Es gibt zwei Redewendungen, von denen wahrscheinlich alle Saarländer schon einmal gehört haben: „Jeder kennt jeden“ oder „Ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der einen kennt…“
Beide Sätze beschreiben einen Grundpfeiler unseres Landlebens und spiegeln den urtypischen Gemeinschaftsgeist des Saarlandes wider. Doch wie nahezu alles im Leben, gibt es auch hier ein Für und Wider. Für das beschriebene Grundgefühl sprechen sicherlich die gegenseitige Unterstützung, Hilfsbereitschaft und persönliche Nähe zu vielen unterschiedlichen Menschen. Auf der Kehrseite der Medaille würde mancher Kritiker womöglich den Mangel an Anonymität im Alltag aufgreifen: Es sind die Momente, wenn der Nachbar weiß, dass du die Mülltonne immer am Vorabend um 19:04 Uhr vors Haus stellst. Oder Tante Brigitte fragt, warum du schon seit drei Wochen nicht mehr laufen warst. Woher sie das weiß?! Sie schaut immer aus dem Fenster und hat dich seit dem nicht mehr gesehen. Oder Kurt fragt, warum Schorschs Patrick seine Ausbildung abgebrochen hat. Das hat Schreiners Alfons am Skat Stammtisch erzählt.
Im Spannungsfeld dieser Teil-DNA des kleinsten Flächenlandes der Bundesrepublik liegt eine interessante Annahme begraben: Die Menschen im Saarland sollten von Hause aus eigentlich gute Netzwerker sein.
In der Wirtschaftswelt und darüber hinaus wird der Aufbau, die Pflege und die Erweiterung von Kontakten als Networking bezeichnet. Bei erstem Hinhören ruft der Begriff Networking nicht direkt bei allen nur positive Gedanken hervor. Schließlich haben sich die Schattenseiten schon an vielen Fallbeispielen gezeigt. Doch klammert man die negativen Beispiele aus, ist der Grundgedanke des Netzwerkens ein sehr guter. Mit einem funktionierenden Netzwerk geht es darum, Kooperationen entstehen zu lassen und auf Basis einer gegenseitigen Unterstützung echte Mehrwerte zu schaffen.
Wie lässt sich nun ein gewinnbringendes Netzwerk aufbauen? Eine Möglichkeit ergibt sich aus der Teilnahme an Veranstaltungsformaten. Im Landkreis St. Wendel finden regelmäßige Unternehmertreffs, Weiterbildungsmaßnahmen, Abendseminare, Networking-Events statt, um neue Menschen kennenzulernen und Kontakte zu pflegen. Networking kann auch durch digitale Plattformen ergänzt werden, zum Beispiel mit Hilfe der Onlinenetzwerke LinkedIn oder XING. Die „Schneeballmethodik“ ist ein weiterer Ansatz, um das eigene Netzwerk aufzubauen und zu stärken. Hat man einen ersten Kontakt, fragt man diesen, ob er vielleicht noch jemanden kennt, der bei dem Problem helfen kann. Dieses Schnellballsystem konsequent gelebt, kann zum Aufbau eines starken Netzwerks führen. Ein weiterer Lösungsweg findet sich im Ehrenamt und Vereinsleben. Im Landkreis St. Wendel gibt es insgesamt ca. 1.300 Vereine. Dort kommen viele Menschen mit unterschiedlichen Berufen zusammen, die man zu einzelnen Herausforderungen fragen kann. Das private Netzwerk schlägt hier die Brücke zur beruflichen Fragestellung. Für Unternehmen als Ganzes kann die Einrichtung eines „institutionalisierten Netzwerks“ ein strategischer Ansatz sein, mit dessen Hilfe Kontakte entstehen können. Unter dem institutionalisierten Ansatz ist die Errichtung eines formellen oder eines informellen Zusammenschlusses zu verstehen, wie zum Beispiel die Einberufung eines Beirats, einer Lenkungsgruppe, eines Stammtisches oder die Gründung eines Vereins.
Der Gewinn eines Netzwerks liegt darin, für fast jedes Problem einen eigenen Ansprechpartner zu haben, Ziele besser erreichen zu können und den Wissensaustausch zu befördern. Auf diese Weise lernt man viele neue, interessante Menschen kennen und erweitert den eigenen Horizont. In einem funktionierenden Netzwerk „kennt also jemand einen, der einen kennt“.
– Kolumne von Julian Schneider, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft St. Wendeler Land mbH