In unserer wndn-Serie „Frauen im St. Wendeler Land“ geben Frauen in und aus unserem Landkreis Einblicke in ihr Leben, wie sie ihren Alltag meistern, welche Ziele sie haben und wie sie mit Herausforderungen umgehen. Jeder Lebensweg ist einzigartig, ob mit oder ohne Familie, ob als Vorstandsvorsitzende, als Bäckereiverkäuferin oder aber als Poetry Slammerin wie Clara Brill.
Sie ist heute unsere Interviewpartnerin, 26 Jahre alt, in St. Wendel geboren und im Alter von 6 Jahren mit ihren Eltern und den jüngeren Zwillingsbrüdern Jakob und Clemens nach Marpingen gezogen. Mittlerweile lebt sie in Saarbrücken. Clara wurde im Juni dieses Jahres das zweite Mal in Saarbrücken zur Saarlandmeisterin im Poetry Slam gekürt. Dabei konnte sie sich gegen neun weitere Mitstreiter:innen durchsetzen.
Neben ihrem Talent als Poetry Slammerin hat Clara noch viel mehr zu bieten. Sie spielt mehrere Instrumente, nimmt Gesangs- und Schauspielunterricht, wirkt mit bei Musicals, hat ihren Bachelor in Englisch und Musikwissenschaften abgeschlossen und befindet sich derzeit im Masterstudium Kulturmanagement an der HTW in Saarbrücken. Und damit nicht genug! Clara arbeitet außerdem als freie Journalistin bei SR2 und SR3.
Bei so viel Talent stellt man sich die Frage, wo kommt das her? Clara ist die Tochter von dem Määrbinger Musiker Jürgen Brill. Er ist der Langhals des Duos Langhals & Dickkopp, schreibt Musicals für Kinder, steckt in mehreren musikalischen Projekten, komponiert Lieder und dichtet humorvolle und ernsthafte Texte dazu. Außerdem leitet er die Marpinger Außenstelle der Kreismusikschule. Claras Mutter Anne ist gelernte Bankkauffrau, übernimmt das Marketing und musste sicherlich in der Familie immer den klaren Kopf bewahren bei so viel „Hummeln im Geist“ – sprich Kreativität – ihrer Familienmitglieder.
Poetry Slam – Poetry… was?
So erging es mir, als ich das erste Mal den Ausdruck Poetry Slam hörte. Mittlerweile bin ich schlauer. Und mittlerweile bin ich tief beeindruckt von dem Wortspiel, ja quasi einer Wortakrobatik, die ein Poetry Slammer in wenigen Minuten zu einem Thema zum Ausdruck bringt. Clara, erkläre doch bitte, was sich hinter Poetry Slam verbirgt. Ich bin mir sicher, dass viele Leser:innen den Begriff noch nie gehört haben.
Unter Poetry Slam versteht man einen Dichter:innen-Wettstreit. Diese Kunstform kommt aus den USA und verbreitete sich in den 90er Jahren. Dabei treten Dichter:innen im Wettbewerb gegeneinander an, die ihre selbst verfassten Texte innerhalb einer vorgegebenen Zeit vortragen. Das Publikum entscheidet nach jedem Vortrag eines Textes mittels einer Punktetafel. Sieger:in ist jeweils die Person mit der höchsten Bewertung. Im Finale der Saarlandmeisterschaft in der Garage Saarbrücken, die vom Dichterdschungel organisiert worden war, wurde per Applaus über den Sieg abgestimmt.
Vom Fernsehen her kenne ich Torsten Sträter, der seine Texte oft in Sendungen mit Dieter Nuhr vorträgt. Ist Sträter ein sogenannter „Slammer“, also ein Slam-Poet? Wie bist du dazu gekommen, Poetry Slam zu machen?
Ja, genau! Torsten Sträter kommt ursprünglich aus dem Poetry Slam. Meinen ersten Auftritt hatte ich 2019 in Saarbrücken am Staden. Andrea Maria Fahrenkampf, eine Poetry Slam-Größe im Saarland, fragte mich daraufhin, ob ich an einem Slam im Kino Camera Zwo in Saarbrücken teilnehmen möchte. Sie ist also quasi meine Slam-Mama. Als ich gemeinsam mit Jann Wattjes gewann, war für mich klar, mit dem Slammen möchte ich weitermachen.
Auf der Bühne stehen, vor Menschen reden. Nicht jeder ist dafür geboren. Bist du frei von Lampenfieber?
Ich war 4 Jahre alt, als ich zum ersten Mal bei einem Fest der Lebenshilfe St. Wendel mit Jennifer Haben, der Sängerin von Beyond The Black, auf einer Bühne stand. Ich habe also schon eine recht lange Bühnenerfahrung. Das Lampenfieber packt mich eigentlich nur noch bei den Saarlandmeisterschaften, bei anderen Slams nicht mehr so. Ich halte Lampenfieber aber dennoch für wichtig, weil es die Konzentration fördert, man einen Auftritt ernster nimmt und dadurch die bessere Leistung bringt.
Im vergangenen Jahr hattest du an einem internationalen Poetry Slam Wettbewerb für deutschsprachige Künstler:innen in Wien teilgenommen. Voraussetzung hierfür war dein Sieg bei der saarländischen Meisterschaft. Wie war das für dich?
