„Erzieher sind Babysitter, die den ganzen Tag nur basteln, spielen und Kaffee trinken.“ Genau solche Vorurteile kennen viele Erzieher/innen zu Genüge. Wir haben mit Annika Munkes aus Urweiler über ihren Job als Erzieherin und den damit verbundenen Anforderungen gesprochen. Im folgenden Artikel berichtet die 27-Jährige von ihren persönlichen Berufserfahrungen und den verschiedenen Facetten dieses unterschätzten Jobs. Es geht etwa um die Eigenschaften, die
ein/e gute/r Erzieher/in mit sich bringen sollte und Themen wie Bezahlung, Stress, Coronamaßnahmen und vieles mehr.
Annika, wie ist es dazu gekommen, dass du Erzieherin geworden bist?
„Für mich stand schon immer fest, dass ich beruflich im sozialen Bereich arbeiten möchte. Ich bin ein offener, geselliger Mensch und lege Wert auf Abwechslung. Die Vorstellung, etwa einem trockenen Bürojob nachzugehen, kam für mich nie in Frage. Während verschiedener Schulpraktika in Kindertageseinrichtungen, lernte ich die Arbeit mit Kindern kennen und schätzen. Auch Themen wie Pädagogik und Psychologie haben schon früh mein Interesse geweckt. Was mich jedoch abschreckte, war die Tatsache, dass die vierjährige Ausbildung zur Erzieherin nahezu nicht vergütet wird. Letztlich schlug mein Herz aber doch für die Ausübung eines Berufes, der die Arbeit mit Kindern beinhaltet und so ließ ich mich auf die Ausbildung zur Erzieherin ein und bereue es bis heute nicht.“
Dann hast du für dich die richtige Jobwahl getroffen. Was meinst du, welche Eigenschaften sollte ein/e gute/r Erzieher/in vorweisen können?
„Ja absolut, auch wenn mein Job sehr stressig sein kann, bin ich sehr glücklich damit. Meiner Ansicht nach, sollte ein/e gute/r Erzieher/in auf jeden Fall empathisch sein. Man muss ein Gespür dafür haben, wie es den Kindern geht, was sie brauchen und wie man sie bestmöglich unterstützen und fördern kann. Außerdem sollte man verständnisvoll, flexibel und teamfähig sein. Jede/r Erzieher/in muss ein gutes Nervenkostüm besitzen und belastbar sein. Zudem spielen Durchsetzungskraft und Standhaftigkeit im Arbeitsleben einer Erzieherin auch immer wieder eine tragende Rolle.“
Du hast bereits die geringe Bezahlung während der Ausbildung angesprochen, kannst du uns dies etwas näher erläutern?
„Wie viel man verdient, ist davon abhängig, bei welchem Träger man angestellt ist, im Hinblick darauf variiert die Bezahlung. In meiner Ausbildungszeit habe ich im ersten Jahr knapp 100 Euro, im zweiten und dritten Jahr keinen Cent und im vierten Jahr circa 900 Euro monatlich verdient. Die fehlende Bezahlung insbesondere in den oft ersten drei Ausbildungsjahren, wird häufig damit begründet, dass die Ausbildung zum größten Teil an einer Fachschule stattfindet.
Im Anschluss muss man ein Anerkennungsjahr in Form eines Praktikums absolvieren. Inzwischen bieten wenige Schulen die praxisintegrierte Ausbildung, eine dreijährige, vergütete Ausbildung an.“
Wie gestaltet sich die finanzielle Situation nach der Ausbildung? Fühlst du dich nun als ausgebildete Erzieherin gerecht entlohnt?
„Bei diesem Thema gehen die Meinungen weit auseinander. Ich persönlich bin der Meinung, dass wir nach der Ausbildung zu den „gut“ Verdienenden im sozialen Bereich zählen. Es sind eher die Arbeitsbedingungen, die reformiert werden müssen. Einer Gruppe sind häufig 25 Kinder zugeteilt, die von bestenfalls zwei Erziehern betreut werden. Der Personalschlüssel stammt von 1978 und dabei wurden Urlaube, Fortbildungen und Krankenscheine nicht bedacht.
Wenn man sich in solchen Fällen um so viele Kinder alleine kümmern muss, kann das sehr stressig sein. Zudem haben sich seit 1978 die Rahmenbedingungen stark verändert und die Betreuungszeit sowie der Betreuungsbedarf der Kinder sind stark angestiegen.“
Das klingt nach reformbedürftigen Regelungen. Annika, wie hast du die Ausbildung erlebt?
„In fachlicher Hinsicht, hatte ich schon viele Themen aus der Fachoberschule ansatzweise gekannt, natürlich wurden diese während der Ausbildung intensiviert behandelt. Für mich persönlich, war es in der Ausbildungszeit schwierig, die Kombination aus praktischen und schulischen Phasen miteinander zu vereinbaren. Für die Praktika musste ich eine Vielzahl an Berichten verfassen, die komplexe Themengebiete beinhalteten und durchaus 200 Seiten (pro Bericht) umfassen konnten. Aufgrund der fehlenden Bezahlung, hatte ich immer Nebenjobs, um mich finanziell über Wasser zu halten. Das alles unter einen Hut zu bekommen, war nicht gerade einfach. Trotz allem würde ich die Zeit nicht mehr missen wollen. Ich wurde fachlich bestens geschult, habe so viele Erfahrungen, gute wie schlechte, gemacht und es entstanden Freundschaften und viele bleibende wunderbare Erinnerungen.“
Wie würdest du deine Arbeit als Erzieherin beschreiben?
