„Zwischen Trauer und Tod“ – Ein Interview mit Bestattermeister Daniel Naumann

Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, wie es wohl sein mag den Beruf eines Bestatters auszuüben? Tagtäglich mit toten und trauernden Menschen zu tun haben und dabei nicht vergessen gut auf sich selbst zu achten? Wie funktioniert das?
Wir durften mit dem 35-jährigen Bestattermeister Daniel Naumann, Junior- Chef des Beerdigungsinstituts Dubreuil in St. Wendel, über die Anforderungen, positiven Aspekte und Schattenseiten dieses Berufes sprechen.

Daniel, wann war dir klar, welchen beruflichen Weg du einschlagen möchtest?
„Da unser Betrieb seit Jahrzehnten ein Familienunternehmen ist, bin ich schon recht früh mit dem Berufsbild des Bestatters konfrontiert worden. Bereits als Jugendlicher habe ich in unserem Beerdigungsinstitut mitgeholfen, war bei Überführungen dabei und habe auch schon damals Verstorbene versorgt. Ich bin mit dieser Arbeit aufgewachsen und dadurch auch hineingewachsen. Es war meine persönliche Entscheidung diesen Weg zu gehen und ich fühle mich sehr wohl damit. Seit 2007 bin ich fachgeprüfter Bestatter und seit 2011 Handwerksmeister im Bestattungsgewerbe. Mein Beruf erfüllt mich, sonst könnte ich ihn auf Dauer nicht ausüben. Ich bin mir sicher, dass die Trauernden merken, ob man diesen Job von Herzen oder aus finanziellen Gründen ausübt.“

Welchen Anforderungen muss eine Bestattungsfachkraft, deiner Meinung nach, genügen?
„Die körperlichen Anforderungen dieses Berufes sind nicht zu unterschätzen, dementsprechend sollte man sich in einer guten physischen, aber auch psychischen Verfassung, befinden und robust sein. Häufig muss man schwer heben. Weiterhin sollte man ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen, insbesondere im Umgang mit den Angehörigen, vorweisen können. Anstand, Benehmen und Menschenkenntnis sollten zu den fundamentalen Eigenschaften eines Bestatters gehören. Ein Bestatter ist auch ein Seelsorger. Die selbstauferlegte Verschwiegenheit und ein sensibler Umgang sind in diesem Gewerbe unabdingbar, denn man erhält teilweise tiefe Einblick in das Familienleben.“

Was schätzt du am Meisten an deinem Beruf?
„Für mich bestehen zwei Grundpfeiler, die ich an diesem Beruf so schätze. Einerseits den Umgang mit den Verstorbenen selbst und andererseits den Umgang mit den Angehörigen. Ich bin dafür verantwortlich den Verstorbenen einen würdigen Abschied aus dieser Welt zu vermitteln. Ich kleide sie ordentlich und sorge dafür, dass ein „sauberes“ Bild entsteht. Für die trauernden Menschen kann ich eine Stütze sein und Trost spenden. Der erste Kontakt ist ungewohnt, aber bei den weiteren Treffen sehe ich oftmals wieder Hoffnung in den Augen meiner Klienten. Zudem ist die Nachsorge, auch Monate später, ein wichtiger Punkt, den ich mir sehr zu Herzen nehme. Jeder Trauernde benötigt eine individuelle Betreuung. Wir Bestatter fungieren oftmals als Trauerpsychologen.“

 

 

