In unserer wndn-Serie „Frauen im St. Wendeler Land“ geben Frauen aus dem Landkreis St. Wendel Einblicke in ihr Leben. Ob Single oder Familienmutter, ob Unternehmerin oder Angestellte, wir erfahren, wie sie ihren individuellen Alltag meistern, wie sie mit Herausforderungen umgehen, was ihre Erfahrungen sie gelehrt haben und welche Tipps sie anderen Frauen für bestimmte Situationen und Lebenslagen geben können. Was macht eine starke Frau aus? Unsere Interviewpartnerinnen haben vielfältige und passende Antworten zu dieser Frage. Heute sprechen wir mit Birgit Zender aus St. Wendel, 5-fache Mutter, Pflegemutter und Tagesmutter.
Für Frauen stellt sich sehr oft die Frage, wie kann ich mich beruflich verwirklichen und dennoch Familie mit Kindern haben. Das Rollenbild der Frau unserer Vorgenerationen war in den meisten Fällen klar definiert: Sie versorgte die Kinder, den Ehemann und war für den Haushalt zuständig, der Mann war Alleinernährer. Eine klar definierte Lebensrolle kann auch den Druck nehmen, mehrere Lebensbereiche parallel gut bewältigen zu müssen, nimmt aber andererseits den Frauen die Chance, ihrer Persönlichkeit individuellen Ausdruck verleihen zu können und macht finanziell abhängig von einem Partner.
Die Errungenschaften für die Rolle der Frau in unserem Land ermöglichen weitgehend ein selbstbestimmtes Leben. Allerdings besonders oft nach einem Studium rückt die Frau in den Entscheidungsdruck – Karriere oder Kinder. Die sogenannte „biologische Uhr tickt“, berufliche Verwirklichung und Kinderwunsch stehen im Raum. Kindergartenplätze und KITA-Plätze sind oft nicht ausreichend vorhanden, um eine Vereinbarkeit von Job und Familie zu gewährleisten.
Der Ausstieg aus dem „Karrierezug“
Aber es gibt auch moderne Frauen, die ihre Selbstverwirklichung in ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter sehen ohne jegliches Gefühl, sich selbst dafür aufzugeben, etwas zu verpassen. Als gelernte Frisörin stieg Birgit Zender wieder aus dem Zug aus, der sie nach Saarbrücken bringen sollte, um sich für die Fortbildung zur Meisterin im Frisörhandwerk anzumelden. Ihr wurde bewusst, dass ihr Lebenstraum eine Familie mit Kindern war und dass die Meisterprüfung ihr Leben in eine Richtung als berufstätige Frau lenken würde. So zog sie die Reißleine….
Interview in einem Kinderparadies
Ich wurde von Birgit Zender zum Interview eingeladen in ein Anwesen voller Grün, mit hohen Bäumen, Sträuchern und Blumen. Sowohl im Innen- als auch im Außenbereich fand ich großzügig angelegte Spielräume/-plätze vor – ein Paradies für Kinder.
Birgit, du bist Mutter von 5 leiblichen Kindern. Wie kam es, dass du zusätzlich Pflegemutter werden wolltest? Erzähle uns von deinem Lebensweg.
Schon als Kindergartenkind wusste ich, ich werde Friseurin und werde einmal viele Kinder haben, so wie auch ich mit sieben Geschwistern aufgewachsen war. Und genau so kam es. Nach der kaufmännischen mittleren Reife machte ich eine Friseurinnenausbildung und anstatt anschließend den Weg zur Meisterprüfung einzuschlagen, entschied ich mich, eine Familie zu gründen und unsere fünf Kinder zu Hause zu betreuen und in die Selbständigkeit zu begleiten. Dank der selbstständigen Tätigkeit meines Mannes war dies möglich.
