„Bereits mein erster Tag auf der neuen Arbeitsstelle war ein Schock. Fast ausnahmslos war ich umgeben von unprofessionellen, unhöflichen Arbeitskollegen, die mich als Neuling nicht akzeptierten und mir demonstrierten, dass ich hier nicht gewollt bin. Ein großes Problem war, dass sie nur einander, nicht aber eine außenstehende Person in ihrem Kreis duldeten. Seit diesem Tag ging ich nahezu immer mit einem schlechten, bedrückenden Gefühl und oft auch mit Magenkrämpfen zur Arbeit. Allein der Gedanke an meinen Arbeitsplatz frustrierte mich und machte mich traurig, wütend und ängstlich zugleich. Ignoranz und Hänseleien, haltlose Vorwürfe und verachtende Handlungen – wie immer wiederkehrende Unterstellungen, Anfeindungen und herablassende Bemerkungen, auch vor Vorgesetzten- gehörten zur Tagesroutine. Ich konnte mich auch noch so sehr bemühen und unterstützen, es brachte nichts. Machte ich einen verhältnismäßig kleinen Fehler, brach ein Inferno aus, und war ich mal krank oder wollte Urlaub machen, war der Untergang abzusehen. Man war gegen mich und das ab Tag eins. Ich hatte keine Chance gegen die bestehenden Strukturen anzugehen. Ich versuchte mich zu wehren und begann mit abteilungsinternen Gesprächen, suchte mir Verbündete, ging zum Betriebsrat und zur Personalabteilung, aber es änderte sich einfach nichts. Warum sollen Arbeitnehmer ihr Verhalten ändern, wenn sie keinerlei Grenzen aufgezeigt bekommen und ihnen für all ihr verurteilenswertes Handeln nicht einmal ein Wort der Konsequenz widerfährt? Wenn sich die Führungskraft für das Betriebsklima und die bestehenden Probleme nicht interessiert und alles durchgehen lässt, hat man verloren. Die Einleitung rechtlicher Schritte kam für mich nicht in Frage, weil ich mir selbst diesen Stress nicht antun wollte und letztlich kündigte ich nach drei Jahren meinen Job. Aber warum wurde ich gemobbt? In diesem Fall war es meiner Ansicht nach, weil sich die Mobber nach Macht und Kontrolle sehnen, neidisch sind und ihr Konkurrenzdenken sehr ausgeprägt ist. Wenn andere vor ihnen Angst haben, fühlen sie sich besser und stärker. Außerdem möchten sie von eigenen Misserfolgen ablenken, indem sie andere öffentlich und lautstark niedermachen. Heute bin ich sehr glücklich, dass ich diesen drastischen Schritt gewählt habe, denn seitdem arbeite ich mit netten, hilfsbereiten Kollegen zusammen, die mich respektvoll behandeln und mich schätzen. Ich wünsche jedem, der Mobbing am Arbeitsplatz erlebt, die Kraft tapfer zu bleiben und sich zu wehren, wenn nötig auch vor Gericht“, berichtet Mobbingopfer Timo L. aus St. Wendel.
Wiederkehrende Unstimmigkeiten unter Kollegen und mit dem Chef sind nicht ungewöhnlich. Hin und wieder bestehen unterschiedliche Ansichten und Differenzen, und manchmal kann eine Diskussion auch hitzig werden. Ein ernstzunehmendes Problem entsteht jedoch, wenn die Kommunikation am Arbeitsplatz stark konfliktbehaftet ist und eine oder mehrere Personen dauerhaft angegriffen und diskriminiert wird/werden. Du wirst an deinem Arbeitsplatz niedergemacht und es werden herabwürdigende Behauptungen über dich verbreitet? Du wirst von Meetings und in Pausen ausgegrenzt? Dir werden immer wieder Aufgaben übertragen, die in dem vorgegebenen Zeitraum nicht zu bewältigen sind? Dein Kollege nutzt deine Abwesenheit, um bei deinen Vorgesetzten abwertende Kritik zu äußern? Du fühlst dich respektlos behandelt? Du wirst regelmäßig von Arbeitskollegen angefeindet? Was Mobbing am Arbeitsplatz ist, wie es entsteht, welche Folgen es hat und wie du dich dagegen wehren kannst, erfährst du im folgenden Artikel.
Was versteht man unter Mobbing am Arbeitsplatz?
