Cybermobbing- sprich, die absichtliche Belästigung, Beleidigung, Bedrohung oder Verleumdung von Personen über das Internet- ist ein Thema, das viele von uns immer häufiger betrifft. Wir haben mit der Geschäftsinhaberin Angela M. über ihre persönlichen Erfahrungen mit Fehlverhalten im Internet und den damit verbundenen Konsequenzen gesprochen.
Angela, stellen Sie sich unseren Leserinnen und Lesern einmal kurz vor.
„Ich heiße Angela, wohne in Bliesen und bin 32 Jahre alt. Seit zwei ein halb Jahren leite ich mit Herz und Seele einen Friseursalon. Ich würde mich als fröhlichen, herzlichen und offenen Menschen beschreiben. Da ich vor kurzem auf eine Kampagne gegen Cybermobbing aufmerksam wurde, habe ich mich entschieden, über dieses Thema, das auch mich betrifft, zu sprechen.“
Viele User nutzen Internetplattformen, um persönliche Anfeindungen zu verbreiten und ihrem Groll politischen Entscheidungen gegenüber oder einem regelrechten Allerweltshass Luft und Ausdruck zu verschaffen- haben Sie das auch schon einmal getan?
„Das stimmt. Viele Menschen handeln impulsiv, was menschlich ist, aber gerade im Internet kann so etwas verheerende Folgen haben. Zu Zeiten von „Wer kennt wen“ oder „Gesichterparty“ war das Thema Cybermobbing, meiner Empfindung nach, lange nicht so ausgeprägt wie heute. Natürlich kam es auch bei mir mal vor, dass ich meine Emotionen kundgetan habe, so wie das eben mal ist, wenn man zum Beispiel Herzschmerz oder eine andere Einstellung zu bestimmten Themen, als unsere führenden politischen Funktionsträger hat. Aber dass ich starken negativen Gefühlen wie Wut oder sogar Hass freien Lauf gelassen habe, das gab es noch nie. Wie Sie schon gesagt haben: die Menschen nutzen Internetplattformen immer häufiger aus, um persönliche Anfeindungen zu verbreiten und das finde ich unmöglich. Ich habe schon früh gelernt, dass man andere nicht beleidigt und denunziert, erst recht nicht im Internet. Manieren sollte man bewahren, deshalb habe ich auch noch nie jemanden öffentlich angegriffen. Die feigsten Menschen sind immer diejenigen, die im Internet sehr wortgewandt sind und im wahren Leben keinen Ton rausbekommen, wenn sie vor dir stehen.“
Angela, wann ist ihrer Ansicht nach die Grenze überschritten?
„Für mich ist die Grenze schon überschritten, wenn Menschen herablassende Kommentare veröffentlichen. Egal, ob durch die Blume oder nicht. Natürlich hat man das Recht seine Meinung zu äußern, aber man sollte doch von erwachsenen Menschen erwarten dürfen, dass Sie in der Lage sind sich zu benehmen und sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sind. Ich frage mich manchmal wirklich, was dieser ganze Zirkus soll. Ich beobachte auch immer häufiger, dass gebildete Menschen, mit angesehenen Berufen, sich im Internet wie Kinder verhalten. Was läuft hier falsch? Ich finde es schlimm, wenn jemand direkt verbal gekränkt, angegriffen oder bedroht wird. Andererseits finde ich es ebenso unangebracht und feige, wenn jemand immer wieder Personen oder Institutionen in den Abgrund zieht, ohne den Namen zu nennen, aber alle eigentlich wissen, wem die Hetze gilt.
Ich habe das Ganze selbst schon erlebt – privat wie beruflich- und ich kann sagen, dass ich so etwas niemandem wünsche. Man fühlt sich schlecht und hilflos. Wenn man einkaufen geht, fragt man sich, ob einen wirklich alle anstarren oder man sich das nur einbildet. Man wird vorverurteilt, beginnt an sich selbst zu zweifeln und stellt vieles in Frage.“
Angela, Sie mussten leider schon persönliche Erfahrungen mit Cybermobbing machen. Können Sie uns diese Vorkommnisse konkreter erläutern?
„Das erste Mal, dass ich mit Cybermobbing in Kontakt gekommen bin, war als mein privater Account eines sozialen Netzwerkes, bei dem ich angemeldet war, gehackt wurde. Mein Profil wurde verändert und ich wurde öffentlich zur Schau gestellt. Die einzige Konsequenz, die folgte, war eine polizeiliche Verwarnung.
