Seit knapp einem Jahr ist bekannt, dass Gerhard Richter, der teuerste lebende Künstler der Welt, die drei neuen Hauptchorfenster in der Tholeyer Abteikirche entwirft. Nun veröffentlichte der Kölner Künstler auf seiner Facebook-Seite Entwürfe für die drei neuen Hauptchorfenster. Es handelt sich dabei aber wohl nicht um die endgültige Fassung. Diese soll am 4. September auf einer Pressekonferenz in der Abtei Tholey offiziell vorgestellt werden.
Im Juli erweiterte Gerhard Richter den sog. Atlas, seine laufende Bildersammlung im Lenbachhaus in München, um acht Tafeln. Drei dieser Tafeln veröffentlichte Richter gestern auf seiner Facebook-Seite als „seine Entwürfe für die Kirchenfenster der Abtei Tholey“.
Aber handelt es sich dabei um die endgültigen Entwürfe?*
Bernhard Leonardy, Organist der Basilika St. Johann in Saarbrücken, dementiert jedoch, dass es sich bei den veröffentlichten Entwürfen um die endgültige Fassung der neuen Hauptchorfenster handelt: „(Es) sind leider die ganz falschen Entwürfe. Es kommt alles ganz anders.“ Bei den veröffentlichten Entwürfen handele es sich um „ganz frühe Entwürfe“. Leonardy hat seit einer Vertonung eines Photo-Painting-Zyklus von Richter Kontakt zu dem Kölner Künstler und intensivierte als „guter Bote“ der Abtei den Kontakt zu Richter.
Was bislang bekannt ist:
Die neuen Richter-Fenster enthalten viele und kräftige Farben. Die Muster sollen visualisierte Musik-Harmonien darstellen. Die Entwürfe haben folgenden Hintergrund: Der estnische Komponist Arvo Pärt (geb. 1935) komponierte einen „Alleluia-Tropus“, den er Richter widmete. 2017 wurde Pärt mit dem Joseph-Ratzinger-Preis ausgezeichnet, der als „Nobelpreis der Theologie“ gilt. Richter setzte Pärts Alleluia-Komposition in bildende Kunst, also Form und Farben, um.
Die Richter-Fenster werden die einzigen neuen Abtei-Fenster sein, die nicht figürlich gestaltet werden. Die Aussage dahinter: Anders als die Heiligen, die Menschen waren, und obwohl Jesus als Sohn Gottes menschliche Gestalt angenommen hat, ist Gott als letztes Mysteriumfür die Menschen auf Erden visuell verschlossen. Die Richter-Fenster sollen mittels der Harmonie der Musik sowie der Harmonie der Farben und Formen ausdrücken, dass Gott höchste Harmonie bedeutet.
Bislang schuf Richter erst ein Kirchenfenster
Bislang hat der 87-jährige Richter in seinem Leben erst ein Kirchenfenster entworfen: 2007 schuf er das neue Südquerhausfenster des Kölner Doms. Das Kölner Richter-Fenster wurde in Kürze – auch wegen der Kritik des damaligen Kölner Erzbischofs Kardinal Meisner – das wohl berühmteste Fenster Deutschlands.
Zur Information:
Die Abtei Tholey in Tholey im Saarland ist ein Benediktinerkloster im Bistum Trier. Das Kloster wurde 634 n. Chr. erstmals urkundlich erwähnt und gilt als ältestes Kloster auf deutschem Boden. Die heutige frühgotische Abteikirche aus dem 13. Jahrhundert zählt zu den ältesten gotischen Kirchen Deutschlands.
Seit Mai 2018 ist die Tholeyer Abteikirche wegen umfangreicher Sanierungsarbeiten geschlossen. Die Kirche wird unter anderem eine neue Orgel, eine neue Innenbeleuchtung und neue Fenster bekommen. Zudem soll das Hauptportal renoviert werden. Die Renovierungsarbeiten sollen im Sommer nächsten Jahres fertig sein.
* Anmerkung: In der ursprünglichen Fassung des Artikels gingen die Autoren des Artikels davon aus, dass es sich bei den veröffentlichten Entwürfen um die endgültige Fassung der neuen Hauptchorfenster handelt.
Foto: S. Gänsheimer