„Entgegen vieler Erwartungen, trinke ich nicht den ganzen Tag Kaffee, esse Kuchen und bastele und spiele mit den Kindern. Kindertageseinrichtungen sind Bildungsinstitutionen mit einem entsprechenden Bildungsauftrag. Es bestehen verschiedenste Bildungsziele und wir Erzieher/innen ermöglichen den Kindern ihre Basiskompetenzen zu stärken und zu erweitern. Dabei berücksichtigen wir das Lebensumfeld der Kinder, versuchen sie bestmöglich zu unterstützen und dazu beizutragen ihnen etwa die Wichtigkeit von Selbstbestimmtheit und Verantwortungsbewusstsein zu vermitteln. Mein pädagogisches Handeln basiert auf vielen dokumentierten Beobachtungen, aus denen die individuellen Bildungsangebote beziehungsweise die Begleitformen der Kinder resultieren. Unsere pädagogische Arbeit richtet
sich nach dem saarländischen Bildungsprogramm, welches Bildungsbereiche wie zum Beispiel naturwissenschaftliche Grunderfahrungen, Sprache und Schrift, Bewegung, Kreativität oder musische Erziehung aufgreift. Ebenso werden die aktuellen Bedürfnisse und Interessen der Kinder stark berücksichtigt. Die Lernerfolge werden anschließend in Lerngeschichten festgehalten.“
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Annika, wie sieht dein typischer Arbeitsalltag aus?
„Meine Arbeitszeiten, in denen ich die Kinder im Alltag begleite, liegen zwischen 7 und 17 Uhr. Man schlichtet Streit, man wickelt die jüngeren Kinder, kümmert sich, beruhigt und erklärt, es wird nie langweilig. Jeder Tag ist anders und genau das gefällt mir auch so gut an diesem Beruf. Momentan ist es coronabedingt so, dass die Eltern den Einrichtungseingang nicht passieren dürfen, sodass wir die Kinder dort in Empfang nehmen und auch wieder verabschieden. Zwischen 8 und 10 Uhr morgens haben die Kinder die Möglichkeit zu frühstücken. Unsere Einrichtung achtet bei allen Mahlzeiten auf frische, regionale und gesunde Biokost. Um 9 Uhr startet unser Morgenkreis, in dem alles Anstehende besprochen und gemeinsam gesungen und gespielt wird. Im Anschluss und auch am Nachmittag können die Kinder verschiedene Räume nutzen, in denen wir sie begleiten. Da wäre etwa das Bauzimmer, in dem die Themen Bauen und Konstruieren mit entsprechenden Spielangeboten im Fokus stehen. Weiterhin können die Kinder im Atelier ihrer Kreativität auf verschiedenste Arten freien Lauf lassen. Im Rollenspielzimmer steht ein Kaufladen, eine Spielküche und es sind viele Kostüme vorhanden. Außerdem haben die Kinder die Möglichkeit, ein Außengelände und eine Turnhalle zu nutzen und sich dort auszutoben. Ebenso findet regelmäßig ein Waldtag statt. Nach dem Mittagessen gibt es eine Ruhezeit, in der wir in gemütlicher Atmosphäre Geschichten oder Traumreisen erzählen, bei denen die Kinder zur Ruhe kommen und teilweise auch schlafen. Oft widmen wir uns auch Projekten, die wir gemeinsam mit den Kindern planen und umsetzen.“
Kannst du uns etwas über diese Projekte erzählen? Was kann man sich darunter vorstellen?
„Momentan lieben es die Kinder in meiner Gruppe Origami zu falten. Alles fing mit einfachen Tulpen zu Ostern an. Schnell merkten wir, dass großes Interesse bestand und so überlegten wir gemeinsam mit den Kindern, was wir zu dem Thema machen könnten. Dabei entstanden viele kreative Ideen und inzwischen sogar eine ganze Landschaft aus Naturmaterialien und den verschiedensten gefalteten Tieren. Mit Hilfe digitaler Medien sahen wir uns passende Anleitungen dazu an, womit wir bei dem wichtigen Thema „Medienerziehung“ wären. Es läuft letztlich darauf hinaus, dass im gemeinsamen Tun viele Bildungsaspekte abgedeckt werden, sei es die Grob- und Feinmotorik, die Kreativität oder auch die Sprache. Das Ziel eines Bildungsangebotes ist es, je nach Bedürfnissen der Kinder, die Entwicklungsbereiche zu unterstützen und zu fördern. Natürlich beinhalten solche Bildungsangebote auch Aspekte, wie die Vorbereitung auf die Schule, sprich Stifthaltung, Konzentration, Ausdauer, Stressmanagement und vieles mehr. Diese (Projekt-) Arbeit ist sehr umfassend.“
Hattest du schon einmal besondere Vorkommnisse in Verbindung mit Eltern?