Hast du schon oft die Erfahrung gemacht, dass Menschen deine Berufswahl nicht nachvollziehen können?
„Ja, aber heute stehe ich da drüber. Gerade als Kind war alles nicht so einfach. Da hieß es schon Mal „Bei dich kommen wir nicht spielen, ihr habt Tote im Haus!“ oder „Dir gebe ich nicht die Hand, du hast tote Menschen angefasst!“ Ich denke in der heutigen Zeit ist dieser Beruf gesellschaftsfähiger, heut zu Tage hinterfragen die Menschen mehr. In meinem Bekanntenkreis begegnet mir am häufigsten Neugier. Viele interessieren sich dafür, was ich den ganzen Tag über so arbeite. Pro Sterbefall beträgt der Gesamtaufwand zwischen 5 und 10 Stunden. Ich bin immer im Dienst und habe nie richtig Feierabend, da ich jederzeit auf Abruf sein muss. Ich war bereits mehrfach als Referent in Schulen, sozialen und gemeinnützigen Einrichtungen tätig. Dabei war es sehr auffällig, dass der Vortrag an sich nur circa 20 Minuten dauerte, aber die Fragen und die daraus resultierenden Konversationen hingegen bis zu 2 Stunden andauerten. Das waren wirklich anregende und interessante Gespräche, die da entstanden sind.“

Wie hältst du diese psychischen Belastungen aus?
„Man muss sich auf jeden Fall eine dicke Haut aneignen und sich abgrenzen können. Zuhören und gleichzeitig Abschalten können ist eine wesentliche Voraussetzung um sich selbst schützen zu können. Das gelingt mir in der Regel immer. Nur in besonderen Fällen nehme ich Gedanken auch mit nach Hause. Manche Situationen gehen einem nahe, genau dann merkt man aber, dass man ein Mensch ist und das ist auch in Ordnung. Dieses Gefühl stärkt mich eher, als, dass es mich schwächt. Wer sagt, dass das alles nicht zutrifft, der ist, meiner Ansicht nach, gefühlskalt oder er lügt.“

Was sind die Schattenseiten an deinem Beruf? Was ist das Schwerste?
„Für mich ist die dauerhafte Bereitschaft der belastendste Faktor, denn darunter leidet das Familienleben am Meisten. Gerade deshalb ist es auch sehr schwer Personal zu finden. Wie oft wäre ich beim gemütlichen Grillen mit der Familie lieber dort geblieben, statt kurzfristig wieder arbeiten zu gehen? Naja, aber das gehört eben zu meinem Job.
Ich denke, dass die Betreuung von Eltern, die ihre Kinder verloren haben, eine besonders schwierige Herausforderung darstellt.“

Was war das Schlimmste, was du während deines Berufslebens erlebt hast?
„Vieles lässt sich so gar nicht in Worte fassen. Ich habe 15 Jahre lang Polizeibergungen durchgeführt, ich habe also schon einiges gesehen. Da Einzelfallbeispiele erkannt werden könnten, möchte ich auf diese nicht näher eingehen. Es wäre nicht in meinem Sinne Wunden aufzureißen. Ich kann allerdings zweifelsfrei sagen, dass speziell diese Situationen sehr belastend sein können, in denen man mit toten Kindern oder verstorbenen Bekannten und Freunden, zu tun hat. Als meine Tochter geboren wurde, habe ich eine Zeit lang abends immer wieder an ihrem Bett gesessen und überprüft, ob sie noch am Leben ist.“

Wie fühlt es sich für dich an, wenn du einen Toten siehst?
„Der Mensch ist Mensch, ganz gleich, ob tot oder lebendig. Ich habe keine Abneigung Toten gegenüber und fühle mich in ihrer Gegenwart auch nicht unwohl. Es ist mein Ziel die Verstorbenen so zu recht zu machen, dass ihnen ein würdiges Verlassen dieser Welt ermöglicht wird und die Angehörigen friedlich und in Ruhe Abschied nehmen können.“

 

Hast du Angst vor dem Tod?
„Ich habe Respekt, aber keine Angst. Ich bin mir darüber im Klaren, dass wir überall und jederzeit sterben können. Da bin ich sehr realistisch, ich mache mir keine weiteren Gedanken darüber, außer, dass ich jetzt schon testamentarisch vorsorge.“

