Mittlerweile haben sich in unserem Landkreis über 3000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Manche litten unter gesundheitlichen Einschränkungen, andere hatten keinerlei Beschwerden. Die Familie der 31-jährigen Bürokauffrau Elisa N. aus der Gemeinde Oberthal war infiziert. Im folgenden Artikel spricht sie über Sorgen, Ängste, ihre Zeit in Quarantäne und vieles mehr.
wndn.de: Elisa, deine Familie war mit dem Coronavirus (COVID-19) infiziert- wie ist es dazu gekommen, und wie ging es dir damit?
Elisa: „Gegen Ende des letzten Jahres hat sich mein engstes familiäres Umfeld mit dem Coronavirus angesteckt. Es begann bei meinen Großeltern, erst hatte es mein Opa, dann meine Oma. Im Anschluss steckte sich mein Bruder, gefolgt von meiner Mutter, an. Nur mein Vater und ich blieben von dem Virus verschont, mussten aber, wie auch mein Partner und der Rest der Familie, in Quarantäne. Wir hatten nicht nur Sorge um unsere Familienmitglieder, insbesondere um die Älteren, sondern auch die Befürchtung, uns selbst zu infizieren. Hinzu kam die seelische Belastung einer mindestens vierzehntägigen Isolierung von der Außenwelt.
Wie sich im Nachhinein herausstellte, hatte sich mein Großvater bei einem Freund seiner Altersklasse beim Kartenspielen angesteckt. Letztlich waren alle älteren Herrschaften, die an dem freundschaftlichen Treffen teilgenommen hatten infiziert, und so nahm die Ansteckungskette ihren Lauf.
Nichtsahnend besuchte mein Opa uns ein paar Tage später zu Hause, um mit meinem Bruder gemeinsam ein Fußballspiel anzuschauen. Kurz danach erhielt er einen Anruf vom Gesundheitsamt, dass er sich umgehend in häusliche Quarantäne begeben muss.
Wenige Tage später stand fest, dass mein infizierter Bruder auch meine Mutter angesteckt hatte. Trotz der Tatsache, dass sowohl mein Bruder, als auch meine Eltern und ich separate Wohnbereiche besitzen, wurde auch meine Mutter innerhalb der darauffolgenden Tage positiv getestet.
Ich muss zugeben, dass ich sehr erschrocken und betroffen war, als plötzlich so viele geliebte Menschen um mich herum infiziert waren und gesundheitliche Beschwerden hatten. Anfang 2020 hörte man von einem Virus in China, und es schien so fern. Wenig später war genau dieses Virus im kleinen beschaulichen Oberthal angekommen, das war sehr unwirklich. Ich fühlte mich hilflos, denn ich wollte natürlich für meine Familie da sein, musste mich aber meiner Gesundheit zu Liebe von ihnen fernhalten und das war kurz vor Weihnachten wirklich frustrierend und traurig.“
Wie groß war die Sorge um deine Familie und die Angst, selbst auch mit dem Virus infiziert zu werden?
„Natürlich hatte und habe ich Respekt vor dem Virus und wollte keine gesundheitlichen Probleme bekommen, gerade auch, weil ich aufgrund verschiedener Vorerkrankungen sowieso schon ein sehr anfälliges Immunsystem habe. Meine allergrößte Sorge war jedoch der Gesundheitszustand meiner Familie, insbesondere der meines Großvaters. Mein Opa lag für einen längeren Zeitraum auf der Intensivstation im Marienkrankenhaus in St. Wendel und musste beatmet werden. Die Ungewissheit, ob er diese körperlichen Strapazen im Alter von 81 Jahren noch überstehen würde, war fast unerträglich. Es war täglich ein emotionales Auf und Ab. Auf der Arbeit konnte ich oft nicht klar denken und fühlte mich von manchen Arbeitskollegen nicht ernst genommen. Ich wurde ständig mit mangelnder Empathie, regelrechter Ignoranz und Verharmlosung der Fakten konfrontiert. Erst wenn man selbst in einer solchen Lage ist, wie ich es war, weiß man wovon man spricht. Erst dann merkt man, wie ernst Corona sein kann. Schlaflose Nächte gehörten in dieser Zeit zu meinem Alltag, denn ich habe mit meiner Familie mitgefühlt und mitgelitten.“
Was war deine größte Angst in der Situation, in der einige deiner Familienmitglieder infiziert waren?