Als unsere Kinder älter wurden und nach und nach unser Haus immer leerer wurde, genoss ich zunächst diese Freiheit, mehr an mich denken zu können. Diese Phase hielt aber nicht lange an. Ich sehnte mich wieder nach mehr Leben in unserem Heim und einer sinnerfüllten Arbeit. Unsere Tochter, die im sozialen Bereich arbeitet, schlug uns vor, Pflegeeltern zu werden. Nach reiflicher Überlegung, vielen Wenn und Aber, nahmen wir an einem Pflegeelternseminar teil und starteten in das Abenteuer mit der inneren Einstellung, dass Pflegekinder nicht unsere eigenen Kinder sind, sondern Kinder mit einer Herkunftsfamilie und einer unbekannten Vergangenheit.
Wie haben eure leiblichen Kinder darauf reagiert, dass fremde Kinder in der Familie aufgenommen werden? In welchem Alter waren eure Kinder zu dieser Zeit?
Unsere Kinder fanden die Idee großartig. Zu Anfang betreuten wir nur Bereitschaftspflegekinder, Dies bedeutet, dass die Pflegekinder zeitlich begrenzt in der Pflegefamilie leben. Zunächst wurden ein Baby für zwei Monate, danach zwei Geschwisterpärchen für ca. sechs Wochen bei uns untergebracht. Dabei bemerkten wir, dass es für unsere damals 13-jährige Tochter einfacher war, Babys zu akzeptieren als gleichaltrige Kinder. Pflegekinder in ähnlichem Alter nervten sie. Seit 2011 haben wir ein Langzeitpflegekind. Er war 10 Wochen alt, als das Jugendamt ihn in unsere Familie vermittelte. Mittlerweile ist er 11 Jahre alt. Er ist eine Bereicherung für unsere Großfamilie mit mittlerweile acht Enkelkindern.
Wie ist das Verhältnis von Pflegekindern untereinander. Kommt Eifersucht auf?
Zwischenzeitlich haben wir immer wieder festgestellt, dass unserem langjährigen Dauerpflegekind die zusätzliche Aufnahme weiterer Pflegekinder Probleme bereiten kann. Aufgrund von Eifersucht kam es mit gleichaltrigen Pflegekindern zu eskalierenden Situationen. Das war super anstrengend. Deshalb entschieden wir uns, nur noch Babys aufzunehmen, mit denen unser Pflegekind super zurechtkam.
Bringen Pflegekinder besondere Probleme mit in die Familie?
Beim damaligen Pflegeelternseminar wurde uns erzählt, welche Probleme Pflegekinder mit sich bringen können. Na, dachte ich, die hat man mit den eigenen Kindern doch genau so, aber mittlerweile weiß ich, dass diese Probleme zwar die gleichen aber viel extremer sind.
Pflegekinder bringen Probleme durch jegliches Erleben von Gewalt mit sich, auch in Form von Vernachlässigung, die sich oft durch niedrige Frustrationstoleranz sowie Verhaltensstörungen in jeglicher Form zeigen und sehr oft durch Missbrauch von Drogen und/oder Alkohol im Mutterleib verursacht wurden. Da wir oft nur als Bereitschaftspflegeeltern agierten, also die Bereitschaftspflegekinder nur eine begrenzte Zeit lang betreuten, bekamen wir die ganze Bandbreite von Problemen nur am Rande mit. Einmal musste ich hinterher eine Supervision machen, um mich innerlich wieder sortieren zu können.
Unterstützt dich dein Mann in deiner Rolle als Pflegemutter?
Da mein Mann und ich in Sachen Erziehung meist einer Meinung und entsprechend konsequent sind, gelingen unsere Pflegeverhältnisse recht gut. Ich übernehme vor allem den schulischen Bereich, mein Mann macht Fahrradtouren und war immer für die Gutenachtgeschichten zuständig, als die Kinder noch klein waren.
Wie siehst du die Rolle der modernen Frau mit Job und Kindern? Kommt dabei etwas zu kurz?
Solange die Kinder im Kindergarten sind, sehe ich keine Probleme mit Job und Mutterrolle. Ich persönlich hatte das Gefühl, dass Schulkindern mittags das Zuhause guttut und dass es wichtig ist, mit einer Bezugsperson nach der Schule über das am Morgen Erlebte sowie über Probleme reden zu können bzw. abzuschalten und zur Ruhe finden zu können.