Weiterhin wurde mein Unternehmen öffentlich denunziert. Als Chefin hat man es nicht leicht. Man trägt Verantwortung und muss schwierige Entscheidungen treffen. Es ist nicht möglich immer die liebe Vorgesetzte zu sein, die es jedem Recht macht. Letztendlich wurde ich online nicht nur beschimpft, die Menschen versuchten auch noch mich und mein Geschäft von Grund auf schlecht zu reden. Immer mehr Personen mischten sich nach und nach ein und so zog das Ganze unendliche Kreise. Das ist typisch für solche Cyber-Eskalationen. Eine Person bietet verhältnismäßig harmlosen Zündstoff und was daraus entsteht, kann ein regelrechtes Hexenfeuer werden. Es ging so weit, dass mich mittlerweile ehemalige Kunden nicht mal mehr grüßen, es wurde sogar von Boykottieren gesprochen. Die verschiedenen Posts haben viel Aufsehen erregt und wurden mit zig Kommentaren versehen. Viele Veröffentlichungen meines Unternehmens werden immer wieder unangebracht kommentiert, auch von Menschen, die ich gar nicht kenne und die noch nie meine Kunden waren. Ebenso wurde eine Stellenausschreibung meines Betriebes herablassend kommentiert und neuen Mitarbeitern wurde über private Nachrichten davon abgeraten die Stelle bei mir anzutreten.“
Die Schilderung dieser Situation aus Ihrer Sicht klingt heftig und grenzüberschreitend. Welche Auswirkungen hatten diese Geschehnisse auf Sie und ihr Leben? Wie geht es Ihnen seither?
„Meine gesamte Existenz steht auf dem Spiel und ich habe das Gefühl, dass mir niemand helfen kann. Ich denke, dass sich viele Menschen gar nicht bewusst sind, was Sie anrichten können, wenn sie gewisse Aussagen veröffentlichen. Andere jedoch wollen genau das erzielen- Menschen verletzen und möglichst viele Gleichgesinnte finden, die auf den Zug aufspringen und mitmachen- getreu dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“, sozusagen solidarisches Cyberhaten. Ich habe bereits Rechtsberatung in Anspruch genommen, aber die Gesetzeslage ist sehr schwierig. Ich fühle mich immer wieder schlecht, leide psychisch stark unter dieser Situation und habe Angst um meine Zukunft. Mir geht es nicht darum, mich als Opfer darzustellen oder Schuldzuweisungen auszusprechen. Nein, jeder verhält sich mal falsch- auch ich. Aber wir alle sollten allgemein sensibler mit Aussagen im Internet umgehen, das wurde mir jetzt noch mal verdeutlicht.“
Wie Sie schon angesprochen haben, existiert kein Straftatbestand für Cybermobbing. Jedoch können verschiedene Verhaltensweisen im Internet, wie etwa Beleidigung (§185 StGB), Üble Nachrede (§186 StGB) oder Bedrohung (§131 StGB) nach dem Strafgesetzbuch geahndet werden, was in der Praxis jedoch eher weniger umgesetzt wird. Sind Sie für schärfere Gesetze, was Cybermobbing betrifft?
„Ja, ich bin absolut dafür, dass sich diesbezüglich gesetzlich etwas ändern muss. Wenn jeder im Netz so weiterhetzen kann, ohne Konsequenzen zu spüren, dann will ich nicht wissen, wo das irgendwann hinführt. Die Hemmschwelle sinkt immer weiter und die Menschen agieren immer aggressiver. Ich kann mir natürlich vorstellen, dass die entsprechenden Behörden dann alle Hände voll zu tun hätten, aber es muss ein Zeichen gesetzt werden, denn so kann es nicht weitergehen. Sei es der Politiker, der gestalkt wird, die Existenzgrundlage des Unternehmers, die in Gefahr ist oder der Teenager der sich etwas antut, weil ein privates intimes Foto von ihm hochgeladen wurde. Alles, was im Netz geschieht, kann ernstzunehmende Folgen auf das Leben eines Menschen haben.“
Was denken Sie – was ist ein guter Weg, um Differenzen zu klären?
„Wie gesagt- ganz gleich, ob unter Bekannten, Freunden oder Kollegen- man sollte einen ehrlichen Umgang untereinander pflegen. Der Ton macht die Musik und wenn man das Ganze richtig verpackt, sollte man Face-to-Face alles klären können. Man sollte nichts runterschlucken, sonst staut sich das Ganze an und irgendwann platzt die Bombe- und leider eben immer häufiger über unsere Social-Media-Kanäle. Neben Ehrlichkeit ist auch Respekt ein wichtiges Schlüsselwort. Ohne gegenseitigen Respekt kann keine Beziehung, egal welcher Art, funktionieren.“
Was ist ihr persönliches Statement zum Thema Cybermobbing?
„Wir sollten akzeptieren, dass jeder Mensch anders ist. Niemand ist perfekt und jeder macht mal Fehler. Ich wünsche mir, dass wir weniger einander vorverurteilen und uns lieber selbst ein Bild von den Menschen machen, die wir persönlich nicht kennen. Kommunikation ist alles- aber nicht online, sondern im wahren Leben.“