„Gefahren sehe ich vor allem in der grundsätzlichen Freigabe von Cannabis“ – Interview mit Staatssekretär Stephan Kolling

Symbolbild

fragkolling-10-2016Sozial-Staatssekretär Stephan Kolling möchte in seinem morgigen Facebook-Chat das Thema „Cannabis legalisieren? – Moderne Drogenpolitik im Saarland“ aufgreifen. Wir haben vorher mit ihm über die Cannabis-Legalisierung und die Drogenpolitik des Saarlandes gesprochen.

wndn.de: Herr Kolling, das Thema, Cannabis zu legalisieren wird seit Jahren sehr kontrovers diskutiert. Wie stehen Sie persönlich zu den Aussagen der Verfechter der Legalisierung von Cannabis, dass ja auch Alkohol eine Genussdroge ist und sich hierüber trotz der bekannten Nebenwirkungen niemand ausreichend Gedanken zum Konsum macht?

Stephan Kolling: Ich stimme hier ausdrücklich zu. Alkohol ist eine Droge und wird zum Genuss, aber auch zur Lebensbewältigung gebraucht und hat ein erhebliches Suchtpotential. Ich bin daher sehr froh, dass der Konsum von Alkohol deutlich dank unserer Initiativen abgenommen hat.

Ich stimme daher nicht zu, dass sich niemand ausreichend Gedanken über dieses Thema macht. Bereits seit 2006 entwickelt die EU Strategien gegen Alkoholmissbrauch. So wurde z.B. in 2014 der Aktionsplan gegen den Alkoholkonsum von Jugendlichen und gegen periodische Alkoholexzesse (Komasaufen) für den Zeitraum 2014 bis 2016 verabschiedet. Gerade hat die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen ein Positionspapier herausgegeben, das die gesundheitlichen und sozialen Folgen von Alkohol thematisiert und angesichts der internationalen Forschungslage empfiehlt, dass Kinder und Jugendliche unter 18 grundsätzlich keinen Alkohol trinken sollten. Im Saarland wird das Thema „Alkohol“ von den Sucht- und Präventionsfachkräften vielfältig bearbeitet und in Projekten aufgegriffen. Wir gehen auch in ausgewiesenen Projekten das Thema gezielt an. Exemplarisch seien hier nur die  Projekte „Substanzkonsum in der Schwangerschaft“ oder „7 aus 14“, das auf das Einhalten des Jugendschutzes in Vereinen zielt, oder das Verkehrssicherheitsprogramm SaarBOB genannt. Eine Legalisierung wäre vor diesem Hintergrund sicherlich ein völlig falsches Signal.
 
Welche Vorteile sehen Sie in der Legalisierung von Cannabis als Heilpflanze?

Es ist so, dass Cannabis tatsächlich Heilwirkungen bei bestimmten Krankheiten aufweist und damit wie ein Medikament behandelt werden sollte – allerdings nur in den Fällen, in denen keine adäquate Alternativ-Medikation möglich ist. Diesem Umstand hat der Bundesgesundheitsminister Rechnung getragen und ein Gesetz zur Änderung betäubungsrechtlicher und anderer Vorschriften auf dem Weg gebracht, das es möglich machen wird, Kranke mit dem Medikament Cannabis unter Beachtung aller rechtlichen Regelungen zu versorgen. Damit ist das Thema an der richtigen Stelle platziert.
 
Welche Gefahren sehen Sie darin?

Die Gefahren sehe ich vor allem in der grundsätzlichen Freigabe von Cannabis. Tatsächlich kann man darüber diskutieren, ob angesichts der weiten Verbreitung von Cannabis in der Bevölkerung beim gelegentlichen Konsum, eine Legalisierung für Erwachsene und damit eine Entkriminalisierung Sinn machen würde. Aber angesichts der Entwicklungen in Ländern, die bereits Cannabis legalisiert haben, müssen wir davon ausgehen, dass die Freigabe für Erwachsene, eine Signalwirkung für Jugendliche hätte. Der Jugendschutz ist unser wesentliches Gegenargument. Die Fachleute aus Medizin  und Jugendpsychiatrie warnen ausdrücklich vor einer Freigabe, angesichts der Gefahren und Auswirkungen eines regelmäßigen Konsums von Cannabis bei jungen Menschen, deren Gehirne noch in der Entwicklung sind, und die sich auch sozial und emotional noch in der Entwicklung befinden. Hier stellen wir ausdrücklich den Jugendschutz an erste Stelle und sind gegen eine Freigabe.