Weißt du schon, wie du einmal bestattet werden möchtest?
„Die Möglichkeiten sind so vielfältig. Von der üblichen Erdbestattung und Feuerbestattung, über Seebestattung und Luftbestattung, bis hin zu einer Diamantpressung oder dem Tree of life (Baum des Lebens), wobei der Kohlenstoff aus der Asche als Dünger für eine Baumbestattung genutzt wird. Das muss ich mir noch überlegen.“

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
„Wenn ich die Todesnachricht telefonisch erhalte, bitte ich die Angehörigen die wichtigen Dokumente, wie beispielsweise Urkunden und persönliche Kleidung rauszusuchen. Dann terminieren wir einen Zeitpunkt, zu dem ich die Trauernden zu Hause aufsuche. Bei dem persönlichen Treffen besprechen wir die Bestattungsart und den Termin der Bestattung, der gesetzlich vorgeschrieben, innerhalb von 7 Tagen ( bei einer Erdbestattung) erfolgen muss. Anschließend erfolgt die Überführung und Versorgung des Verstorbenen. Ankleiden, einbetten, eventuell auch waschen oder schminken. Wenn nötig, kann eine Rekonstruktion erfolgen, die einen hohen Zeitaufwand beanspruchen kann. Anschließend kläre ich die wesentlichen Formalitäten, wie zum Beispiel die Absprache mit der Friedhofsverwaltung. Ich kümmere mich um die Herrichtung der Friedhofshalle und um die Beisetzung selbst. Bei der zweiten Zusammenkunft mit den Angehörigen übergebe ich die Sterbeurkunde und unterstütze durch die Übernahme entlastender Hilfestellungen, wie etwa Benachrichtigungen von Rententrägern, verschiedenen Versicherungen usw. Einige Wochen nach der Beerdigung besuche ich die Angehörigen nochmal, um mich um die Danksagung zu kümmern und diesbezüglich alles Weitere mit den Angehörigen abzuklären. Auch danach bin ich noch für die Trauernden auf Abruf verfügbar.“

Welche Ratschläge hast du für junge Menschen, die es in Erwägung ziehen sich um eine Ausbildungsstelle als Bestattungsfachkraft zu bewerben?
Ein mehrwöchiges Praktikum vorab, halte ich für sehr sinnvoll, um in diese Welt erst einmal reinzuschnuppern. Erfahrungsgemäß wird man in größeren Unternehmen oft ausgebeutet und durchläuft lange nicht alle notwendigen Stationen. Ganz klar ist dieser Beruf eine psychische Herausforderung. Ich empfehle diese Entscheidung gut zu durchzudenken und auch Familie und gegebenenfalls Lebenspartner miteinzubeziehen. Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit, körperliche Tauglichkeit, ein Führerschein der Klasse B und Empathie sind unerlässliche Kompetenzen.“

Was empfiehlst du Trauernden?
„Das ist stark situationsabhängig. Trauer braucht Zeit. Reden, reden, reden, das ist ganz wichtig. Die Trauernden müssen die Möglichkeit haben sich aussprechen zu können, wenn sie dazu bereit sind.
Meine Empfehlung ist eine Abschiednahme am offenen Sarg, denn ich finde, dass man das Geschehene so besser begreifen kann. Insbesondere, wenn man ein negatives Abschiedsbild im Kopf hat, lässt sich ein solches dadurch ersetzen und korrigieren. So kann man eine negative Erinnerung, zum Beispiel, als man den Verstorbenen gefunden hat, durch ein positives Bild überschreiben. Sofern nötig, rate ich dazu psychologische Betreuung in Anspruch zu nehmen.“

„Ihr sollt nicht um mich weinen, ich habe ja gelebt. Der Kreis hat sich geschlossen, der zur Vollendung strebt. Und glaubt nicht, weil ich gestorben, dass wir uns ferne sind, es grüßt euch meine Seele, als Hauch im Sommerwind. Und legt der Hauch des Tages, am Abend sich zur Ruh, send ich als Stern am Himmel euch meine Liebe zu.“ [Hans Kreiner]

 

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