„Die Auseinandersetzung mit den Eltern gehört zu meinem Job. Natürlich kommt es auch mal vor, dass pädagogische Fachkräfte und Eltern unterschiedliche Ansichten haben und Konflikte entstehen. Ich nehme die Eltern jedoch immer als Experten für ihr Kind wahr und gemeinsam wird zum Wohle des Kindes entschieden.“
Wie gestaltet sich die Situation mit verhaltensauffälligen Kindern? Hattest du diesbezüglich schon einmal Schwierigkeiten?
„Ich betreue auch Kinder mit besonderen Bedürfnissen und da kommt man auch schon mal an seine persönlichen Grenzen. Manche Kinder haben aufgrund psychischer oder physischer Besonderheiten einen größeren Unterstützungsbedarf. Teilweise werden deshalb auch externe Fachkräfte, die speziell ausgebildet sind, hinzugezogen, um den Kindern eine zusätzliche Stütze zu sein.“
Annika, wie verkraftest du den Stress, der mit deinem Beruf, einhergeht?
„Da die Betreuungszeit 10 Stunden beträgt, kann der persönliche Stresspegel schon mal ganz oben sein. Dieser Zeitraum kann nicht nur für die Erzieher/innen, sondern auch für die Kinder anstrengend sein. Dass die Arbeit mit Kindern nicht immer einfach ist, sollte jedem vor Ausbildungsbeginn klar sein, das gehört einfach zu diesem Beruf. In erster Linie motivieren mich aber die schönen Momente, die ich in meinem Beruf jeden Tag aufs Neue erleben darf.
Ich bekomme Zuspruch für meine Arbeit und das nicht nur von Kollegen und Eltern, sondern auch von den Kindern selbst. Gerade wenn ich die Lernerfolge der Kinder sehe und weiß, wie ich zu diesen beigetragen habe, bin ich froh, dass ich etwas bewirken konnte. Auch der kollegiale Austausch und die gemeinsame Reflexion bringen mich immer wieder voran. Ich bin Teil eines tollen Teams, lenke den Fokus auf das Positive und so lassen sich Stressmomente
gut verarbeiten.“
Das klingt nach einer guten Mischung aus Freude an der Arbeit und wirksamen Stressbewältigungsmechanismen. Annika, was rätst du (jungen) Menschen, die Erzieher/in werden möchten?
„Ich halte es für sinnvoll, sich genau über den Beruf zu informieren und ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ein Praktikum in einer Kindertageseinrichtung zu absolvieren, um einen Einblick in diese Berufswelt zu gewinnen. Außerdem würde ich empfehlen mit berufserfahrenen Erziehern zu sprechen und sich auszutauschen. Dass man gerne mit Kindern spielt, sollte nicht als alleinige Motivation dienen und den Stressfaktor sollte man auch nicht unterschätzen.“
Welche Anforderungen müssen Erzieher/innen im Rahmen der Coronapandemie erfüllen?
„Zu Beginn der Pandemie betreuten wir die Kinder der Personen mit systemrelevanten Berufen. Wir Erzieher wurden nicht in diese Berufsgruppe eingestuft und somit durften gerade wir die eigenen Kinder nicht zur Kita bringen. Es stellt außerdem auch aktuell noch eine Herausforderung dar, den pädagogischen Alltag und die Coronabestimmungen miteinander zu vereinbaren. Manche Entscheidungen sind, meiner Ansicht nach, nicht gut durchdacht beziehungsweise aufgrund baulicher oder personeller Gegebenheiten nur schwer umsetzbar. Außerdem sind wir Erzieher einem besonders hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Bei der Arbeit mit Kindern ist das „Abstand-halten“ nur in der
Theorie möglich. Oder wie sollen wir mit Abstand ein Kind trösten, das sich wehgetan hat, seine Eltern vermisst oder es wickeln? Wir werden angeniest und angehustet und stellen den Schutz und die Bedürfnisse der Kinder über unsere eigenen.“
Zum Abschluss: Der Erzieherberuf- was ist trifft für dich zu? Traumberuf oder Knochenjob und was magst du an deinem Beruf besonders?
„Für mich, ganz klar ein Traumberuf, der jedoch auch ein Knochenjob sein kann. Ich liebe meinen Job, weil er so facettenreich ist und ich ihn zusammen mit den Kindern abwechslungsreich gestalten kann. Man erkennt recht schnell die Resultate der eigenen Arbeit und das ist schön. Ich freue mich die Kinder auf einem Teil ihres Lebensweges begleiten zu dürfen und zu beobachten, wie sie zu einer individuellen Persönlichkeit heranwachsen. Ich bin
stolz, Erzieherin zu sein und ich wünsche mir, dass die Politik und die Gesellschaft soziale Berufe mehr würdigt und diesen in Zukunft mehr Anerkennung und Respekt entgegenbringt.“
Ein Einblick darüber, in welchen Bereichen man als Erzieher*in noch tätig sein kann, gibt es hier.