St. Wendel: „Vergiss nicht, was du gesehen und gehört hast“ – Dialogpredigt fand zahlreiche Zuhörer

Hartmut König

St. Wendel. Am vergangenen Sonntag, 12.01.2020, fand in der evangelischen Stadtkirche eine Dialogpredigt gegen das Vergessen unter dem Leitspruch „Vergiss nicht, was du gesehen und gehört hast!“ statt. Pfarrer Gabriel Schäfer und seine Konfirmanden befassten sich in diesem Gottesdienst mit Themen wie Antisemitismus, Fremdenhass und Parallelen zwischen Zeiten während des Zweiten Weltkrieges und den heutigen. Hartmut König, Diakon i.R., trat mit einem sehr persönlichen Erfahrungsbericht aus der Kriegs- und Nachkriegszeit an die Menschen heran.

Es war ein besonderer Gottesdienst am Sonntag in der ev. Kirche in St. Wendel. Dieses Mal drehte sich alles um Themen aus Zeiten um den Zweiten Weltkrieg, die viele Jahrzehnte zurückliegen und doch aktueller kaum sein könnten. Hartmut König, Diakon i.R. und Gabriel Schäfer, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde St. Wendel, leisteten gemeinsame Vorarbeit mit dem Ziel, gegen das Vergessen vorzugehen. „Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit nehmen in den heutigen Zeiten wieder zu“, so König. Sein großes Anliegen ist es, dass nicht vergessen wird, wie weit es hierzulande einst gekommen ist, damit es eben nicht mehr so weit kommen kann.

König berichtete von seinen eigenen, persönlichen Erfahrungen und berührte damit seine Zuhörer. Als Sohn einer halbjüdischen Mutter stand ihm schon kurz nach seiner Geburt ein schweres Schicksal bevor. Er berichtete davon, dass das Krankenhaus, in dem er zur Welt kam, kurze Zeit später bombardiert wurde. Seine Mutter bestand auf eine Nottaufe, diese wurde durchgeführt, als er gerade einmal zehn Minuten alt war. Damit beide – Mutter und Kind – eine bessere Überlebenschance haben, wurden sie in getrennten Bunkern untergebracht und König wurde das Namensbändchen entfernt. Beide haben überlebt, dafür aber einander verloren. „Durch eine göttliche Fügung haben wir uns drei Jahre später wiedergefunden“, erzählte König.

Königs jüdischer Großvater überlebte den Zweiten Weltkrieg ebenfalls knapp. Versteckt in einem Haus in Holland konnte er nicht gefasst werden. Das Erschreckende: Im Haus nebenan versteckte sich Anne Frank und ihre Familie. Die dem Nationalsozialismus und seinen Gräueltaten zum Opfer gefallen sind.

Zurück in seiner Familie wuchs er mit jüdischen und christlichen Werten und Festen auf. Sein Großvater war sein großes Vorbild und auch heute ist er noch sehr stolz darauf, zu einem Viertel Jude zu sein. Aber er sagt auch, dass sich jüdische Mitbürger hierzulande zunehmend unsicherer fühlen. Der Anschlag von Halle im Oktober 2019 zeigte, dass durchaus eine große Gefahr von radikalisierten Rechtsextremisten und Antisemiten ausgeht.

Im Gottesdienst am vergangenen Sonntag betonte er noch mal die Bedeutung des Erinnerns. „Wir müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.“

Auch die Konfirmanden beschäftigten sich vor dem Gottesdienst eingehend mit der Erinnerungsarbeit. Pfarrer Schäfer thematisierte sie im Konfirmandenunterricht. Für den Gottesdienst verfassten die sie eigene Fürbitten, die sie nach Königs Erfahrungsbericht vortrugen. Hier merkte man, dass auch die jungen Menschen sich ernsthaft mit der Thematik auseinandersetzten.

Als Schlusslied hatte sich König das Lied „Donna Donna“ ausgesucht, dem er eine besondere Bedeutung zuschreibt: „Der Text handelt von einem Kälbchen, das sich nicht wehren konnte, als es zur Schlachtbank geführt wurde; hingegen die Schwalbe aber kann selbstbestimmt ihre Eigenständigkeit ausleben. Der Text verdeutlicht die Situation der Juden in der Zeit des NS-Regimes. Die Worte Donna Donna sollen nach Meinung einiger auf das hebräische „Donaj“ zurückgehen, was als Kurzform von Adonai, einer im Hebräischen üblichen Anrede von Gott angesehen wird. Über die Entstehung des Textes gibt es unterschiedliche Aussagen: zum einen steht die Vermutung im Raum, dass der Text im Warschauer Ghetto entstanden sei; eine andere Auffassung sagt, dass die Urheberschaft dem im KZ Auschwitz ermordeten Schriftsteller Jizchak Katzenelson zugeschrieben wird. Erstmals habe ich das Lied während der Gedenkzeremonie 80 Jahre Reichspogromnacht vor und in der Synagoge Saarbrücken gehört und mich danach mit dem Text intensiv beschäftigt.“

König und Pfarrer Schäfer werden sich weiterhin stark in der Erinnerungsarbeit engagieren.

Wndn.de hat den Gottesdienst am vergangenen Sonntag für euch mitgefilmt, hier das Video:

https://www.facebook.com/wndnde/videos/1005665686477028/

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