Das Sommerloch – Erholung, Illusion und Ortsgemeinde?

Für die die einen ist es die Zeit zum Durchatmen, für die anderen eine blanke Illusion und für die Dritten eine Ortsgemeinde im Landkreis Bad Kreuznach mit etwa vierhundert Einwohnern. Die Rede ist vom sogenannten Sommerloch, ein Begriff der insbesondere in den Medien gerne als Zeit beschrieben wird, in der die Anzahl an bahnbrechenden News normalerweise eher gering ausfällt. Die Hintergründe hierfür sind vielfältig: Die Ferienzeit hat begonnen und viele Menschen sind in Urlaub gefahren. Die Politik befindet sich in der Sommerpause. Fernsehshows und Podcasts setzen ihre regelmäßigen Ausstrahlungstermine für ein paar Wochen aus. Fußballmannschaften arbeiten an ihrer Saisonvorbereitung, wenn sie nicht gerade eine tolle WM spielen. Die großen Schulferien haben begonnen, Universitäten und Hochschulen sind in den Semesterferien.

In dieser Zeit finden immer lustigere Headlines den Weg in die Zeitungen. Der Journalist Christian Stöcker hat in einer Spiegel-Kolumne amüsante Schlagzeilen zusammengefasst, die in der Zeit des Sommerlochs an verschiedenen Stellen erschienen sind:

  • »Elch stürmt im Supermarkt zum kühlen Bier«
  • »Eichhörnchen betrinkt sich in Pub und randaliert«
  • »Ziege verursacht ›tierischen‹ Stau«

Das Sommerloch ist jene Zeit, in der aus Löwen Wildschweine werden. Nun stellt sich bei diesen Entwicklungen die Frage, ob die Saure-Gurken-Zeit auch Auswirkungen auf die Wirtschaft hat. Im Vertrieb kommt es häufig zu einem Sommerloch, da Kauf- und Investitionsentscheidungen nicht selten in den Herbst vertagt werden, wenn sämtliche Entscheidungsträger wieder im Unternehmen sind. Mit Blick auf die Börse gibt es ein Sprichwort, das über eine Verbindung zum Sommerloch verfügt: „Sell in May and go away, but remember to come back in September.“ (Verkaufe im Mai und gehe fort, aber vergiss nicht, im September zurückzukommen). Diesem Satz liegt die Annahme zugrunde, dass an der Börse im Sommer weniger gute Ergebnisse erzielt werden, weshalb Anteile vor dem Sommer verkauft werden sollen. Inzwischen ist diese Theorie teilweise widerlegt, allerdings scheiden sich die Geister an dieser These. In gewissen Teilen der Handelsbranche gelten die Sommermonate – häufig aber nicht immer – als eher weniger attraktiv. In bestimmten Handwerksgewerken ist der Sommer hingegen eine wesentliche Umsatzzeit (z. B. Dachdeckergewerbe). Ähnlich verhält es sich in der Tourismus-, Veranstaltungs-, Gastronomie- und Baubranche.

Branchenübergreifend lässt sich die Frage nach der Existenz eines Sommerlochs sicher nicht pauschal beantworten. Es ist jedoch sicher nicht so, dass die Sommermonate schlechter laufen müssen als die übrige Zeit des Jahres. Im letzten Jahr ist die deutsche Wirtschaft nach der Erhebung des statistischen Bundesamtes im Vergleich zwischen dem zweiten und dritten Quartal um 0,4 Prozentpunkte gewachsen, was insbesondere an höheren Konsumausgaben der Privathaushalte in den Sommermonaten lag. In diesem Jahr wird die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts nach der Prognose des ifo-Geschäftsklimaindex im „Sommerquartal“ etwas schlechter verlaufen als in den Vormonaten.

Ist die eigene Branche also von dem Sommerloch betroffen, ist es die beste Zeit, um Aufgaben zu erledigen, die sonst auf der Strecke bleiben. Ansonsten heißt es wohl weiter, dem gewohnten Wahnsinn nachzugehen.

Kolumnist: Julian Schneider, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft St. Wendel

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