und mein fester Glaube an Gott , all das hat mich dazu veranlasst dem Krebs den Kampf anzusagen.“
Was tun Sie heute um sich abzulenken?
„Während der Chemotherapie war ich viel zu schwach um mich körperlich oder geistig anzustrengen. Ich war schon froh, wenn ich den Gang von meinem Bett zur Toilette und wieder zurück geschafft habe. Heut zu Tage helfen mir Hörbücher und Autogenes Training. Zusammen mit meinem Partner gehe ich ab und zu mit unserem Hund Ringo spazieren. Darüber hinaus genieße ich auch einfach mal die Ruhe. Ich bete viel und schaue gerne Märchen. In unserem Sommerurlaub konnte ich zwei Mal schwimmen gehen. Das tat mir sehr gut .Ich versuche alles langsam anzugehen und mich Stück für Stück an die Dinge heranzutasten.“
Welche medizinischen Maßnahmen mussten bis heute bei Ihnen ergriffen werden?
„Seit dem Tag meiner Brustkrebsdiagnose beschäftigten mich Fragen über Fragen: Wieso konnte ein schon relativ großer Tumor im bildgebenden Verfahren, also bei der Mammografie nicht erkannt werden? Wie geht es jetzt weiter? Habe ich schon Metastasen? Welcher Therapie muss ich mich unterziehen? Und immer wieder die Frage nach dem „Warum?“
Mitte Juli 2017 wurde bei mir eine radikale Mastektomie, also die Entfernung der Brustdrüse an der rechten Brust durchgeführt, es erfolgte eine Entfernung von insgesamt16 Lymphknoten. Eine Epithesenversorgung, sprich der Erhalt einer Brustprothese erfolgte noch während des Klinikaufenthaltes.
Kurze Zeit später wurde mir ein Portkatheter unter das Brustbein implantiert. Aufgrund des doch relativ fortgeschrittenen Brustkrebses mit Lymphknotenbefall, aber glücklicherweise ohne weitere Metastasen, wurde mir eine ETC Chemotherapie und eine anschließende Strahlentherapie empfohlen, danach sollte eine Antihormontherapie für 5 bis 10 Jahre erfolgen.
Mitte August 2017 bekam ich die erste von insgesamt 9 Chemotherapien und diverse Medikamente zur Unterstützung des Körpers und gegen die Nebenwirkungen.
Ende August 2017 wurde aufgrund von Schmerzen, Verfärbungen und Anschwellungen des rechten Armes eine Thrombose der Schlüsselbeinvene rechts diagnostiziert und sofort mit Kompressionsverband und Blutverdünnern therapiert.
Mitte Dezember 2017 bekam ich meine letzte Chemotherapie und Anfang Januar 2018 wurde mir der Portkatheter in der Hoffnung, dass sich nun endlich die Thrombose auflöst, explantiert.
Ende Januar dieses Jahres erhielt ich die erste von 33 Bestrahlungen und gleichzeitig musste ich mit der Antihormonbehandlung beginnen. Nach der Strahlentherapie hatte ich mich für eine 3 wöchige Anschlussheilbehandlung entschieden, leider konnte ich jedoch an vielen Therapiemaßnahmen wegen der Thrombose nicht teilnehmen. Darüber hinaus wurde zu diesem Zeitpunkt bei mir das „Fatigue- Syndrom“,ein Zustand völliger Erschöpfung, sowie ein Knoten an der OP Narbe diagnostiziert.
Die blutverdünnenden Medikamente muss ich weiterhin einnehmen, obwohl mir im Juli nach fast einem Jahr endlich bestätigt wurde, dass sich die Thrombose aufgelöst hat. Seit Mitte Juli dieses Jahres bekomme ich Lymphdrainagen. Vor kurzer Zeit wurde erneut eine Biopsie des Knotens durchgeführt. Nach vier Tagen voller Sorgen und Zittern erhielt ich das Ergebnis. Glücklicherweise wurde keine Bösartigkeit festgestellt, nun bin ich überglücklich und kann mein Leben wieder fröhlicher und positiver gestalten.“
Es ist wirklich enorm was Sie aushalten mussten und müssen. Haben Sie sich verändert seit Sie diese schwerwiegende Erkrankung haben?
„Ich habe meine Einstellung zum Leben grundlegend geändert und „Ja“ ich habe mich eindeutig verändert seit ich erkrankt bin. Während der Therapie habe ich irgendwann aufgehört nach dem „Warum?“ zu fragen. Das Wort „Aufgeben“ hatte ich schon vor Jahren aus meinem Sprachgebrauch gestrichen. Mein Leben war bis zur Diagnose „Brustkrebs“ schon immer steinig und voller Probleme, welche ich laut meiner Freunde stets gut gemeistert hatte. Doch dieses Mal war es einfach anders, ich hatte auf einmal das Gefühl nicht mehr eigenständig agieren zu können. Schließlich habe ich viele Jahre als Krankenschwester gearbeitet und weiß wie es hinter den Kulissen aussieht und was auf mich zukommen würde. Ich musste die Kontrolle abgeben, ohne zu wissen was jetzt wirklich mit mir passieren würde.
