Als Reaktion auf die Kolumne Tag der Verkehrssicherheit – Warum fallen immer mehr Jugendliche durch den Führerschein? unserer Redakteurin und (Fahr-) Schülerin Nina Höll, hat sich Tobias Kuhn bei wndn gemeldet, um seine Sicht auf das Thema zu schildern. Er ist 37 Jahre alt und Fahrlehrer sowie einer der Geschäftsführer der Fahrschule KVI hier im Kreis St. Wendel. Durch seinen Beruf hat er die Möglichkeit, einen genauen Einblick in die Führerscheinprüfug zu geben und hat einige unserer Fragen und Leserkommentare beantwortet.
Im Vergleich zu früher habe sich laut Kuhn schon etwas am Verhalten der Fahrschüler:innen geändert. So kommt es vor, dass die Jugendlichen schon ein dreiviertel Jahr bei der Fahrschule angemeldet seien, jedoch keine wirkliche Motivation aufbringen und man ihnen regelrecht hinterherlaufen müsse.
Doch woran liegt ihrer Meinung nach die hohe Durchfallquote, Herr Kuhn?
„Zunächst liegt es daran, dass sich die Straßensituation verändert hat. Die Autos sind breiter geworden, es sind viel mehr Fahrzeuge auf der Straße unterwegs und auch die Gesellschaft habe sich verändert. An einer Kreuzung zum Beispiel kommt es oft vor, dass Fahrschüler beim mehrfachen Abwürgen angehupt werden und sich laut stark beschwert wird oder auch das Überholen in 50er-Zonen, in der der Fahrschüler die Geschwindigkeit einhält, führt immer mehr zu der Entwicklung einer „Ellbogengesellschaft“.
Ein weiterer Punkt ist da auch die große Flüchtlingswelle. Viele der Migranten haben Probleme mit der deutschen Genauigkeit. Eine geringe Geschwindigkeitsüberschreitung ist in Deutschland ein Grund zum Nichtbestehen, während es anderswo vielleicht nicht ganz so eng gesehen wird. Auch die Sprachbarriere stellt da häufig eine Problematik da, die es schwer macht komplexe Straßensituationen oder Regelungen verständlich zu erklären.
Auch die vielen Funktionen und Assistenzsysteme der neuen Fahrzeuge können gerade am Anfang sehr überfordern. Die Verlängerung der Prüfung, wie auch das Abfragen der richtigen Bedienung der Assistenzsysteme und auch die Sicherheitskontrolle hat die Führerscheinprüfung verändert.“
Die Aussage des TÜVs, dass die hohe Durchfallquote bei den Prüfungen am Handy liegen könnte, kann Tobias Kuhn nicht bestätigen. Dennoch habe sich der Konzentrationsfokus durch die viele Benutzung des Handys deutlich auf die nähere Umgebung verlagert und der Fernbereich rücke mehr in den Hintergrund.
Herr Kuhn ist auch auf einige Leserkommentare eingegangen.
Eine Leserin kommentierte beispielsweise, dass sie es als möglichen Grund sehe, dass sich die Fahrlehrer:innen immer mehr aus der Ausbildung raushalten. Stimmt das?
„Nein, das stimmt nicht und das geht auch nicht in der Praxis. Am Anfang muss man gerade viel erklären und es gibt auch das pädagogische Prinzip der abnehmenden Hilfe. Die Begleitung der Fahrschüler ist wichtig, auch wenn es natürlich kurz vor der Prüfung auf ein Minimum reduziert werden soll. Das Ziel ist es ganz klar, dass die Schüler am Ende allein fahren und auch die Prüfung meistern können.“
Dass das Problem in der App liege, kann Herr Kuhn so auch nicht bestätigen. Er selbst habe vor einigen Jahren erst den Busführerschein gemacht und empfand die App als äußerst hilfreich. So konnte er in der Zeit, die er eigentlich auf Instagram verbracht hätte, die App benutzen und damit lernen. Dadurch hatte er außerdem einen besseren Überblick über seine Erfolge und das, was er schon gelernt hat und noch lernen musste, so Kuhn. Die Anzahl der Theorieprüfungen habe aber deutlich zugenommen. In seiner Generation war es noch sehr selten die Theorie einmal zu wiederholen, während es heute durchaus oft vorkommt, dass Schüler:innen durchfallen.
Vielleicht verändere sich aber auch die Einstellung zu den Prüfungen generell und auch der allgemeine Druck steige durchaus. Manchmal komme dieser auch von den Eltern der Jugendlichen, die ihnen Druck machen bezüglich des Führerscheins.
Wie stehen sie, Herr Kuhn, zum Statement, dass die Fahrschulen nur Geld verdienen wollen?
„Das kann ich nicht bestätigen. Natürlich ist eine Fahrschule ein Unternehmen, welches wirtschaftlich handeln muss, aber das sollte nie auf den Rücken der Schüler passieren. Beim TÜV könnte es auch an der Monopolstellung liegen, da sie die einzige Institution ist, die Fahrprüfungen abnehmen darf und auch über die Vorgaben bestimmen kann. Die Prüfer sind keine Fahrlehrer, sondern Ingenieure. Da wäre es doch gut, wenn einmal ein Fahrlehrer mit so und so vielen Jahren Erfahrung auch die Prüfungen abnehmen dürfte, da die Person dann auch genau weiß, wie schwer es ist einen Schüler prüfungsreif zu bekommen. Eine Quote, wie viele Schüler durchzufallen haben, gibt es natürlich nicht, aber es hat durchaus was mit Glück und den Prüfern zu tun.“
Kann man vielleicht von einer fehlenden Motivation in unserer Generation sprechen? Gerade auch, was das Thema Geld angeht?
„Die Diskussion, dass Jugendliche, die ihren Führerschein selbst bezahlen müssen, motivierter sind, gab es auch schon in meiner Jugend. Das Problem liegt wohl eher daran, dass viele Schüler heutzutage keinen Überblick darüber haben, wie teuer das alles wirklich ist. Dass man jeden Versuch der Theorie oder Praxisprüfung erneut bezahlen muss, ist vielen gar nicht klar und sie nehmen es auf die leichte Schulter.“