„Neben meinem Opa, ging es auch meiner vorbelasteten Mutter und meinem jüngeren Bruder körperlich nicht gut, und das war besorgniserregend. Meine größte Angst war der Gedanke daran, dass mein Opa sterben könnte. Wenn eine Person, der man so nah steht, körperlich so schwach ist und es unklar ist, ob sie den Kampf gegen das Virus überleben wird, dann ist das schlimm. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und mir setzte diese Situation besonders stark zu.“
Das ist absolut verständlich. Du und deine Familie mussten in Quarantäne- wie hast du diese Zeit verbracht? Wie schwer fiel es dir, zu Hause zu bleiben und das Haus gar nicht verlassen zu dürfen?
„Meine Oma, mein Freund und ich waren in zweiwöchiger Quarantäne, meine Mutter musste insgesamt vier Wochen zu Hause bleiben, und mein Vater durfte aufgrund seiner Arbeit als Lehrkraft in Summen sogar sechs Wochen lang das Haus nicht verlassen.
Als absehbar war, dass ich wohl auch in Quarantäne muss, erledigte ich noch einen Großeinkauf für die gesamte Familie. Die ersten Tage der „Ausgangssperre“ waren noch recht entspannt, danach überlegte ich mir Tagesaufgaben, um mich zu beschäftigen und von der Gesamtsituation etwas abzulenken. Ich bestellte Weihnachtsgeschenke, war kreativ tätig, schaute Serien und befasste mich mit Haushaltsangelegenheiten, die schon längst überfällig waren. Jeden Tag telefonierte ich mit meinen Eltern und meinem Bruder und erkundigte mich im Krankenhaus nach dem Gesundheitszustand meines Großvaters. Die Telefonate schafften zumindest etwas Nähe und gaben mir das Gefühl trotzdem gemeinsam stark zu sein. Ich war ebenso in regem telefonischem Kontakt mit Freunden und Bekannten. Um die Situation für meine Familie zu erleichtern, organisierte ich Personen, die für uns einkaufen und täglich mit dem Hund Gassi gingen. Von Tag zu Tag wurde es schwerer, so isoliert zu leben und zu wissen, dass man keinen Fuß vor die Tür setzen darf. Irgendwann waren auch die Aufgaben meiner To-Do-Liste erledigt und ab da war es schwierig die Zeit rumzukriegen. Ich durfte keinen Besuch bekommen, keine Freunde treffen, nicht einmal spazieren gehen. Jeder, der zwangsweise schon mal in Isolation war, weiß wie anstrengend und kräftezehrend das sein kann. Als ich wieder mehr Zeit zum Nachdenken hatte, traten die Sorgen um meine Familie wieder stärker in den Vordergrund. Ich war froh, dass mein Partner bei mir war und wir die uns beiden auferlegte Quarantäne gemeinsam verbrachten, so konnte ich meine Sorgen und Ängste teilen und war nicht ganz alleine damit.
Nach 14 Tagen war ich erleichtert und glücklich, als ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder freier leben und mich außerhalb meiner Wohnung aufhalten durfte. Ich war positiv gestimmt, aber auch etwas ängstlich, weil ich nicht wusste, was mich als Nächstes erwartet.“
Elisa, wie stehst du zu den aktuellen Coronamaßnahmen?