Denken Sie, dass Präventivmaßnahmen sinnvoll sind, sollte Cannabis tatsächlich legalisiert werden? Wird es dann neben Alkoholaufklärungskampagnen auch Cannabisaufklärung geben?

Die Gefahren von Cannabis werden auch jetzt schon in den Präventionsmaßnahmen thematisiert, wenn die Situation es erfordert, und Hilfen etwa für Betroffene, für Schulen und Institutionen werden bereitgestellt.

Die Präventionsfachstellen bieten auch das Programm „FreD- Frühintervention bei erstauffälligem Sucht- und Drogenkonsum“ an. Es ist ein Programm, das jungen Menschen, die möglicherweise am Beginn einer Suchtkarriere stehen, ein frühzeitiges  Angebot macht.

Sehen Sie in der Legalisierung der Droge als Heilpflanze Schwierigkeiten in der Überwachung und Strafverfolgung bei nichtmedizinischem Konsum?

Nein. Wenn Menschen Cannabis als Medikament vom Arzt bekommen, dann ist das dieselbe Situation wie bei anderen verschreibungspflichtigen Medikamenten wie etwa bei Beruhigungsmitteln oder Psychopharmaka.

Sie sind Vater einer Tochter. Was denken Sie, ist die beste Präventionsmaßnahme, Kinder und Jugendliche über Drogen aufzuklären?

Die beste Präventionsmaßnahme ist es, in der Familie Zeit füreinander zu haben. Hinschauen und Herz und Augen aufmachen dafür, was mein Kind braucht. Mal geht es darum, richtig zu streiten, mal geht es darum, sich in den Arm zu nehmen, miteinander zu sprechen und sich zu interessieren. Kinder und Jugendliche brauchen Zuspruch und ein „Nest“ aus dem heraus sie selbstständig werden können. Und diese Selbstverantwortung muss man ihnen auch zutrauen. Das Aufklären über Drogen wird eher überschätzt. Wissen zum Thema ist gut, aber noch viel wichtiger sind gute Beziehungen in der Familie und im Umfeld.
 
Welche Programme hält das Saarland zur Suchtprävention bereit?

Das Saarland finanziert und unterstützt eine große Palette von Angeboten. Einige habe ich oben bereits erwähnt. Grundsätzlich halten wir ein flächendeckendes Angebot von Sucht- und Suchtpräventionsfachstellen vor. Die Gesundheitsämter machen ebenfalls Angebote in diesem Feld und sind mit den anderen Akteuren gut vernetzt. Mit dem Landesinstitut für Präventives Handeln haben wir ein eigens dafür ausgerichtetes Institut, das viele Aktivitäten koordiniert und in einer „Präventionskette“ von Schwangerschaft an über Kindergarten, Schule und Betrieb ein vielfältiges Angebot bereithält. Auch in der Lehrerfortbildung werden Lehrerinnen und Lehrer dabei unterstützt suchtpräventive Themen in der Schule umzusetzen.

Am morgigen Freitag stehen Sie in einem öffentlichen Facebookchat Rede und Antwort zu diesem Thema. Welche Fragen erwarten Sie und was erhoffen Sie sich von diesem Chat?

Ich erwarte die Fragen, die den Menschen auf der Seele liegen, für die sie sich interessieren und mit mir darüber ins Gespräch kommen wollen. Ich erhoffe mir davon, einmal mehr deutlich zu machen, wie ernst die Landesregierung und ich in meiner Funktion als Koordinator für das Thema Sucht und Drogen die Anliegen der Menschen nehmen und welch gutes Hilfsangebot wir vorhalten.

Foto: Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie

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