Ich bewundere deine Energie. Wo nimmst du nur die Kraft für die vielfältigen Aufgaben her?
Die Kraft, für die Kleinsten unserer Gesellschaft immer da zu sein, nehme ich aus meiner inneren Berufung und meiner Kindheit voller Liebe. Ich wuchs in einer kinderreichen Familie auf und wir hatten eine großartige Kindheit. Mit einer Kindheit voller Liebe lässt es sich ein Leben lang aushalten. Dies gibt Sicherheit und den Halt, den Pflegekinder so sehr brauchen.
Auch Religion und Spiritualität geben mir die nötige Kraft, meine Aufgaben zu bewältigen. Zwischen Himmel und Erde gibt es meiner Meinung eine Kraft, die unser Leben beeinflussen kann, wenn wir dies zulassen. Und manchmal reicht auch schon ein kleiner Espresso, um zur Ruhe zurückzufinden.
Was würdest du anderen Paaren raten, die beabsichtigen, ein Pflegekind aufzunehmen?
Wir nehmen ein Kind nicht für uns auf. Die Kinder sollen nicht für uns da sein, sondern wir für die Kinder. Auch Dankbarkeit darf nicht erwartet werden. Es ist schlichtweg unsere Aufgabe, sie auf einem Stück ihres Lebens zu begleiten.
Du bist Dauerpflegemutter eines Jungen und betreust zusätzlich Kleinkinder und Babys im Rahmen der Tagespflege. Erzähle mir davon.
Tagesmütter werden dringend gesucht, weil nicht genügend Kindergarten- und KITA-Plätze vorhanden sind. Manchmal werden schon Plätze reserviert, wenn ein Kind gerade erst geboren wird. 2011 nahm ich an einem Seminar des Jugendamtes zur Betreuung von Tagespflegekindern (Babys und Kleinkindern) teil. Ich begann mit der Betreuung eines Babys, erhöhte dann auf drei Kinder. So bin ich nun schon seit vielen Jahren zusätzlich Tagesmutter.
Neben all den Aufgaben, die deine Berufung mit sich bringt, hast du dich in der Vergangenheit auch noch ehrenamtlich engagiert!
Ja, ich habe Kommunionunterricht gehalten in Gruppen mit fünf Kindern und Messdienerfreizeiten begleitet. Unsere Kinder waren Messdiener in der Kirche. Darüber hinaus war ich Handballtrainerin bei dem Sportverein Blau-Weiß in St. Wendel sowie in Oberthal und trainierte Kinder unter 9 Jahren. Beim Kneipp Verein war ich Übungsleiterin im Kinderturnen bis vor einem Jahr. Dies alles wäre nicht möglich gewesen, wenn ich in einem Beruf gearbeitet hätte.
Du bist eine sehr starke Frau. Was macht für dich eine starke Frau aus?
Für mich ist ein Mensch stark, der sein Leben lebt, das er liebt. Dies ist auch mein Lebensmotto!
Birgit, hast du noch Träume? Wie stellst du dir die nächsten 10 Jahre vor?
Ich habe nie daran gedacht, ich hätte lieber etwas anderes gemacht. Ich wünschte mir immer viele Kinder und mein Leben ist gut so wie es ist und war.
Herzlichen Dank, liebe Birgit, für dieses interessante Interview. Ganz selten nur begegnet man Menschen, die so geradlinig ihren Lebensweg verfolgen, ohne darüber nachzudenken, was alles noch möglich wäre. Eine großartige Lebensgeschichte!
Wer darüber nachdenkt, eine Aufgabe als Bereitschaftspflegeeltern, Dauerpflegeeltern oder als Tagesmutter zu übernehmen, wendet sich bitte an das Jugendamt St. Wendel – erreichbar über die Zentrale des Landkreises 06851 801-0.