„Seit mehrere Menschen meines familiären Bezugskreises von Corona betroffen waren und ich die damit verbundenen Konsequenzen erlebt habe, bin ich deutlich vorsichtiger. Ich überlege mir nun zweimal, ob und wen ich treffe. Heute bin ich sehr froh, dass es meiner Familie, auch meinem Opa nach langer Zeit wieder besser geht. Familie und Gesundheit sind das Wichtigste im Leben und das verdeutlichten mir die Geschehnisse der Vergangenheit nochmal. Zusammenhalt hat in solchen Lebenslagen Priorität.
Wir alle sind diese Situation leid, aber dennoch halte ich die meisten reglementierenden Maßnahmen für notwendig. Alles, was vorher so normal war, ist jetzt Luxus: Treffen mit den Liebsten, Kino- und Restaurantbesuche, Events, Reisen. Wer vermisst dieses unbeschwerte Leben nicht? Dennoch versuche ich den Fokus auf das Positive, nämlich auf das Glück darüber, dass meine Familie weitestgehend wieder gesund ist und auf die Vorfreude auf die einfachen Dinge, die unser Leben so schön machen, zu setzen. Seit den Einschränkungen weiß ich alles Selbstverständliche wieder viel mehr zu schätzen. Ich schaue nach vorne und freue mich auf eine tolle Zeit in naher Zukunft.“
Das klingt auch so, also wolltest du dich impfen lassen?
„Ja, ich werde bald geimpft. Das Impfen halte ich allgemein für wichtig, damit die Herdenimmunität schnellstmöglich voranschreitet und solche Situationen, wie in unserer Familie oder sogar noch schlimmer, mit Corona verbundene Todesfälle, nicht mehr geschehen. Je mehr Personen sich impfen lassen, desto schneller ist unser Weg zurück zur Normalität. Mit einer Impfung schützen wir nicht nur uns selbst, sondern auch Personen, die aus bestimmten Gründen nicht geimpft werden können.“
Einige Menschen möchten sich nicht impfen lassen, weil die möglichen Langzeitfolgen der Covid-19-Impfstoffe noch nicht erforscht sind.Hast du diesbezüglich keine Bedenken?
„Da ich eine Autoimmunerkrankung habe, beschäftigte ich mich mit dieser Thematik bereits ausführlich. Nach meinen Recherchen, unter anderem durch Gespräche mit Fachärzten, wird oftmals das als Langzeitfolge bezeichnet, was eigentlich sehr seltene Nebenwirkungen sind. Solche können erst erkannt werden, wenn der Impfstoff in großen Mengen verimpft wurde. Natürlich besteht auch bei mir eine gewisse Sorge, ob ich direkt oder zu einem viel späteren Zeitpunkt auf den Impfstoff reagieren werde, aber auch hier versuche ich positiv zu denken und mich auf unseren normalen schönen Alltag, der an die Impfung geknüpft ist, zu freuen.“
Was möchtest du Menschen, für die Corona nicht existent ist, mitteilen?
„Mich macht es ehrlich gesagt sauer, wenn ich etwas von Corona-Leugnern sehe oder höre. Wenn diese Menschen die Sorgen und Ängste miterlebt hätten, die meiner oder anderen Familien widerfahren sind, würden sie vermutlich anders denken. Die Angst um seine Liebsten bewirkt einiges in einem Menschen. Es kann jeden treffen, darüber sollte man sich im Klaren sein. Manche Personen haben keine Symptome, andere dafür umso stärkere Beschwerden und das auch im jungen Alter. Zudem ist es ist unklar, welche Langzeitschäden nach einer Corona-Erkrankung zurückbleiben können. Kritisch zu sein und Dinge zu hinterfragen ist nicht verkehrt, aber die Augen vor den Fakten zu verschließen, Verschwörungstheorien zu verbreiten und die Regierung für alles verantwortlich zu machen, bringt nichts. Ich wünsche mir von vielen Menschen mehr logischen Menschenverstand, Einfühlungsvermögen und Respekt.“