Fluchtpunkt Saargebiet: Lebenswege verfolgter Menschen und der Bezug zur Gegenwart

Welcher Bezug lässt sich zwischen der Geschichte des Saargebiets um 1935 und der heutigen Flüchtlingsthematik herstellen? Dieser Frage gehen acht Projektgruppen in den nächsten drei Jahren nach. Das Erinnerungsprojekt „Fluchtpunkt Saargebiet“ des Adolf-Bender-Zentrums in Kooperation mit dem Landesinstitut für präventives Handeln, dem Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-45 und dem NS Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz soll dafür Sorge tragen, dass die Erinnerung an die grausamen NS-Zeiten trotz der immer weniger werdenden Zeitzeugen nicht verblasst. Denn, wie das Projekt am Ende zeigen soll, ist es wichtig, sich zu erinnern, damit sich die Geschichte nicht wiederholen kann. Dafür werden im Rahmen des Projekts nun Jugendliche ab 14 Jahren sensibilisiert.



Zum Projekt „Fluchtpunkt Saargebiet“

Das Projekt richtet sich an weiterführende Schulen und Jugendgruppen mit Jugendlichen ab 14 Jahren. Durgeführt wird es von qualifizierten Pädagoginnen und Pädagogen des Adolf-Bender-Zentrums. Den Start hat vor ca. zwei Wochen die Gemeinschaftsschule Freisen gemacht. Pro Projektgruppe finden zwischen neun und zwölf Workshops statt, in denen die Jugendlichen Biografien politisch verfolgter Menschen aufarbeiten und einen Bezug zur Gegenwart herstellen, in dem sie sich mit den Themen Flucht, Asyl und Widerstand beschäftigen. Im Archiv des Studienkreises Deutscher Widerstand und in der Gedenkstätte KZ Osthofen können sie Spuren interessanter Persönlichkeiten wie der Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin Marie Juchacz oder des jüdischen Sozialdemokraten Max Tschornicki folgen – beide flohen während der NS-Zeit in das Saargebiet. Auch die Spuren des aus Merzig stammenden Journalisten und Kommunisten Gustav Regler dürften interessant für die Projektteilnehmer sein. Alle drei kämpften aktiv gegen das NS-Regime.

Das Saargebiet war zwischen 1933 und 1935 deshalb das Ziel für Flüchtende, weil es sich nach Inkrafttreten des Versailler Vertrages ab 1920 in einer besonderen Situation befand: es stand unter der Regierung des Völkerbundes. Nach Hitlers „Machtergreifung“ nutzten es viele frühe Opfer des Nationalsozialismus als Fluchtpunkt, als Zwischenstation zur Emigration und als Ort zur Vernetzung mit Gleichgesinnten.

Im Verlauf des Projektes eignen sich die TeilnehmerInnen ein Grundwissen zu den Themen Widerstand, Flucht, Asyl und den Schicksalen politisch verfolgter Menschen an und werden für diese Themen in Vergangenheit und Gegenwart sensibilisiert. Das Projekt startet für die Gruppen mit einem erlebnispädagogischen Workshop, um einander besser kennenzulernen. Die SchülerInnen werden im Laufe des Projektes auch an einem archivpädagogischen Recherche-Workshop mit Quellenmaterial und der Aufbereitung biografischer Skizzen mit Hilfe von Tablets teilnehmen sowie die Gedenkstätte im KZ Osthofen besuchen.

Inhaltlich werden sie sich neben dem Bezug der Geschichte des Saargebiets zur heutigen Zeit auch mit der Frage „Wie kann Erinnerungskultur aussehen?“ beschäftigen, erklärt Stephanie Wegener vom Adolf-Bender-Zentrum. Dabei seien ihrer Kreativität und Ideen keine Grenzen gesetzt. Ob sie einen Comic über die Person, derer Spuren sie folgen auf ihrem Tablet zeichnen, einen Social-Media-Auftritt gestalten oder eine digitale Stadtführung mit den Orten, die für die Personen von Bedeutung waren, machen möchten.



Die erarbeiteten Inhalte werden auf der Internet-Seite des Landesinstituts für präventives Handeln online gestellt. So soll sichergestellt werden, dass sie nachhaltig wirken, erklärt Dr. Planta vom LPH. Bei der Projektvorstellung dankte er dem Adolf-Bender-Zentrum und den Kooperationspartnern für ihr Engagement.

Auch Landrat Udo Recktenwald dankte den Projektbeteiligten. „Die Zeitzeugen werden weniger und je weniger Zeitzeugen wir haben, desto mehr müssen wir dafür sorgen, dass wir Zeitloszeugen entwickeln“, sagt der Landrat. Flucht, Verfolgung und Widerstand seien aber auch Themen der Gegenwart. „Wenn wir über Flucht reden, dann reden wir automatisch auch über das, was wir vor fünf Jahren bis heute erlebt haben und was wir aktuell – Stichwort Lesbos und den Umgang damit – erleben.“ Auch das seien Themen, die man diskutieren müsse. „Wie menschlich ist es den Menschen gegenüber, die aus Existenzängsten, aus Not heraus alles in Kauf nehmen, auch das eigene Leben aufs Spiel setzen, um aus dieser Situation herauszukommen, und wir uns dann in bürokratisches Geplänkel verhaken, über die Frage, wer nimmt jetzt wie viele Menschen auf?“

Jörn Didas, Geschäftsführer des Adolf-Bender-Zentrums, stellt auch die Frage in den Raum, ob wir aus unserer Geschichte gelernt haben. Vielen sei gar nicht bewusst, wie gut es uns heute geht. Und doch gebe es Rechtsextremismus in unserem direkten Umfeld. „Wir dürfen uns nicht raushalten, Erinnerungsarbeit ist heute wichtiger denn je.“

Die Laufzeit dauert insgesamt drei Jahre wird mit einer Summe von insgesamt 200.288,00 Euro gefördert:

Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen des Förderprogramms „Jugend erinnert“: 170.288,00 Euro
Landesinstitut für präventives Handeln: 15.000,00 Euro
Landkreis St. Wendel: 15.000,00 Euro

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