Diese Erfahrung war großartig. Es nahmen viele deutschsprachige Künstler:innen aus Deutschland, Österreich, Luxemburg, Liechtenstein, der Schweiz, Belgien und Italien teil. An verschiedenen Spielstätten in Wien fanden die Vorentscheidungen statt, die finalen Wettkämpfe wurden im Burgtheater in Wien ausgetragen. Das Ambiente und die Stimmung waren einzigartig!
Du spielst einige Instrumente. Glaubst du, dass es mit einem so musikalischen Vater möglich gewesen wäre, kein Instrument zu erlernen?
Unsere Eltern schenkten uns immer die Freiheit, für uns selbst Entscheidungen zu treffen. Sie standen immer hinter uns. So war es auch mit der Musik. Wir wurden von Anfang gefördert – aber ohne jeglichen Zwang. Ich begann mit Blockflöte, Geige, spielte Klavier und mein Vater brachte mir das Saxophon bei. 2019 fing ich mit Gesangsunterricht an und singe mittlerweile auch in Musicals. Es begann mit „Der kleine Horrorladen“ von der damaligen Gruppe IntensivTheater. Meine Freundin Kristin Backes, die mittlerweile professionelle Musicaldarstellerin in Stuttgart ist und die weibliche Titelrolle bei „Tanz der Vampire“ singt, nahm mich damals mit zum Casting. Dafür bin ich ihr bis heute dankbar.
Die Slammer:innen tragen Texte zu unterschiedlichen Themen vor. Wie wählst du die Inhalte für dich aus? Worüber würdest du nicht sprechen?
Viele Slammer:innen verarbeiten auch persönliche Erlebnisse, geben etwas von sich preis. Ich verarbeite gerne Gefühle, nehme viele Inspirationen aus Beobachtungen auf und gehe gerne mit Menschen in den Dialog. Bei meinen ernsten Texten gibt es häufig auch humorvolle Elemente. Und in den humorvollen Texten steckt fast immer ein ernster Kern. Die Themen sind den Künstler:innen in der Regel frei überlassen. Ich würde natürlich keine Texte schreiben, die andere Menschen verletzen bzw. diskriminieren könnten.
In deinem Masterstudiengang „Kulturmanagement“ bist du für meine Begriffe im perfekten Studiengang angekommen, was deine berufliche Zukunft betrifft. Für den SR übernimmst du journalistische Tätigkeiten. Wie kamst du an den Saarländischen Rundfunk als Arbeitgeber und wo siehst du dich in Zukunft?
Zum SR kam ich über ein Praktikum, anschließend wurde ich als Werkstudentin übernommen. Wie es in der Zukunft weiter geht, steht für mich noch nicht zu 100% fest, aber Schreiben, Sprache und Sprechen werden mit Sicherheit eine Rolle spielen. Ich werde sicherlich auch nicht aufhören zu „slammen“. Mittlerweile biete ich auch Poetry Slam Workshops an. Außerdem gibt es weitere Formate, die mir Spaß bringen, zum Beispiel die Konzerte mit der Singer-Songwriterin Lena Hafner. Lena singt und spielt Gitarre, ich trage Texte vor, manchmal vermischen wir Lenas Songs mit meinen Texten und unterstützen uns gegenseitig. Außerdem wirke ich bei dem Podcast „Tabularasa – weg mit Tabus“ von SR2 mit. Gesprochen wird über Themen, über die normalerweise NICHT gesprochen wird – zu finden über die ARD-Audiothek.
„Singer-Songwriter meets Slam-Poesie“ – so wurden du und Lena Hafner von der Presse angekündigt. Wann habt ihr euren nächsten gemeinsamen Auftritt? Wann und wo dürfen wir dich demnächst als Poetry Slammerin bewundern?
Lena und ich treten am 23.9. in St. Wendel auf dem Harschberger Hof zusammen mit der Band Brillant und am 30.9. in Neunkirchen im Jugendzentrum mit unserem Programm „The Moon, the Stars and Poetry“ auf. Meine nächsten Termine sind der 29.7. beim Nauwieser Fest und der 19.8. an der Vauban-Insel in Saarlouis.
Clara, nun noch drei kurze Fragen. Was ist für dich eine starke Frau?
Es gibt viele starke Frauen, die ganz unterschiedlich ihre Stärke zeigen. Mütter, Politikerinnen, Handwerkerinnen, Aktivistinnen – um mal ein paar zu nennen. Alle zeigen auf ihre Weise, was eine starke Frau ausmacht.
Du lebst vegan. Aus welcher Motivation heraus verzichtest du auf tierische Produkte?
Klimaschutz ist mir sehr wichtig und natürlich das Wohl der Tiere.
Hast du Ängste?
Ja, der Klimawandel mit seinen Folgen macht mir schon Angst.
Wer gerne mehr Informationen zu deinen Veranstaltungen oder Workshops bzw. dich buchen möchte, wie bist du erreichbar?
Am besten per E-Mail an: Clarabrill96@gmail.com
Herzlichen Dank, Clara, für das tolle Interview und alles Gute für deine mit Sicherheit weiterhin spannende Zukunft!
„Putenfüße zum Frühstück“ war einer deiner ersten Poetry Slams und ist abrufbar über YouTube. Auch JULIAN findet ihr als YouTube Video unter dem Suchbegriff Clara Brill – JULIAN. Das Video und die Texte mit einer sehr präsenten Thematik bewegen und beeindrucken überaus. Chapeau!