Corona, Verschwörung und Schlossplatz – wie eine Demo entgleiten kann

Der Schlossplatz ist normalerweise ein Ort der Begegnung und der Toleranz. Menschen aus dem St. Wendeler Land, Touristen, Eingewanderte oder US-Bürger kommen gerne in die „gute Stube“ der Kreisstadt, um einen Kaffee zu trinken, Menschen zu treffen oder es sich einfach nur gutgehen zu lassen.

Doch in die Idylle haben sich seit einiger Zeit Verschwörungstheoretiker und Rechtsextreme hineingewagt. Die „Interessengemeinschaft Demo“ veranstaltet seit einigen Wochen auf dem Schlossplatz eine „Versammlung für die Einhaltung und Wiederherstellung der Würde des Menschen und gegen die auf Grund des Covid-19 verordneten wesentlichen Maßnahmen“ (wir berichteten).

Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut in der Demokratie. Man kann auch bei den Corona-Maßnahmen geteilter Meinung sein und diese diskutieren. Ein hoher Beamter des Saarlandes sieht sich sogar berufen, die Pressearbeit für die Demo zu übernehmen und versprach, dass „Extremisten aller Art“ bei den Versammlungen nicht erwünscht seien. 

Moderator Dirk Zinnecker aus Bosen erklärte gegenüber wndn.de, dass man gegen die Beschränkungen aufgrund der „Corona-Krise“ demonstrieren und die Fakten für sich sprechen lassen wolle. Dazu gehören laut Zinnecker auch verschiedene Meinungen – so weit, so gut.

Doch das blieb ein frommer und in Teilen naiver Wunsch. Man hatte das Gefühl, dass den Organisatoren die Veranstaltung ein Stück weit entglitten ist und man obskuren Gestalten die Bühne überlies. Man bekam den Eindruck, dass viele der Teilnehmer gar nicht wussten, wem sie da zuhören.

Während der heutigen Versammlung trat Traugott Ickeroth auf dem Schlossplatz auf und sprach zu den rund 100 Demonstranten. Er leugnet nicht nur Corona, wie er auf seiner Webseite verlautbart – „Der wichtigste Punkt hierbei ist, zu verstehen, daß es „Corona“ in dem Sinne nicht gibt. Es ist eine leichte Erkältung, welche jedes Jahr auftritt und auch entsprechende Todesopfer, bei jenen mit eingeschränktem Immunsystem, fordert. Die Toten in Wuhan, welches das Merkel September 2019 besuchte (merkwürdig), gehen auf 5G zurück.“ – sondern er nutzt auch klar die Sprache von Rechtsextremen oder Reichsbürgern. Dazu finden sich weitere, wirre Aussagen auf seiner Webseite. Sie entlarvt ihn als Antisemit, der glaubt Deutschland sei kein souveräner Staat, sondern der von Besatzungsmächten regiert wird.

In seinem 15-minütigen Vortrag fackelte Ickeroth ein wahres Feuerwerk der Verschwörungserzählungen ab. Er berichtete von Eliten, die in unterirdischen Anlagen das Blut von Kindern abzapfen, um es als Verjüngungsmittel einzusetzen. Als Ausgangsbasis diente ihm dazu, die QAnon-Verschwörung, die schon seit einigen Jahren im Internet kursiert.

Der „Traugott“ bei seinem Vortrag

Auch Chemtrails soll es geben. Das sind mit Chemikalien versetzte Kondensstreifen, die aus Flugzeugen versprüht werden, um die Bevölkerung zu manipulieren.

Ickeroth glaubt, dass die Weltbevölkerung auf rund 500 Millionen reduziert werden soll. Dies soll durch Impfstoffe geschehen, die hauptsächlich durch Gelder der Bill and Melinda Gates Foundation produziert werden.

Der Buchautor berichtete weiter von genmanipulierter Nahrung, einem im Untergrund vorherrschenden Logenkrieg und von „freier Energie“.

Doch was hat das Ganze mit dem Coronavirus zu tun? Laut Ickeroth wird der Coronavirus durch Mikrowellen erzeugt. Der neue Mobilfunkstandard 5G kommt da gerade recht und wird für die aktuelle Pandemie verantwortlich gemacht.

Zum Schluss seines Vortrages appellierte Ickeroth an die Demonstranten: „Bleibt friedlich und gewaltlos. Es wird eine goldene Zeit kommen. Das habe ich visionär gesehen“.

Schlimm ist nur, dass sich Mediziner mit Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen auf eine Bühne stellen und ihnen somit einen seriösen Rahmen geben. Das ist wirklich naiv.

Hoffnung gibt, dass sich einige Gegendemonstranten auf dem Schlossplatz eingefunden haben. Denn eins sollte uns allen klar sein: Verschwörungstheorien und Rechtsextremisten passen nicht zu einem weltoffenen St. Wendeler Land. Ihnen sollte man Paroli bieten!

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