Quälende Unsicherheit und Todesängste kamen auf, wobei das in einer solchen Situation ja auch völlig normal ist.
Da waren plötzlich viele andere Fragen im Raum: Was wird aus meiner Partnerschaft? Steht mein Partner das mit mir durch oder verlässt er mich? Schließlich waren wir erst ein halbes Jahr zusammen als ich die Diagnose bekam. Kann ich mich selber annehmen, mit den körperlichen Veränderungen? Haare wachsen wieder, aber eine neue Brust leider nicht. Kann mein Partner diesen Anblick verkraften? Wie wirkt sich das auf die gemeinsame Sexualität aus?
Die Ärzte sagten mir damals, dass Frauen, die in einer intakten Partnerschaft leben, eine höhere Heilungschance haben, als Frauen, die alleinstehend sind.
Die Chemotherapie war die Hölle, die Strahlentherapie dagegen ein Spaziergang, über die Nebenwirkungen der Antihormonbehandlung möchte ich gar nicht erst reden. Dass ich das alles überstanden habe, grenzt für mich an ein Wunder, nicht nur wegen meiner Kraft und Stärke oder Gottes Hilfe, Nein auch durch die Liebe und Hilfe meines Partners, der selbst während der schlimmsten Zeiten an meiner Seite war.
Das Wort “Zeit“ hat für mich eine andere Bedeutung bekommen, sie ist für mich das Wertvollste geworden.
„ Dem Leben nicht mehr Zeit geben, sondern der Zeit mehr Leben geben.“
Diesen Spruch habe ich im Nachbarhaus bei geöffnetem Fenster an der Wand entdeckt. Vielleicht war das ein Zeichen. Einige Tage später sagte eine Frau zu mir, sie wünsche mir alles Gute, vor allem aber „Zeit“, da bekam ich Gänsehaut.
Ich möchte nicht mehr so viel auf morgen verschieben; ich lebe heute im Hier und Jetzt. Ich versuche mir, soweit möglich, meine persönlichen Wünsche zu erfüllen, und vor allem dankbar zu sein. Dankbar für alles, auch für das Schlechte im Leben, denn das lässt mich kämpfen und wachsen.“
Waren oder sind Sie in einer Selbsthilfegruppe oder sonstiger psychologischer Behandlung?
„Während der Chemotherapie habe ich zweimal eine psychologische Beratung in Anspruch genommen.
Einer Selbsthilfegruppe habe ich mich nicht angeschlossen.“
Was raten Sie Menschen mit der gleichen Erkrankung?
„Ich möchte mir nicht anmaßen über andere betroffene Frauen zu urteilen, jede ist einzigartig und besitzt die Freiheit selber zu entscheiden wie sie mit ihrer Erkrankung umgeht, was sie an Therapien zulässt und wie sie ihr Leben in Zukunft gestaltet.
Heute nach einem Jahr Therapie, kann ich für mich sagen, es war die richtige Entscheidung auch wenn ich zeitweise durch die Hölle gegangen bin und auch ab und zu mit dem Gedanken gespielt habe aufzugeben.
„Genießt das Leben, freut euch an allen schönen Dingen, seht die schlechten Dinge als Lernaufgabe und vergesst vor allem nicht dankbar zu sein!“
Was die Zukunft bringt, weiß niemand, auch nicht ein gesunder Mensch. Betet und vertraut, aber legt nicht die Hände in den Schoß und sagt Gott „Nun mach mal.“ Machen müssen wir selbst- aber mit Gottes Hilfe!
Was ist Ihr Lebensmotto?
„Nun ich versuche immer das Positive zu sehen, auch wenn es ab und an sehr schwer fällt. Mein Motto lautet „ Nach vorne schauen und nicht zurück, in der Vergangenheit liegt zwar das, was mich in der Zukunft wachsen lässt, ich sollte es aber besser dort liegen lassen sonst stolpere ich nur immer wieder darüber oder falle – falls das passiert – aufstehen und weiter gehen!
Danke an all die Menschen, die für mich da waren und es immer noch sind. Danke an die, die an mich geglaubt haben, die für mich gebetet haben – ohne Euch wäre ich nicht mehr auf Erden, ohne Euch wäre mein Leben wahnsinnig leer!
Brustkrebs, eine Bedrohung für Leib und Seele. Wie man sich mit einer solchen Diagnose fühlen mag, können gesunde Menschen wohl nur erahnen. Am Beispiel von Heidemarie V. lässt sich erkennen, dass man aus sehr schwierigen und schlimmen Situationen, die unser Leben regelrecht auf die Probe stellen, dennoch etwas Positives ziehen kann. Vermutlich lernt man unter solchen Umständen das Leben und die Zeit, die man auf Erden hat, mehr wertzuschätzen. Wie sagte Lucius Annaeus Senecca? „ Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.“
Wir wünschen allen Krebspatienten vor allem eines: Resilienz, die psychische Fähigkeit und Widerstandskraft um immer wieder aufzustehen, Herausforderungen und Schicksalsschläge anzunehmen, zu überwinden und sich dadurch weiterzuentwickeln. Weiterhin wünschen wir den Betroffenen natürlich viel Kraft, Stärke, Glück und natürlich eine gute Genesung. „Gebt alles, außer auf!“