Das Wort Mobbing leitet sich aus dem Englischen von „to mob“ ab und bedeutet bedrängen, anpöbeln beziehungsweise attackieren. Mobber wollen ihre Opfer ganz bewusst und gewollt verletzen, in dem sie diese auf verschiedenste Art und Weise systematisch immer wieder beleidigen, erniedrigen und einschüchtern. Laut Bundesarbeitsgericht bezeichnet Mobbing am Arbeitsplatz „das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte“ (BAG 15.01.1997 – AZR 14/96, NZA 1997,781). Eine ausführlichere Definition beschreibt der Frauenförderplan: „Unter Mobbing versteht man nach arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach Art und Ablauf einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen“. Betroffene berichten häufig von wiederkehrenden respektlosen Verhaltensweisen. Immer häufiger beschreiben Opfer die Feststellung einer Verrohung, die mit dem Mobbing einhergeht. Wirtschaftsjurist Maurice Collet aus Bliesen erklärt hierzu: „Die rechtliche Besonderheit von Mobbing besteht darin, dass nicht eine abgrenzbare Einzelhandlung, sondern die Zusammenfassung mehrerer Handlungen zu einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte oder der Gesundheit des Arbeitnehmers führt. Wesentliches Merkmal von Rechtsverletzungen des Arbeitnehmers durch Mobbing ist die systematische, sich aus vielen einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen resultierende Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten oder eines Rechts beziehungsweise Rechtsguts. Alles, was als Mobbing bezeichnet wird, ist aber nicht auch arbeits- und schadensrechtlich relevant. Relevant ist etwa das Verbreiten von Gerüchten, unsachliche oder herablassende Kritik, das Ausschließen aus der betriebsinternen Kommunikation und Anwesenheitskontrollen oder verschärfte Arbeitskontrollen.“
Wie entsteht Mobbing am Arbeitsplatz?
Mit seinen Kolleginnen und Kollegen und Mitarbeitenden verbringt man viel Zeit und das oft auf engstem Raum. Mobbing entsteht häufig am Arbeitsplatz, weil sich hier schnell Konkurrenzkämpfe und daraus resultierende Feindschaften bilden. Statt gemeinsam an einem Strang zu ziehen, im Team zusammen zu arbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen, neigen meist unzufriedene Arbeitnehmer zu Ausgrenzung und Anfeindungen. Meistens stecken hinter den Verbalattacken und den Mobbing- Handlungen ein geringes Selbstwertgefühl, Neid und Missgunst. Man kann es sich wie bei einer Wippe für Kinder vorstellen: Der Mobber versucht sich höher zu stellen, er fühlt sich groß, stark und gegenüber dem, der unten sitzt, beziehungsweise dem, den er schlechtmacht, überlegen. Ganz nach dem Motto: „Wenn es dir schlecht geht, geht es mir gut!“ Wenn man das Ganze so betrachtet, ist Mobbing eher ein Ausdruck der Schwäche als der Stärke. Weitere Ursachen von Mobbing am Arbeitsplatz können etwa privater und oder arbeitsbedingter Stress, ungerechte Arbeitsverteilung, ungleiche Behandlung, fehlende Führungsstärke, mangelhafte Kommunikation, allgemeine Unzufriedenheit uvm. sein.
Welche Folgen hat Mobbing am Arbeitsplatz?
Mobbing am Arbeitsplatz ist ein ernstzunehmendes Thema, weil es den persönlichen Gesundheitszustand, die individuelle Arbeitsqualität und die Karriere nachhaltig negativ beeinflussen oder sogar zerstören kann. Die Konsequenzen von Mobbing führen bei Opfern insbesondere zu länger andauernden Krankheitszeiten aufgrund vielfacher Belastungen. Mobbingopfer berichten über eine Kette von Empfindungen, angefangen bei Demotivation, Anspannung und Konzentrationsstörungen über endloses Gedankenkreisen und Angstzustände bis hin zu psychosomatischen Beschwerden wie Schlaflosigkeit, Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden und letztlich der Einschränkung der individuellen Leistung und Lebensqualität.
Wie können sich Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz wehren?
Dass sich Opfer von Mobbing auflehnen und wehren müssen, steht außer Frage. Oftmals kann ein klärendes Gespräch, in dem die Mobbinghandlungen ganz konkret mit dem Mobber thematisiert werden, viel bewirken. In manchen Fällen ist dies jedoch ohne professionelle Unterstützung nicht möglich. Bleibt ein Gespräch erfolglos, steht Betroffenen ein Beschwerderecht zu. Ebenso ist das frühzeitige Informieren des Arbeitgebers empfehlenswert, da dies teilweise Voraussetzung für die Geltendmachung der nachfolgend erläuterten Ansprüche ist. In manchen Betrieben existiert sogar ein festgeschriebenes Konfliktmanagementkonzept, das in solchen Fällen angewandt wird und helfen kann. Häufig ist die anwaltliche oder rechtliche Beratung über die Arbeitskammer ratsam. Collet führt dazu weiter aus: „Bei als Mobbing bezeichneten Handlungen können von dem gemobbten Arbeitnehmer verschiedene Ansprüche geltend gemacht werden, weil Mobbing in der Regel ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt. Denkbar sind Schadensersatzansprüche (aus unerlaubter Handlung) inklusive eines Anspruchs auf Schmerzensgeld. Führt das Mobbing zu Körper- oder Ehrverletzungen, können auch die strafrechtlichen Tatbestände der Körperverletzung oder der Beleidigung erfüllt sein. Der Mobber kann (in bestimmten Fällen) auch haften, sofern der gemobbte Arbeitnehmer seine Arbeit verliert. Neben diesen Ansprüchen kann der Gemobbte unter Umständen Unterlassungsansprüche geltend machen. Stellt das Mobbing auch eine Belästigung (i.S.d. § 3 III AGG***) dar, sind zusätzlich Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche (aus § 21 AGG möglich). Zudem kann sich der betroffene Arbeitnehmer an den Betriebsrat (sofern vorhanden) wenden und eine Beschwerde einlegen. Der Arbeitgeber und der Betriebsrat sind dazu berufen, darüber zu wachen, dass jegliche Diskriminierungen bezüglich ethnischer Herkunft, Nationalität, Religion usw. unterbleiben. Im Falle einer solchen Beschwerde kann der Betriebsrat seine Rechte ausüben und vom Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung des mobbenden Arbeitnehmers verlangen, um den Betriebsfrieden wiederherzustellen. Dem Arbeitgeber obliegt außerdem die vertragliche Nebenpflicht, den Arbeitnehmer vor Verletzungen seiner Persönlichkeitsrechte und Eingriffen in die körperliche nUnversehrtheit zu schützen. Demnach muss der Arbeitgeber Maßnahmen treffen, um Mobbing zukünftig zu vermeiden. Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht schuldhaft nicht nach, kann der Gemobbte vertragliche Ansprüche gegenüber seinem Arbeitgeber geltend machen. In Betracht kommt hier eine Verletzung der Fürsorgepflicht. Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft diese Schutzpflicht, macht er sich schadensersatzpflichtig und haftet gegebenenfalls auch auf Schmerzensgeld. Parallel dazu kann dem gemobbten Arbeitnehmer bis zur Beseitigung der Beeinträchtigung ein Zurückbehaltungs- bzw. Verweigerungsrecht seiner Arbeitsleistung zukommen. Voraussetzung dafür ist aber die eindeutige und konkrete Benennung einer Pflichtverletzung. Die Zurückbehaltung der Arbeitsleistung „wegen Mobbing“ ist nicht ausreichend und es kommt zum Leistungsverzug des Arbeitnehmers. Wird das Verweigerungsrecht rechtmäßig ausgeübt, hat der Beeinträchtigte weiterhin Anspruch auf Arbeitsentgelt. Die Verhaltensweisen bei Mobbing sind systematisch miteinander verknüpft, demnach ist Mobbing ein Dauerzustand. Folglich beginnt der Ablauf der Verfallfristen für die oben genannten Ansprüche erst bei Abschluss des zeitlich letzten Einzelverhaltens innerhalb nder gegen eine Person gerichteten Mobbingattacken. Neben den genannten Ansprüchen kann der betroffene Arbeitnehmer jederzeit das Arbeitsverhältnis außerordentlich kündigen.“
Wie kann man Mobbing beweisen?
Nach Rechtsprechung ist jede Belästigung (i.S.d. § 3 III AGG) Mobbing, aber nicht jedes Mobbing stellt zugleich auch eine Belästigung im Sinne des AGG dar. Daraus ergibt sich, dass die Privilegien des AGG, insbesondere die Beweislasterleichterung, nicht jedem Gemobbten zustehen. Der Arbeitnehmer, der sich auf einen Mobbingsachverhalt beruft, trägt demnach grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast. Dabei muss er nicht jeden Einzelakt, sondern den von ihm behaupteten Gesamtzusammenhang der einzelnen Teilakte
darlegen bzw. beweisen. Der Gemobbte muss eine konkrete Schilderung jeder vorgeworfenen Handlung mit zeitlicher Lage, Anlass und Ablauf sowie beteiligten Personen abgeben. Es liegt nahe, dass sich der betroffene Arbeitnehmer in Beweisnot befinden wird, dennoch lehnt das Bundesarbeitsgericht eine Beweiserleichterung oder eine Beweislastumkehr ab. Nur sofern es sich bei dem Mobbing um eine Diskriminierung nach dem AGG handelt, muss der Gemobbte lediglich Indizien beweisen. Allgemein gilt:
Gelingt dem Arbeitnehmer die Beweisführung, muss der Anspruchsgegner zum einen darlegen und beweisen, dass die Einzelakte für sich genommen gerechtfertigt sind und keine Rechtsverletzung begründen. Zum anderen muss er darlegen und beweisen, dass auch kein Gesamtzusammenhang besteht. Eine denkbare und anerkannte Methode um Mobbing beweisen zu können, ist das Führen eines sogenannten „Mobbingtagebuches“. Um volle Beweiskraft und gerichtliches Gehör zu erlangen, muss dieses allerdings über einen längeren Zeitraum geführt werden. Neben dem Mobbingtagebuch stehen dem Gemobbten die üblichen Beweismittel wie Zeugenaussagen oder eventuelle Schriftstücke, aus welchen Mobbing zu erkennen ist, zur Verfügung“, so der Wirtschaftsjurist. Wir wünschen allen Betroffenen viel Kraft, Durchhaltevermögen, Zuversicht und Positives Denken im Kampf gegen Mobbing am Arbeitsplatz!
Erklärung:
***AGG= Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz